Sie drillen Kinder in Lagern, führen bedrohliche Hausbesuche durch und hetzen gegen Geflüchtete: Eine aus Russland stammende Sekte breitet sich derzeit immer mehr in Deutschland aus: der „Anastasia“-Kult. Wie unter anderem das Nachrichtenportal Merkur berichtet, wirken die Grundsätze der Bewegung zunächst harmlos: Ein Leben im Einklang mit der Natur. Doch hinter dieser Fassade steckt eine fragwürdige rechtsesoterische Ideologie. Was hat es mit dem Kult auf sich – und wie gefährlich sind seine Anhänger?
Die Anastasia-Bewegung ist von einer Roman-Serie des russischen Autors Wladimir Megre inspiriert. Darin erzählt er von einer fiktiven Begegnung mit einer wunderschönen, goldblonden Frau namens Anastasia, die als Einsiedlerin in der russischen Taiga lebt. Sie ist allwissend und hat übernatürliche Kräfte, die der moderne Mensch verloren habe. Die Figur ist erfunden – doch Megre beschreibt „seine Begegnung“ mit ihr als wäre alles real. Anastasias Botschaft, die in den Büchern proklamiert wird, lautet: Jeder Mensch kann ein vollkommenes Leben leben, wenn er oder sie sich an ihre Lehren hält.
Anastasia-Anhänger in Deutschland: Größtes Projekt in Brandenburg
Inspiriert von den Idealen, die in den Büchern transportiert werden, gründete sich 1997 in Russland die rechtsesoterische Anastasia-Bewegung. Anhänger sind aufgefordert, der modernen Welt den Rücken zu kehren und etwa auf Landsitzen ein naturnahes Leben als Selbstversorger zu führen. So sollen sie der „technokratisch“ genannten Welt entfliehen, wie es beim Österreichischen Fonds zur Dokumentation von religiös motiviertem politischen Extremismus heißt. In Österreich wird die Anastasia-Sekte bereits seit Jahren vom Staatsschutz beobachtet. Doch auch in Deutschland ist sie inzwischen weit verbreitet.
In den sozialen Medien hätten entsprechende Telegram-Kanäle etwa 250.000 Abonnenten, berichtet Merkur. Laut Moskauer Deutsche Zeitung haben sich hierzulande zudem bereits mehr als 20 Ableger niedergelassen (2022). Das derzeit größte Projekt findet sich offenbar in Ostprignitz-Ruppin in Brandenburg. Es hat sich den Namen „Goldenes Grabow“ gegeben. Ein Ehepaar habe dort ein gut vernetztes Siedlungsprojekt mit mehreren Familien aufgebaut, wie Belltower News berichtet.
Demnach werden dort auf dem angekauften Land etwa rechtsextremistische Jugendlager veranstaltet. Ein YouTube-Kanal der Brandenburger Anastasia-Anhänger verbreitete zudem Desinformationen zu „illegaler Masseneinwanderung“ und rief zur Bildung einer Bürgerwehr auf, wie ein Beitrag von ARD-Kontraste zeigt.
Anwohner berichten Belltower News zufolge über bedrohliche Hausbesuche durch die Sektenanhänger – auch zum Dorffest traue sich kaum noch jemand, sagte eine Anwohnerin gegenüber dem Deutschlandfunk: „Lieber nicht, wer weiß, mit wem ich da in Berührung komme.“ Doch welche Gefahr geht von dem Kult aus?
Demokratiefeindliche Gesinnung: Wie gefährlich ist die Anastasia-Bewegung?
„Die Bücher, auf die diese Bewegung zurückgeht, transportieren kulturellen Rassismus und Antisemitismus“, sagte Rechtsextremismus-Experte Matthias Quent gegenüber dem RBB. Diese Diskriminierungsformen kämen jedoch eher beiläufig hinzu, um zu erklären, „was an der modernen Welt alles schiefläuft“, so Quent. Diese ideologischen Muster kenne man aus dem Nationalsozialismus. Das für die Anhänger angeblich richtige und natürliche Leben basiere somit auf einer Ordnung, die Ungleichheit zwischen „Rassen“ voraussetzt. Quent betont, es gebe zudem Kontakte zu rechtsextremen Bewegungen, wie den Identitären oder ins Reichsbürgermilieu.
Auch Anna Weers, Expertin der Amadeu Antonio Stiftung für Rechtsextremismus im ländlichen Raum, ist laut Belltower News alarmiert. Die Siedler der Anastasia-Sekte täten alles, um ihr ideologisches Weltbild möglichst ungebrochen an die nächste Generation weiterzugeben. Neben der Veranstaltung von Lagern, würden die Kinder ihrer Ansicht nach von klein auf in den Familien indoktriniert. Die „völkische Landnahme“ des „Anastasia“-Kults in ländlichen Gebieten schaffe Räume, „die sich der staatlichen Kontrolle entziehen“, heißt es weiter. Die westliche Demokratie wird indes abgelehnt und als „Dämonkratie“ verunglimpft, schreibt die Dokumentationsstelle Politischer Islam über „Anastasia“. Dabei werde ein Kampf zwischen „Gut und Böse“ heraufbeschworen.




