Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat bei einem überraschenden Besuch in Kiew angekündigt, den Beitritt der Ukraine zum westlichen Militärbündnis beim Gipfel in Vilnius im Juli diskutieren zu wollen. „Die Zukunft der Ukraine ist in der euro-atlantischen Familie, die Zukunft der Ukraine ist in der Nato, alle Verbündeten sind sich da einig“, sagte Stoltenberg am Donnerstag. Das Thema werde während des Gipfels im Juli „oben auf der Agenda“ stehen.
Priorität der Militärallianz sei es sicherzustellen, dass die Ukraine sich im Krieg gegen Russland durchsetze, sagte der Nato-Chef während einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem ukrainischen PräsidentenWolodymyr Selenskyj. Dieser forderte seinerseits eine baldige Einladung seines Landes in die Nato. Angesichts der großen Unterstützung unter den Mitgliedsländern für einen ukrainischen Beitritt, sei es „Zeit, die entsprechende Entscheidung zu treffen“.
Selenskyj bat die Nato zudem, Kiew dabei zu helfen, den „Widerwillen“ einiger Mitgliedsstaaten zu überwinden, bestimmte Waffen an die Ukraine zu liefern. Dabei gehe es um Langstreckenwaffen, moderne Flugzeuge, Artillerie und gepanzerte Fahrzeuge, erläuterte Selenskyj.
Öffentlicher Kalender von Stoltenberg zeigte Treffen mit Tschechiens Präsident
Bei seiner ersten Kiew-Reise seit dem russischen Einmarsch vor knapp 14 Monaten ehrte der Generalsekretär am Vormittag die gefallenen ukrainischen Soldaten an der Außenmauer des zentralen St. Michaelsklosters. Im Laufe des Tages traf dann den ukrainischen Präsidenten.
Möglicherweise als Ablenkungsmanöver hatte für diesen Donnerstag auch noch bis zum Dienstagabend ein Treffen mit Tschechiens Präsident Petr Pavel in Brüssel auf dem öffentlichen Terminkalender von Stoltenberg gestanden. Dieses war dann kurzfristig auf Mittwochnachmittag verlegt worden. Direkt im Anschluss dürfte sich Stoltenberg dann auf den Weg in Richtung Ukraine gemacht haben.
Stoltenberg gilt seit Beginn des russischen Angriffskrieges als unermüdlicher Unterstützer der Ukraine und wirbt kontinuierlich für neue Waffenlieferungen an die ukrainischen Streitkräfte.
Stoltenberg will „Kreislauf der russischen Aggression durchbrechen“
Bei einem Gipfeltreffen der östlichen Bündnisstaaten in Warschau hatte Stoltenberg sich jüngst dafür ausgesprochen, Russland ein für alle Mal seine Grenzen aufzuzeigen. „Wir dürfen nicht zulassen, dass Russland weiter die europäische Sicherheit untergräbt“, sagte der Norweger damals. Man müsse den „Kreislauf der russischen Aggression durchbrechen“ und dafür sorgen, „dass sich die Geschichte nicht wiederholt“.
Zuletzt lud Stoltenberg den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj auch zum kommenden Nato-Gipfel in Litauen ein. „Wir freuen uns darauf, Präsident Selenskyj bei unserem Gipfel in Vilnius im Juli zu treffen“, sagte er Anfang April. Der Nato-Gipfel wird am 11. und 12. Juli in Litauens Hauptstadt organisiert. Unklar blieb zunächst, ob der Präsident des von Russland angegriffenen Landes tatsächlich kommen wird.
Kreml: Nato-freie Ukraine bleibt Kriegsziel
Nach dem Eintreffen von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in der Ukraine hat Russland sein Kriegsziel bekräftigt, eine Aufnahme des Nachbarlandes in das Militärbündnis zu verhindern. Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte der Agentur Interfax zufolge am Donnerstag, dass Russland sich durch eine mögliche Nato-Mitgliedschaft der Ukraine bedroht sehe. „Weil das andernfalls eine ernste, bedeutende Gefahr für unser Land, für seine Sicherheit mit sich bringt“, sagte Peskow. Stoltenberg besuchte am Donnerstag erstmals seit Kriegsbeginn Kiew.



