Aserbaidschan

Flugzeugabsturz in Aserbaidschan: Hinweise auf Beschuss durch russische Luftabwehr verdichten sich

Aserbaidschans nationale Fluggesellschaft spricht von „Einwirkungen von außen“. Berichten zufolge zeigen erste Ergebnisse, dass das Flugzeug von einem russischen Luftabwehrsystem getroffen wurde.

Das Wrack einer Embraer 190 der Azerbaijan Airlines liegt in der Nähe des Flughafens von Aktau.
Das Wrack einer Embraer 190 der Azerbaijan Airlines liegt in der Nähe des Flughafens von Aktau.dpa/AP

Das Passagierflugzeug der Azerbaijan Airlines (AZAL), das am Mittwoch in Kasachstan abstürzte, sei durch „physische und technische Einwirkungen von außen“ herbeigeführt worden. Dies teilte die nationale aserbaidschanische Fluggesellschaft am Freitag unter Berufung auf die Ergebnisse einer vorläufigen Untersuchung mit.

Zuvor hatte die Fluggesellschaft angekündigt, dass es aus Sicherheitsgründen Flüge in zehn russische Städte, darunter Sotschi, Wolgograd und Samara, stoppt. Die Aussetzung der Flüge gilt mindestens bis zum Abschluss der Ermittlungen über die Ursachen des Flugzeugabsturzes. Währenddessen verdichten sich mehr und mehr die Hinweise, dass die Passagiermaschine von einer russischen Flugabwehrrakete getroffen wurde.

Bei dem Absturz nahe der kasachischen Stadt Aktau am Kaspischen Meer waren am Mittwoch 38 von 67 Menschen an Bord getötet worden. 29 Menschen überlebten, viele von ihnen schwer verletzt. Die Maschine vom Typ Embraer 190 der Fluggesellschaft Azerbaijan Airlines hätte eigentlich von der Hauptstadt Baku nach Grosny in der russischen Teilrepublik Tschetschenien fliegen sollen.

Flugzeugabsturz in Kasachstan: Russland weist Vorwürfe zurück

Wie Aserbaidschan schließen auch die USA einen Fehlschuss der russischen Flugabwehr als Ursache für den Absturz nicht aus. „Wir haben einige erste Hinweise gesehen, die sicherlich darauf hindeuten, dass dieses Flugzeug von russischen Luftabwehrsystemen abgeschossen wurde“, sagte John Kirby, Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats der USA, laut der Washington Post gegenüber Reportern. Sollten sich erste Anzeichen bestätigen, sei es denkbar, dass schlecht ausgebildete russische Einheiten bei der Abwehr ukrainischer Drohnen das Ziel verwechselt hätten, sagte der Beamte demnach.

Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete am späten Freitagnachmittag unter Berufung auf aserbaidschanische Quellen, die mit der Untersuchung des Absturzes vertraut sind, „dass vorläufige Ergebnisse zeigten, dass das Flugzeug von einem russischen Pantsir-S-Luftabwehrsystem getroffen wurde“. Die Kommunikation sei beim Anflug auf Grosny durch elektronische Kriegsführungssysteme lahmgelegt worden, hieß es weiter. Eine der Quellen sagte Reuters, dass niemand behaupte, das sei absichtlich geschehen. „Unter Berücksichtigung der festgestellten Fakten erwartet Baku jedoch, dass die russische Seite den Abschuss des aserbaidschanischen Flugzeugs gesteht“, so einer der aserbaidschanischen Informanten.

Zeugen berichten von Explosionsgeräuschen

Dass der Absturz der Maschine durch äußere Einwirkung ausgelöst wurde, „wird durch das Aussehen der Flugzeugtrümmer am Boden und Augenzeugenaussagen belegt“, sagte Rashad Nabiyev, Minister für digitale Entwicklung und Transport in Aserbaidschan. Wie das genau ausgelöst wurde, müssten nun weitere Untersuchungen zeigen.

Nabiyev fügte hinzu, Passagiere und Besatzung seien durch „verschiedene Schneidgegenstände“ verletzt worden, die den Rumpf durchbohrt hätten. „Die verletzten russischen Bürger berichteten außerdem, drei Explosionen über Grosny gehört zu haben“, sagte er. „Ihnen zufolge waren von draußen Explosionsgeräusche zu hören, danach sei etwas in das Flugzeug eingeschlagen.“

Russland bringt ukrainische Kampfdrohnen ins Spiel

Russland warnte vor voreiligen Spekulationen. Das in Kasachstan abgestürzte Passagierflugzeug konnte nach Moskauer Angaben aus Sicherheitsgründen nicht an seinem Zielort in Grosny landen. „Die Situation an diesem Tag und während dieser Stunden im Bereich des Flughafens von Grosny war sehr kompliziert“, sagte der Chef der russischen Luftfahrtbehörde Rosawiazija, Dmitri Jadrow, am Freitag. „Ukrainische Kampfdrohnen führten zu diesem Zeitpunkt terroristische Angriffe auf die zivile Infrastruktur in den Gebieten Grosny und Wladikawkas.“

Demnach waren wegen der Gefahr durch die Drohnen keine Starts und Landungen in Grosny, der Hauptstadt der russischen Teilrepublik Tschetschenien, erlaubt. Nach Darstellung Jadrows mussten alle Piloten in dem Zeitraum des Alarms den Luftraum verlassen. Es war das erste Mal, dass eine offizielle russische Stelle einen zeitlichen Zusammenhang zwischen einem Drohnenalarm und dem Absturz herstellte. Auf russischer Seite leitet Rosawiazija die Ermittlungen. (mit dpa)