„Meine Stadt, mein Bezirk, mein Viertel, meine Gegend, meine Straße, mein Zuhause, mein Block“: Wer kennt sie nicht, die Zeile aus Sidos erstem Hit. Paul Würdig, wie Sido mit bürgerlichem Namen heißt, brachte den Song vor genau 20 Jahren, im April 2004 heraus. In der ersten Strophe geht es weiter: „Yeah, du in deinem Einfamilienhaus lachst mich aus, weil du denkst, du hast alles, was du brauchst. Doch im MV scheint dir die Sonne ausm Arsch.“
Plattenbau-Siedlungen faszinieren: Soziologen, Bewunderer von funktionaler (Ost-)Ästhethik, Menschen, die dort nicht leben, aber gerne mal von außen auf ein berühmt-berüchtigtes Viertel gucken, Stadtplaner. Letztere nennen die Viertel Groß- oder Großwohnsiedlungen.
Oft liegen sie am Stadtrand, meist bestehen sie überwiegend aus Sozialwohnungen. Nach Definition des Senats handelt es sich außerdem um eigenständige Siedlungseinheiten, die man für die Erledigungen des Alltags nicht verlassen muss. Wir stellen zum „Mein Block“-Jubiläum die sechs größten Plattenbau-Siedlungen von Berlin in einem Kurz-Überblick vor.
Märkisches Viertel (MV): Rund 44.500 Einwohner*

Das Märkische Viertel war die erste große Neubau-Siedlung des ehemaligen West-Berlins und besteht, anders als die Siedlungen im Osten, nicht aus Einheitsplatten. Die Wohnblöcke des Märkischen Viertels, entworfen von 20 Architekten, haben unregelmäßige Grundrisse und sind auch unterschiedlich hoch. Der höchste ragt 19 Stockwerke in die Höhe.
Das Viertel entstand zwischen 1963 und 1974. In der Anfangszeit gab es im MV von allem zu wenig: von Schulen, Kindergärten und Spielplätzen, von Restaurants, Kneipen und Geschäften. Die Verkehrsanbindung war schlecht, das Image war schlecht. Die Infrastruktur hielt nicht mit den vielen neuen Bewohnern Schritt.
Heute ist das Märkische Viertel, das im Osten an Brandenburg, im Norden an Lübars und im Westen an Wittenau grenzt, durch verschiedene Buslinien besser angebunden. Und der neue rot-schwarze Senat plant die Verlängerung der U8 bis ins Märkische Viertel. Der Bezirk Reinickendorf betont die gute kulturelle und soziale Ausstattung. Zwischen 2008 und 2016 ließ die städtische Wohnungsbaugesellschaft Gesobau, der größte Vermieter im MV, seine Häuser für rund 560 Millionen Euro energetisch modernisieren. Im Zuge dessen bekamen die Mietshäuser der Gesobau auch einen neuen Anstrich: in Orange, sattem Gelb und Blau-Grau. Darüber hinaus erneuerte die städtische Wohnungsbaugesellschaft in den vergangenen Jahren die Außenanlagen der Siedlung. Sie bekam neue Grünflächen und Spielplätze, bessere Beleuchtung und Wege.
Marzahn: Rund 117.000 Einwohner*
Wenn es einen Inbegriff der ostdeutschen Plattenbau-Siedlung gibt, dann ist das wohl Marzahn. Marzahn ist die größte Großwohnsiedlung Deutschlands. Gibt man „Marzahn“ in eine Suchmaschine ein, erscheinen dahinter zuerst die Stichwörter „Ghetto“ und „gefährlich.“ Die DDR-Führung stampfte den Stadtteil zwischen den späten 1970er-Jahren und 1989 aus dem Boden, um der Wohnungsnot entgegenzuwirken.

Die Wohnungen waren zunächst überaus beliebt: Dort gab es Zentralheizungen und moderne Badezimmer statt verfallener kalter Altbau-Wohnungen mit Toilette im Treppenhaus wie im Prenzlauer Berg. Marzahn besteht vornehmlich aus fünf-, sechs- oder elfgeschossigen Plattenbauten des DDR-Einheitstyps WBS 70. Zwischendrin stehen aber auch immer wieder Hochhäuser mit bis zu 25 Geschossen.
Marzahn grenzt im Osten an Brandenburg und die Ahrensfelder Berge und im Süden an eine der größten Magistralen des ehemaligen Ost-Berlins, die Allee der Kosmonauten. Im Westen liegen Hohenschönhausen und Lichtenberg.
Hellersdorf: Rund 92.000 Einwohner*
Im Gegensatz zu den Plattenbausiedlungen von Marzahn könnte man Hellersdorf schon fast als beschaulich bezeichnen. Hier stehen hauptsächlich fünf- und sechsgeschossige Plattenbauten, selten auch mal ein Plattenbau mit elf Geschossen. Nach der Wende zogen immer mehr Menschen weg, die Sozialstruktur verschlechterte sich laut einer Analyse des Senats von 2020. 2009 kam die Trendwende. Zwischen 2010 und 2020 stieg die Einwohnerzahl überdurchschnittlich um zehn Prozent.

Das Bevölkerungswachstum hängt auch mit den Flüchtlingen zusammen, die Berlin zu einem Großteil im Osten der Stadt untergebracht hat. Viele der 2015 und danach angekommenen Geflüchteten, auch Ukrainer, leben heute in den sogenannten Modularen Unterkünften für Flüchtlinge (MUFs). Die meisten davon stehen in den vier Flächenbezirken Marzahn-Hellersdorf, Teptow-Köpenick, Pankow und Lichtenberg im Osten der Stadt. Eine große befindet sich etwa an der Louis-Lewin-Straße, einer Haltestelle vor der Endstation der U5 in Hönow. Hönow befindet sich bereits in Brandenburg. Im Westen grenzt Hellersdorf an die Gärten der Welt.
Hohenschönhausen: Rund 87.000 Einwohner*

Hohenschönhausen ist etwa so jung wie das vereinte Berlin. Wie in Marzahn dominieren auch hier Plattenbauten mit fünf, sechs und elf Geschossen. Es gibt aber auch Plattenbauten mit bis zu 22 Stockwerken. Der 5. Oktober 1989, etwa ein Jahr vor der Einheit, markierte das offizielle Ende der Bauarbeiten an Berlins mit etwa 56.000 Einwohnern zweitgrößter Plattenbausiedlung.
Die von Stadtplanern einzeln betrachtete Siedlung Hohenschönhausen-Nord, schreiben die Autoren der Untersuchung zu Großwohnsiedlungen des ehemaligen rot-rot-grünen Senats, sei so etwas wie eine eigene Kleinstadt. Sie stellten für Hohenschönhausen-Nord ein anhaltendes Bevölkerungswachstum, aber auch erheblichen Entwicklungsbedarf hinsichtlich Kita-Plätzen und der Aufenthaltsqualität an zentralen Orten fest. Hohenschönhausen grenzt im Osten an Marzahn, im Norden an Brandenburg und im Westen an Weißensee.
Friedrichsfelde: Rund 51.600 Einwohner*

Friedrichsfelde ist eine riesige Plattenbausiedlung – und doch lange nicht so bekannt wie Marzahn als Inbegriff der Ost-Satellitenstädte oder die berüchtigte Gropiusstadt in West-Berlin. Friedrichsfelde entstand in den 1960er-Jahren und liegt zwischen dem Tierpark im Osten und dem Betriebsbahnhof Rummelsburg im Westen.
In der Siedlung findet sich ein Sammelsurium von Plattenbauten unterschiedlicher Höhe: Es gibt viele elfgeschossige Platten, aber auch zahlreiche mit vier oder sechs Stockwerken. An der Straße Alt-Friedrichsfelde steht ein Landmarken-Plattenbau mit 22 Geschossen und ein Stück weiter einer mit 16 Stockwerken. Friedrichsfelde grenzt im Südwesten an den Betriebsbahnhof Rummelsburg und seine Bahngleise. Im Osten begrenzt der Tierpark die Siedlung.
6. Gropiusstadt: Rund 42.800*

Auch der Gropiusstadt eilte in den Jahren nach ihrer Entstehung 1962 bis 1975 ein schlechter Ruf voraus, weit über die Grenzen West-Berlins hinaus. Ihre wohl berühmteste Bewohnerin, Christiane F., beschrieb die Plattenbau-Siedlung in „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ so: „Gropiusstadt, das sind Hochhäuser für 45.000 Menschen, dazwischen Rasen und Einkaufszentren. Von weitem sah alles sehr gepflegt aus. Doch wenn man zwischen den Hochhäusern war, stank es überall nach Pisse und Kacke.“
Walter Gropius, Vertreter des Bauhauses und Architekt der Siedlung, hatte eigentlich Wohnhäuser mit höchstens fünf Etagen geplant. Mit dem Mauerbau 1961 stand schlagartig weniger Platz zur Verfügung. Die Wohnblocks wuchsen in die Höhe, Grünflächen wurden reduziert. Das höchste Wohnhaus in der Gropiusstadt hat 30 Etagen. Die Gropiusstadt grenzt im Süden an Brandenburg, im Westen an Britz, im Osten an Rudow und im Norden an Buckow.
*Zahlen entsprechen den Planungsraumebenen des Senats und sind nicht immer deckungsgleich mit den Grenzen der Großsiedlungen.
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