Berlin-Reinickendorf

Waldseeviertel: Erbitterter Kampf der Bürgerinitiativen

Im Streit um die Verkehrsberuhigung im Waldseeviertel in Reinickendorf geraten sich zwei Bürgerinitiativen in die Haare. 

Die Schildower Straße am Waldseeviertel verbindet Berlin mit Glienicke/Nordbahn in Brandenburg. Die Straße wird als Schleichweg benutzt. Anwohner protestieren gegen den Durchgangsverkehr.
Die Schildower Straße am Waldseeviertel verbindet Berlin mit Glienicke/Nordbahn in Brandenburg. Die Straße wird als Schleichweg benutzt. Anwohner protestieren gegen den Durchgangsverkehr.Jürgen Ritter/imago

„Gemeinsam mit der Bürgerinitiative für mehr Verkehrsberuhigung im Waldseeviertel verklagt Changing Cities das Bezirksamt Reinickendorf“. Mit diesen Worten startet eine Pressemitteilung von Changing Cities e.V. am 31. Mai. Der Verein setzt sich nach eigenen Worten für eine klima- und menschengerechte Umgestaltung von Städten ein. Die Berliner Zeitung berichtete über die Mitteilung.

Das Bezirksamt habe sich demnach jahrelang geweigert, effektive Maßnahmen gegen den Durchgangsverkehr in der Schildower Straße an der Reinickendorfer Grenze zu Brandenburg zu ergreifen. Die Klage ziele darauf ab, das Bezirksamt zur Einrichtung einer verkehrsberuhigten Zone zu verpflichten, nachdem Fraktionen der BVV im Mai 2020 einer Verkehrsberuhigungsmaßnahme zugestimmt hätten, so Changing Cities. „Laut Mobilitätsgesetz ist die Straße Teil des Radverkehrsnetzes und muss fahrradfreundlich umgebaut werden“, sagte Paul Jäde von Changing Cities.

Durch die Wohnstraßen im Waldseeviertel im Reinickendorfer Ortsteil Hermsdorf würden über 6000 Autos fahren, davon handele es sich zu 90 Prozent um Durchgangsverkehr. Verkehrsstadträtin Julia Schrod-Thiel (CDU) habe angekündigt, dass der Verkehr von der B96 durch die Wohnviertel geleitet wird, weil die Bundesstraße an ihre „Kapazitätsgrenze“ gelangt ist. „Dafür soll nun die Schildower Straße saniert werden. Das Bezirksamt Reinickendorf hat sogar angekündigt, das Durchfahrverbot für Lkw über 3,5 t nach der Sanierung aufzuheben. Für die Anwohner*innen ist dieses Vorhaben eine Zumutung, gegen die sie seit Jahren kämpfen“, heißt es in der Pressemitteilung.

Mit Dr. Helmut Bodensiek äußerte sich nun ein Vertreter der Initiative „Offene Nachbarschaft“ in einem Leserbrief und kritisierte die Pressemitteilung. Nicht die Organisation Changing Cities, sondern Karl Michael Ortmann, Leiter einer Bürgerinitiative in Berlin-Hermsdorf sowie zwei weitere Anwohner hätten geklagt – allesamt Eigentumsbesitzer im Waldseeviertel.

„Die Kläger um Herrn Ortmann wollen das Pendlerproblem dadurch lösen, dass sie die Grenzen zwischen Berlin und Brandenburg für Pendler wieder schließen wollen“, so Bodenbiek. Seine Initiative „Offene Nachbarschaft“ hingegen wolle Alternativen zum motorisierten Individualverkehr attraktiver machen, ohne die Freiheitsrechte der Bürger abzubauen oder einzuschränken.

Bodensiek kritisiert weiter, dass behauptet wird, das Gericht müsse entscheiden, unter welchen Bedingungen Anwohner einen Rechtsanspruch auf die Einrichtung eines sogenannten Superblocks oder Kiezblocks hätten. Tatsächlich gehe es bei der Klage um die Errichtung von Betonpollern (Modalfilter) an der Landesgrenze. Weiterhin sei die Aussage, dass der Verkehr von der B96 durch Wohnviertel geleitet werde und die Schildower Straße saniert werden solle, „Unsinn“ – „völlig frei erfunden“. Ebenso falsch sei die Behauptung, dass das Bezirksamt Reinickendorf das Durchfahrverbot für Lkw über 3,5 Tonnen nach der Sanierung aufheben wolle.

Doch Ortmann, Sprecher der „Bürgerinitiative für mehr Verkehrsberuhigung in Glienicke/Nordbahn und Berlin-Hermsdorf“, widerspricht Bodensieks Behauptungen. Er sagte der Berliner Zeitung: „Die Initiative ‚Offene Nachbarschaft‘ ist schon des Öfteren dadurch aufgefallen, dass sie versucht hat, die Presse einzuschüchtern. Von ähnlichen Vorfällen haben mir mehrere Journalisten berichtet. Das Ziel scheint zu sein, eine Berichterstattung über das Waldseeviertel zu verhindern oder aber zukünftige Berichte in eigenem Interesse zu beeinflussen. Bei manch einem Journalisten hat dieses Vorgehen Wirkung gezeigt“, so Ortmann

So sei über die Aufhebung des Lkw-Durchgangsverbots mehrfach in Medien berichtet worden. Auch habe sich die Verkehrsstadträtin in Medien geäußert, dass die B96 an ihrer Kapazitätsgrenze ist und die Schildower Straße als Nebenstraße zu ihrer Entlastung gebraucht wird. Außerdem sagt Ortmann: „Die Erprobung von Modalfiltern wurde im Mai 2020 nach einem langen politischen Abwägungsprozess im Konsens aller sechs Fraktionen der Bezirksverordnetenversammlung beschlossen. Anschließend hat das Bezirksamt ein Gutachten für 50.000 Euro in Auftrag gegeben. Das Ergebnis war ernüchternd: leider könne man gar nichts tun, um Abhilfe zu schaffen, da sich der Verkehr verlagern könnte.“