Landespolitik

Parteitag: Berliner SPD-Führung soll sich neu aufstellen

Mindestens einer der SPD-Vorsitzenden soll künftig keinen Senats- oder Fraktionsposten innehaben. Was bedeutet das für Franziska Giffey und Raed Saleh?

Franziska Giffey, Landesvorsitzende der SPD Berlin, spricht beim Parteitag.
Franziska Giffey, Landesvorsitzende der SPD Berlin, spricht beim Parteitag.Monika Skolimowska/dpa

Berlins SPD-Landeschefin Franziska Giffey sieht in der vor vier Wochen geschlossenen Koalition mit der CDU eine Chance, das Profil ihrer Partei zu schärfen und damit in Zukunft auch wieder Wahlerfolge einzufahren. „Wir müssen jetzt in dieser Koalition zeigen: Wir sind diejenigen, die für Mieterschutz, für Arbeitnehmerschutz, für Klimaschutz stehen“, sagte Giffey am Freitag auf einem SPD-Landesparteitag. „Die SPD wird der linke, der sozialpolitische Part in diesem Bündnis sein.“

In der alten, rot-grün-roten Koalition sei die SPD „zerrieben“ worden, sagte Giffey. Ihre Erwartung sei, dass es der SPD in dem neuen Bündnis wieder mehr gelinge, ihre Stärke zu zeigen. Wichtig sei daher gute Arbeit für die Berlinerinnen und Berliner in Senat und Parlament.

Bei der Wiederholungswahl am 12. Februar hatte die SPD mit 18,4 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Berliner Abgeordnetenhauswahl eingefahren. Sie lag klar hinter der CDU (28,2 Prozent) und nur 53 Stimmen vor den Grünen auf Platz zwei.

Statt mit Rot-Grün-Rot weiterzumachen, was rechnerisch möglich gewesen wäre, entschied sich die Parteispitze für eine Koalition mit der CDU unter dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU). Das ist in der SPD hochumstritten. Bei einem SPD-Mitgliedervotum hatten lediglich 54,3 Prozent für den Koalitionsvertrag gestimmt.

Giffey: „Die SPD wäre zu einer Klagemauer des Stillstands in Berlin geworden“

Giffey, die für die neue Koalition auf das Amt als Regierende Bürgermeisterin verzichtete und nun Wirtschaftssenatorin ist, verteidigte den Schwenk hin zur CDU. In dem alten Bündnis hätte die SPD aus ihrer Sicht ihre Glaubwürdigkeit als Partei verloren. „Die SPD wäre zu einer Klagemauer des Stillstands in Berlin geworden, die Menschen hätte das noch stärker gegen uns aufgebracht“, sagte die Landesvorsitzende. „Ich bin überzeugt davon, dass wir in drei Jahren die Quittung dafür bekommen hätten.“ 2026 ist die nächste Wahl zum Abgeordnetenhaus.

Die Berliner Jusos warfen den SPD-Landeschefs Giffey und Raed Saleh mangelnde Selbstkritik nach der Wahlschlappe vor und forderten eine „schonungslose Aufarbeitung“. „Raed und Franziska, ihr habt uns als Landesvorsitzende in diese Wahl geführt“, sagte die Juso- Landesvorsitzende Sinem Tasan-Funke beim Parteitag. „Aus unserer Sicht habt ihr bis heute noch nicht genügend Verantwortung dafür übernommen, wie diese Wahl ausgegangen ist.“ Man könne zum Beispiel Posten räumen oder Dinge radikal anders machen und zeigen, dass man dazugelernt habe. Das sei bisher nicht passiert.

„Wir versteifen uns gerade darauf, wie sehr die anderen unseren Untergang wollen, statt selbst zu definieren, warum es uns eigentlich braucht“, sagte Tasan-Funke. „Und das wird uns langfristig nicht zum Erfolg führen. Fehlende Selbstkritik an der Spitze und in unseren Gremien wird uns nirgendwo hinführen. Und die Verantwortungsfrage immer auf andere zu schieben, macht uns unglaubwürdig.“

SPD-Parteitag beschließt neue Regeln für die Parteispitze

Als Konsequenz aus dem schlechten Wahlergebnis und der schlechten Stimmung in der Partei beschloss der Parteitag auf Antrag der Jusos bei nur einer Gegenstimme neue Regeln für die Parteispitze. Demnach sollen im siebenköpfigen geschäftsführenden Landesvorstand Politiker, die Senator, Staatssekretär oder Fraktionschef sind, nicht mehr in der Mehrheit sein. Die Doppelspitze „sollte“ dem Beschluss zufolge „nicht vollständig“ aus Personen bestehen, die gleichzeitig maßgeblich die Regierung tragen. Bisher ist das der Fall, Giffey ist Senatorin und Saleh Fraktionschef.

Der Text des Beschlusses, der den Jusos zufolge der Erneuerung und Fortentwicklung der Partei dienen soll, wurde im Vergleich zum ursprünglichen Antrag inhaltlich entschärft und weniger verbindlich formuliert. Denn zunächst hatten die Jusos gefordert, dass in der engeren Parteiführung gar keine Politiker mit wichtigen Funktionen in Senat und Parlament vertreten sei dürfen. Giffey und Saleh hätten in dem Fall ihre Parteiämter abgeben müssen. Nunmehr könnten beide theoretisch wieder gemeinsam bei der Vorstandswahl im kommenden Jahr antreten, als wahrscheinlich gilt das aber nicht.

Auf dem Parteitag gab es in der stundenlangen Debatte viel Kritik am Kurs der Parteiführung und an der Koalition mit der CDU. Giffey appellierte an ihre Partei, die Spaltung zu überwinden, die sich etwa beim knappen Mitgliedervotum zum Koalitionsvertrag gezeigt hatte: Sie wünsche sich, dass die SPD zusammenstehe und wieder zusammenfinde, sagte Giffey. „Einigkeit macht stark“, zitierte sie das alte SPD-Motto. „Nur dann haben wir eine Chance, Wahlen wieder zu gewinnen.“