Königs Wusterhausen-Am Zaun vor dem zweigeschossigen Einfamilienhaus hängt eine Kinderzeichnung. Ein Regenbogen ist darauf gemalt, eine Sonne, vier bunte Schmetterlinge, ein paar Wolken. „Du tanzt nun auf dem Regenbogen. Dein Leon“, steht in kindlicher Schrift auf der Zeichnung. Eine Schneeeule aus Plüsch hängt daneben. Auf dem Boden stehen brennende Kerzen, ein großer Teddy lehnt an dem steinernen Zaunpfeiler. Vor der Einfahrt, die mit Flatterband der Polizei abgesperrt ist, liegen rote und weiße Rosen. Der Ort in der Birkenallee in Senzig, einem Ortsteil von Königs Wusterhausen, ist ein Ort der Trauer geworden.
Immer wieder kommen Bewohner der idyllisch zwischen drei Seen und Wäldern gelegenen Ortschaft an diesem Sonntag vorbei, um ihre Anteilnahme zu zeigen – für die fünfköpfige Familie, die in dem vor wenigen Jahren neu gebauten Haus lebte – und nun gewaltsam starb. Am Sonnabend wurden in dem Einfamilienheim die beiden 40-jährigen Eltern Linda und Devid R. sowie ihre drei Töchter tot aufgefunden. Rubi war gerade vier Jahre alt, das Mädchen ging noch in die Kita im Ort. Ihre älteren Schwestern Janni und Leni starben mit acht und zehn Jahren. Sie gingen in Senzig in die Grundschule.
Die Leichen, so sagt es der für die Ermittlungen zuständige Oberstaatsanwalt Gernot Bantleon, hätten Stich- und Schussverletzungen aufgewiesen. Eine Mordkommission ermittele. Wer erschossen und wer erstochen wurde, dazu wollte sich Bantleon nicht äußern. Nur soviel: Ein Haftbefehl wurde nicht erlassen. Stattdessen deutet offenbar alles darauf hin, dass der Täter oder die Täterin unter den Toten ist. „Wir haben im Haus einen Abschiedsbrief gefunden“, sagt der Oberstaatsanwalt am Sonntag der Berliner Zeitung. Wer die Zeilen geschrieben hat, sagte er nicht. Auch zum Motiv der Tat schwieg Bantleon. „Wir ermitteln noch“, begründet er seine Zurückhaltung.

Was war geschehen? Am Sonnabend hatten sich Nachbarn gewundert, weil sie seit geraumer Zeit niemanden der Familie R. gesehen hatten. Auch nicht im Garten des Grundstücks. Es heißt, dass sich die Familie in Quarantäne befunden haben soll. Offenbar durch ein Fenster hatten die Anwohner dann eine leblose Person gesehen und gegen Mittag den Notruf der Polizei gewählt.
Die Beamten fanden die Familie wenig später tot in dem zweigeschossigen Gebäude. Die Birkenallee wurde abgesperrt. Bis in die Nacht waren Mitarbeiter der Kriminaltechnik und auch Gerichtsmediziner im Haus, um Spuren zu sichern. Trotz heruntergelassener Jalousien war das Licht im Haus sichtbar. Der kleine Hund der Familie, den die Kinder vor noch nicht so langer Zeit bekommen haben sollen, hatte überlebt. Er wurde von einem Feuerwehrmann in einer Transportbox aus dem Haus geholt und in ein Tierheim gebracht. Im Nachbargebäude war ein Notfallseelsorger im Einsatz.
Schon am Samstagabend kamen erste Anwohner sichtlich geschockt zur Birkenallee. Sie waren aus den Medien oder von Freunden, die besorgt angerufen hatten, von der Bluttat informiert worden. Erste Kerzen brannten auf dem Rasen der gegenüberliegenden Straßenseite. „Das hier ist ein Dorf, da kennt jeder jeden“, sagte ein Mann. „Warum die Kinder?“, fragte eine Frau, die auch drei Kinder hat und mit ihrer Familie erst vor zwei Wochen nach Senzig gezogen ist. Am Sonntagmorgen hob die Polizei die weiträumige Absperrung des Tatorts auf.
Vor dem Haus werden es nun immer mehr Kerzen. In der Einfahrt parkt noch der schwarze Opel, mit dem Linda R. morgens ihre Kinder in die Kita oder die Schule gefahren und nachmittags wieder abgeholt haben soll. „Es sieht alles so friedlich aus“, sagt eine ältere Dame und zeigt auf ein großes Paket vor der Eingangstür, die sich seitlich am Haus befindet. Eine Postbotin hatte es am Samstagabend vorbeigebracht – die Polizei nahm es ihr ab und stellte es vor die Tür. Offenbar befindet sich darin ein Schreibtisch für Kinder.
Nachbarn erzählen, dass Devid R. als Lehrer an einer Berufsschule gearbeitet und in seiner Freizeit Brunnen gebaut haben soll. Er sei ein aufgeschlossener Mann gewesen, heißt es. Linda R., eine Betriebswirtin, sei hingegen etwas zurückhaltender gewesen. Das Haus habe die Familie vor etwas mehr als vier Jahren gebaut, als die jüngste Tochter noch nicht geboren gewesen sei.

„Meine Tochter war mit der Vierjährigen befreundet“, berichtet eine Frau, die mit dem Fahrrad gekommen ist und eine Kerze entzündet hat. „Was hier passiert ist, ist ganz furchtbar“, sagt sie sichtlich gerührt. Sie wisse noch nicht, wie sie ihrem Kind sagen soll, dass Rubi tot ist. Eine andere Senzigerin, die den großen Teddy an die Hofeinfahrt gesetzt hat, erzählt, dass das Plüschtier ihrer Tochter gehörte. „Ich habe sie gefragt, was ich mitnehmen kann für die gestorbenen Mädchen“, erzählt sie. Bereitwillig habe ihr Kind den Bären gegeben.
Sie berichtet weiter, dass schon am Sonnabendmittag für viele Bewohner Senzigs klar gewesen sei, dass etwas Schlimmes geschehen sein müsse. „Die Sirenen der Feuerwehr gingen um 11.50 Uhr los“, sagt die Frau. Sie habe gedacht, dass es einen schweren Unfall gegeben habe.


