News

New York Times über Gefangenenaustausch: „Putin und Biden sind die Sieger“

Laut der amerikanischen Tageszeitung ist der jüngste Gefangenenaustausch in Ankara eine Win-Win-Situation für Russland und die USA.

USA, San Antonio: Der US-Reporter Evan Gershkovich telefoniert, als er nach seiner Freilassung im Rahmen eines Gefangenenaustauschs von 24 Personen zwischen Russland und den Vereinigten Staaten am Kelly Field angekommen ist.
USA, San Antonio: Der US-Reporter Evan Gershkovich telefoniert, als er nach seiner Freilassung im Rahmen eines Gefangenenaustauschs von 24 Personen zwischen Russland und den Vereinigten Staaten am Kelly Field angekommen ist.Eric Gay/AP/dpa

Es kommen immer mehr Informationen ans Tageslicht, wie der legendäre Gefangenenaustausch am 1. August 2024 in Ankara zwischen Russland und den USA und die Vorgeschichte dazu abgelaufen sein sollen. Laut der New York Times war dies der komplexeste Gefangenenaustausch seit dem Ende des Kalten Krieges.

Die Geschichte soll mit der Verhaftung des ehemaligen Soldaten und Amerikaners Paul Whelan im Jahr 2018 in Russland begonnen haben, als noch Donald Trump Präsident war. Whelan wurde vom FSB beschuldigt, einen FSB-Agenten bestochen zu haben, um sensible Informationen zu erhalten. Seine Anwälte bestritten, dass Whelan für die USA als Spion gearbeitet hatte. Die Verteidigung konnte nichts bewirken: 2020 wurde Whelan in Russland zu 16 Jahren Haft verurteilt. 

Guten Morgen, Berlin Newsletter
Vielen Dank für Ihre Anmeldung.
Sie erhalten eine Bestätigung per E-Mail.

Laut der New York Times hatten die USA keine für Russland interessanten Gefangenen, die in Frage gekommen wären, um Paul Whelan in einem Gefangenenaustausch freizubekommen. Dies soll sich im Dezember 2022 geändert haben, als in Slowenien ein Paar festgenommen wurde, das beschuldigt wurde, unter falschen Identitäten für Russland spioniert zu haben. (Die Inhaftierten mit den Namen Artem Dultsev und Anna Dultseva hatten zuvor in Argentinien unter falschem Namen gelebt.) Die Amerikaner sollen Russland nach der Verhaftung des Paares ein Angebot gemacht haben: Sie wollten beide russischen Spione gegen Whelan tauschen. Die Russen lehnten laut New York Times den Vorschlag ab, sagten aber, dass sie im Prinzip bereit wären, über einen Gefangenenaustausch zu verhandeln. Dies soll das Interesse des Auslandsministeriums und des Weißen Hauses geweckt haben. 

Artem Dultsev und Anna Dultseva nach der Freilassung auf dem Weg nach Moskau.
Artem Dultsev und Anna Dultseva nach der Freilassung auf dem Weg nach Moskau.Imago

Die Deutschen mussten involviert werden

Die Situation habe sich geändert, als Evan Gershkovich im März 2023 in Russland verhaftet wurde. Dem amerikanischen Wall-Street-Journal-Journalisten wurde ebenfalls von Russland wie Whelan vorgeworfen, ein amerikanischer Spion zu sein. Nach vielen Monaten der Verhandlungen wurde den Amerikanern klar, dass die Russen einen besonderen Preis erheben würden, um Gershkovich freizulassen: die Freilassung des Tiergartenmörders Vadim Krasikov, der in Berlin in Haft saß.

Dies verkomplizierte die Verhandlungen, weil jetzt Deutschland involviert werden musste, um einen Deal hinzubekommen. 2019 hatte Krasikov einen tschetschenischstämmigen Georgier in Berlin erschossen, dem in Russland vorgeworfen wurde, sich an terroristischen Attentaten beteiligt zu haben. Vadim Krasikov wurde von der Berliner Polizei gefasst, angeklagt und wegen Mordes verurteilt. Putin soll immer wieder angedeutet haben, dass es ihm wichtig sei, Krasikov freizubekommen und nach Russland zu transportieren.

Vadim Krasikov nach seiner Freilassung in Moskau
Vadim Krasikov nach seiner Freilassung in MoskauImago

Die Amerikaner wollten den Deutschen die Freilassung Krasikovs schmackhaft machen, indem sie andeuteten, dass bei einem Gefangenenaustausch der Oppositionelle Alexej Nawalny freigehandelt werden könnte. Die Amerikaner wussten, dass Nawalny Beziehungen nach Deutschland pflegte und nach seiner Vergiftung in Deutschland behandelt worden war. Die Amerikaner und die Deutschen konnten diesen Deal den Russen jedoch nie vorschlagen, weil Nawalny in Russland im Februar 2024 verstarb. Die Amerikaner ließen dennoch nicht locker und konnten die Deutschen überzeugen, Krasikov freizulassen. Im Frühling 2024 stand der Deal mit den Deutschen, so die New York Times.

Der Deal sollte 2024 finalisiert werden

Joe Biden habe den abschließenden Deal mit den Russen im Juli 2024 finalisieren können. Angeblich in jener Phase, als er um seine politische Zukunft als nächster Präsidentschaftskandidat kämpfte. Am 21. Juli, als Biden an Covid-19 erkrankte und sich selbst isolierte, soll er mit Slowenien telefoniert haben, um die Freilassung des russischen Agentenpaares zu erwirken. Nachdem ihm der Premierminister von Slowenien die Unterstützung zugesagt hatte, verschickte Biden die Information, dass er nicht wieder für das Präsidentenamt antreten würde. Der anschließende Gefangenenaustausch am 1. August 2024 in Ankara war ein Sieg für Biden und für Putin, so das Fazit der New York Times. 

In einer Podcast-Folge des Springer-Journalisten Paul Ronzheimer äußert sich der Wall-Street-Journal-Journalist Bojan Pancevski zum Gefangenenaustausch. Er war in Berlin, als freigelassene russische Oppositionelle von Russland über Ankara nach Deutschland gebracht wurden, um in Freiheit ein neues Leben zu beginnen. In dem Podcast sagt Bojan Pancevski, dass Olaf Scholz dem US-Präsidenten im Februar 2024 in den USA zugesichert haben soll, den Tiergartenmörder Krasikov freizulassen. Die Russen waren seinen Aussagen zufolge sehr erpicht darauf, den Gefangenenaustausch noch in diesem Jahr zu realisieren. Ein Grund könnte dafür sein, dass Russland Sorge hat, dass unter der Präsidentschaft von Trump es noch schwieriger werden könnte, mit den USA Kompromisse zu erzielen, so Bojan Pancevski.

Haben Sie Feedback? Schreiben Sie uns! briefe@berliner-zeitung.de