Zum vierten Jahrestag der ersten bundesweiten „Querdenken“-Versammlung zogen am Samstag nach Angaben der Polizei mindestens 12.000 Demonstranten durch Berlin. Die Zubringer-Demonstration unter dem Motto „Einigkeit und Recht und Freiheit – der Umzug“ war um 12 Uhr auf der Hardenbergstraße am Ernst-Reuter-Platz in Charlottenburg gestartet.
Die Demonstranten trafen dann auf der Klingelhöferstraße/Hofjägerallee auf eine Großkundgebung, zu der 17.000 Menschen erwartet wurden. Hier war die Bewegung „Querdenken 711“ offizieller Anmelder. Um 15.30 Uhr startete die Kundgebung. Ganz so viele Teilnehmer wie erwartet, wurden es laut Polizeiangaben aber nicht.
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Auch „Querdenken“-Initiator Michael Ballweg war vor Ort. Der Unternehmer, der im April 2020 die Gruppe „Querdenken 711“ gegründet hatte und sie bundesweit mit gleichartigen Initiativen vernetzte, war bis zum Frühjahr neun Monate in U-Haft. Die Staatsanwaltschaft hat ihn wegen versuchten Betrugs, Geldwäsche und Steuerhinterziehung angeklagt. Er sagte: „Mein Kernanliegen ist das Thema Grundrechte. Natürlich kommt das Thema Frieden dazu, das Thema Aufarbeitung und insbesondere das Thema Veränderung.“
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Der Auftakt der Demonstration verlief nach Angaben der Berliner Polizei friedlich. Die Zahl der Teilnehmer sei noch nicht abzuschätzen, es seien aber einige Tausend, sagte eine Sprecherin. 5000 waren zuvor angemeldet gewesen. Die Polizei war mit insgesamt 500 Polizisten im Einsatz. Es gab mehrere Verstöße gegen das Auflagenverbot und vorläufige Festnahmen. Zwei festgenommene Teilnehmer zeigten Fahnen mit der Aufschrift „Ami, go home“ und abgebildeten Totenköpfen. Auch soll das Logo von „Compact“, einem vom Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuften und inzwischen verbotenen Magazin, gezeigt worden sein. Andere trugen in Anspielung auf einen Vorfall auf Sylt mit „döp dödö döp“(„Ausländer raus“) -Gesängen entsprechende T-Shirts. Vereinzelt wurden AfD-Plakate in die Höhe gehalten.
Insgesamt war die Teilnehmerschaft bunt gemischt: Manche trugen Blumenketten oder John-Lennon-Buttons. Auf dem Shirt eines Teilnehmers war ein Echsen-Print zu sehen, offenbar in Anlehnung an eine bekannte Verschwörungserzählung. Ein Mann spielte Klavier, ein anderer leitete eine Meditation an.
Friedliche Stimmung auf der #Querdenker-Demo in #Berlin. Viele Fahnen sind zu sehen, auch #AfD-Plakate. „Nazis raus“-Rufe sollen ebenfalls zu hören gewesen sein. Alle demonstrieren gegen Krieg und für Frieden. #Querdenken #b0308 #Corona pic.twitter.com/c4oWTghfs6
— Berliner Zeitung (@berlinerzeitung) August 3, 2024
Viele Teilnehmer schwenkten Fahnen mit der Friedenstaube. Andere forderten auf Transparenten die „Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen“ und „Konsequenzen für die Verantwortlichen“.
„Querdenken“-Kundgebung in Berlin: Das sagen Demonstranten
Fred Völling ist auch hier. Der 64-Jährige sagt, er sei mit dem Fahrrad von Travemünde gekommen. „Ich mach das für mein Gewissen, für meine Kinder, meine Enkelkinder.“ Sein Anliegen sei aber auch Corona. Über die RKI-Files sagt er: „Sie haben uns bewusst veräppelt.“ Völling hat, wie einige andere Demonstranten, einen Stock dabei, in den er das Wort Frieden geschnitzt hat. Er sagt, er habe ihn, um „einfach mal da zu stehen“ und sich zu stützen. Er sei auch schon mal vor ein paar Jahren während Corona in Berlin gewesen. „Polizeieinsätze auch in Kleinstädten haben mir zu denken gegeben.“ Über Berlin sagt er: „Ich bin immer froh, wenn ich raus bin.“
Eine andere Demonstrantin beklagt: „Das komplexe Denken ist verloren gegangen. Wenn heute einer eine Maske trägt, dann wird er angefeindet.“ Ihr Begleiter kritisiert:
„Es geht um staatliche Eingriffe. Der Staat schreibt vor, was wir zu denken und was wir zu äußern haben, das funktioniert nicht.“

Die „Querdenken“-Bewegung hatte sich im Zuge der Corona-Pandemie von Stuttgart aus in vielen deutschen Städten formiert. Die Anhängerinnen und Anhänger demonstrierten immer wieder öffentlich gegen die politischen Maßnahmen zur Eindämmung des Virus. Dabei gab es auch Angriffe auf Polizisten und Medienvertreter.
„Querdenken“ ist zurück in Berlin. Die Demonstrierenden trommeln sich warm. Einer sagt: „Ich bin hier für mein Gewissen.“ #b0308 @berlinerzeitung pic.twitter.com/jkRliBDsfx
— Carola Tunk (@CarolaTunk) August 3, 2024
Gegenproteste gegen „Querdenken“-Demo in Berlin
Entlang der Demo-Route waren mehrere Gegenproteste geplant, unter anderem von der „antiverschwurbelten Aktion“, Omas gegen Rechts sowie „Geradedenken“.
Bei einer Demonstration der „Querdenker“ am 2. August 2020 in Berlin hatten nach Angaben der Polizei rund 20.000 Teilnehmer gegen die damaligen Corona-Maßnahmen protestiert. Nach Einschätzung des Veranstalters war die Zahl um ein Vielfaches höher.













