Trotz eines von Russland ausgelösten Eklats hat die Weltgemeinschaft in New York einen unter deutscher Führung verhandelten UN-Reformplan angenommen. Der Präsident der UN-Vollversammlung, Philemon Yang, erklärte den Zukunftspakt der Vereinten Nationen im Beisein von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gegen den Willen Moskaus und einiger anderer Staaten für verabschiedet. Russland distanzierte sich von dem Abkommen, das eigentlich einstimmig angenommen werden sollte.
In dem Dokument für „eine bessere Zukunft“, an dessen Aushandlung Deutschland maßgeblich beteiligt war, werden 56 Punkte zur Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit aufgelistet.
Zu Beginn der Zeremonie hatte der stellvertretende russische Außenminister Sergej Werschinin entgegen der Planung um das Wort gebeten und eine zusätzliche Änderung des Textes verlangt. „Wenn unser Änderungsantrag nicht in den Text des Paktes aufgenommen wird, werden wir uns auch von dem Konsens über dieses Dokument distanzieren“, sagte Werschinin, der einen Änderungsantrag einbrachte, in dem er den „Grundsatz der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten von Staaten“ betonte und die UN aufforderte, doppelten Aufwand zu vermeiden. Er beklagte zudem, dass den Ländern, die nicht zufrieden mit dem Abkommen seien, keine Möglichkeit für weitere Verhandlungen gegeben worden sei.
In seinem Vorstoß wurde Russland von Belarus, Nordkorea, dem Iran, Nicaragua und Syrien unterstützt. Eine Abstimmung über den Antrag wurde aber abgelehnt, sodass der Pakt anschließend verabschiedet wurde.
Olaf Scholz: Der Multilateralismus ist lebendig
Der Zukunftspakt mache deutlich, dass „all das Gerede von Spaltung, Polarisierung und Unsicherheit nicht das Ende unserer Vereinten Nationen sein wird“, sagte Scholz kurz nach Verabschiedung des Paktes in New York in einer auf Englisch gehaltenen Rede. Deutschland und Namibia hatten in den vergangenen Jahren die Verhandlungen dazu geführt.
Dabei hätten sie sich von den Grundsätzen „Respekt und Fairness“ leiten lassen, sagte der Kanzler. Die Verhandler hätten politische und ideologische Meinungsverschiedenheiten überwunden, um diesen globalen Konsens zu erzielen. „Sie haben bewiesen, dass der Multilateralismus lebendig ist“, sagte Scholz.
Was beinhaltet der Zukunftspakt der UN?
Dutzende Staats- und Regierungschefs reisten zur Unterzeichnung des Zukunftspaktes nach New York, die den Auftakt der UN-Woche der Spitzendiplomatie markierte. Am Dienstag beginnt die UN-Generaldebatte, bei der vor allem der weiter eskalierende Nahost-Konflikt sowie der Ukraine-Krieg im Mittelpunkt stehen dürften.
Der Zukunftspakt enthält ein Bekenntnis zum Multilateralismus, um „mit der sich verändernden Welt Schritt zu halten“ und angesichts fortdauernder Krisen „die Bedürfnisse und Interessen jetziger und kommender Generationen zu schützen“. „Wir glauben, dass es einen Weg zur einer besseren Zukunft für die gesamte Menschheit gibt“, heißt es in dem Pakt. Unter anderem verpflichten sich die Unterzeichner zum Ziel einer atomwaffenfreien Welt und zur Abrüstung sowie zu einer Fortsetzung der UN-Friedensmissionen.
UN-Generalsekretär António Guterres hatte den Zukunftspakt im Jahr 2021 vorgeschlagen. In dem nun verabschiedeten Dokument bekennen sich die UN-Staaten ferner zu den in den internationalen Abkommen vereinbarten Zielen zur Eindämmung der globalen Klimafolgen sowie in einem Zusatzprotokoll zur Eindämmung von Risiken digitaler Technologien wie der Künstlichen Intelligenz (KI).
Pakt ruft zur Reform internationaler Finanzinstitutionen auf
Der Pakt ruft auch zur Reform internationaler Finanzinstitutionen sowie zur Reform des UN-Sicherheitsrates auf, um eine bessere und gerechtere Repräsentanz der Staaten auf internationaler Ebene zu erzielen. Diese Punkte wurden vor allem von Entwicklungsländern in den Verhandlungen stark hervorgehoben. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) erklärte, der Pakt enthalte „wichtige Verpflichtungen zur wirtschaftlichen Gerechtigkeit und zur Reform der internationalen Finanzarchitektur“.
UN-Diplomaten bezeichneten den Text teils als „kleinsten gemeinsamen Nenner“ oder als „lauwarm“. Der Experte Richard Gowen von der International Crisis Group sagte, das Abkommen enthalte „gute Ideen“. Aber letztlich sei er nicht das „revolutionäre Dokument zur Reform des Multilateralismus, zu dem Guterres am Anfang aufgerufen hatte“.
Trotz der Kritik sei es gelungen, „unser kollektives Engagement für den Multilateralismus zu bekräftigen, selbst in dem schwierigen geopolitischen Kontext, in dem wir uns derzeit befinden“, sagte ein westlicher Diplomat. Vor allem das Vertrauen zwischen dem globalen Norden und Süden müsse wiederhergestellt werden.


