Einem Berliner Hochschuldozenten wird vorgeworfen, weibliche Studierende jahrelang sexuell belästigt zu haben. In einem offenen Brief hat das Kollektiv „Keine Uni für Täter“ die Anschuldigungen nun erstmals öffentlich gemacht. Der Dozent, seit vielen Jahren an der Humboldt-Universität zu Berlin angestellt, soll laut dem Schreiben seine Machtposition vor allem gegenüber Studentinnen bewusst missbraucht haben – und sei dabei von der Universität zumindest indirekt geschützt worden.
Der Vorwurf der Gruppe: Der in dem Brief namentlich genannte Dozent würde „die Uni für alle Menschen in seinen Vorlesungen und an seinem Lehrstuhl durch verbale und körperliche sexualisierte Gewalt zur Hölle“ machen. Konsequenzen habe es bisher kaum gegeben.
Vorwürfe gegen HU-Dozenten: Sprechstunden nur noch unter Aufsicht
Neben Flirten und anzüglichen Bemerkungen – vor allem in Zweiergesprächen mit Studentinnen– soll sich der „bekanntermaßen sexistische“ Dozent auch immer wieder frauenfeindlich, rassistisch und transfeindlich in seinen Vorlesungen geäußert haben. Darüber hinaus soll der Mann mehrere Studentinnen ohne deren Zustimmung „an verschiedenen Körperstellen berührt“ haben, wie ein Mitglied der Gruppe der Tageszeitung nd sagte.
Der Universitätsleitung sind die Vorwürfe nach Angaben der Pressestelle bekannt. Dass es bereits mehrfach konkrete Beschwerden gegen den Dozenten gegeben haben muss, zeigt auch ein Hinweis, der schon seit einiger Zeit auf der Universitäts-Website zu finden ist.
Weibliche Studierende dürfen demnach nur noch online und nur im Beisein einer Frauenbeauftragten an den Sprechstunden des Dozenten teilnehmen. Diese „Sechs-Augen-Regelung“ gelte auch für Gespräche mit studentischen Mitarbeitern, wie die Humboldt-Universität am Dienstag der Nachrichtenagentur dpa bestätigte. Zugleich betonte die Uni, dass bisher weder eindeutige Fälle körperlicher sexualisierter Gewalt noch polizeiliche Ermittlungen gegen den Beschuldigten bekannt seien. Der Dozent selbst äußerte sich auf Anfrage zunächst nicht zu den Vorwürfen.
Sexuelle Belästigung an der HU: Erste Vorwürfe schon 1997
Nach dem bekannt werden der Anschuldigungen hat sich am Montag auch der „RefRat“ genannte Allgemeine Studierendenausschuss der Humboldt-Universität in einer Stellungnahme geäußert. Darin hieß es, man arbeite bereits seit April an einer Aufarbeitung der Vorwürfe, habe dies zum Schutz der Betroffenen aber zunächst nicht öffentlich machen wollen. Auch habe sich die Situation nach Gesprächen mit der Universitätsverwaltung zunächst „teilweise verbessert“ – etwa durch die Einführung besagter Sprechstunden-Regelung.
„Diese Maßnahme war weder ausreichend noch wurde sie ausnahmslos eingehalten“, räumte der Ausschuss nun allerdings ein. „Wenn sich jemand vermehrt verbal und physisch übergriffig verhält (...), ist davon auszugehen, dass Barrieren wie diese Regel umgangen werden.“
Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“: Das Beratungsangebot des Hilfetelefons „Gewalt gegen Frauen“ ist anonym, kostenfrei, barrierefrei und in 18 Fremdsprachen verfügbar unter 116 016.
Wildwasser e. V.: Unter (030) 28 24 427 können Sie die Beratungsangebote von Wildwasser e. V. erreichen. Sie richten sich an Mädchen und erwachsene Frauen, die als Mädchen oder Jugendliche sexualisierter Gewalt ausgesetzt waren. Zum Verein gehören u.a. Mädchenberatungsstellen in Wedding und Mitte, ein Mädchennotdienst und verschiedene Selbsthilfeangebote. wildwasser-berlin.de
LARA: Unter der Woche zwischen 9-18h bietet das Krisen- und Beratungszentrum LARA eine telefonische Hotline – (030) 216 88 88 für Beratungsgespräche mit Mitarbeiterinnen an. lara-berlin.de
Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen - BIG e.V.: Eine Übersicht der Berliner Beratungsangebote bei sexueller Gewalt gibt es unter big-berlin.info/node/147




