Wirtschaft

Szenario sollte Leute „in Schrecken versetzen“: Wirtschaftsweise Grimm wehrt sich gegen Kritik

Die Wirtschaftsweise fordert die Kürzung von Leistungen. Dies sorgt für scharfe Kritik seitens der Grünen und Linken. Doch Grimm wehrt sich dagegen.

Veronika Grimm, Mitglied im Sachverständigenrat der Bundesregierung, fordert Kürzungen bei den Sozialversicherungen.
Veronika Grimm, Mitglied im Sachverständigenrat der Bundesregierung, fordert Kürzungen bei den Sozialversicherungen.Britta Pedersen/dpa

Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm hält angesichts der angespannten finanziellen Lage der Sozialversicherungen auch Leistungskürzungen für nötig. „Wir brauchen in der Renten-, Pflege- und Krankenversicherung mehr Ehrlichkeit darüber, welche Leistungen wir uns wirklich leisten können und welche nicht“, sagte sie der Funke Mediengruppe. „Wenn man den Menschen Versprechungen macht, die man am Ende nicht halten kann, dann sorgen sie nicht privat vor, obwohl viele es könnten.“

Als Beispiel nannte Grimm die sogenannte Haltelinie der Rente. „Auf Dauer wird das nicht finanzierbar sein. In der Pflege sieht es nicht anders aus“, sagte sie. Wer in der Lage sei, Pflegeleistungen selbst zu finanzieren, müsse das auch tun. „Sonst können wir das System nicht auf Dauer finanzieren. Das heißt auch, dass wir mitunter Leistungen werden kürzen müssen.“ Schon jetzt lägen die Lohnnebenkosten bei 42 Prozent. Bis zum Ende der Legislaturperiode könnten sie auf 45 Prozent steigen, sagte Grimm.

Scharfe Kritik an Wirtschaftsweiser Grimm

Kritik an Grimm kam von SPD und Grünen. „Die neoliberale Herangehensweise, die Lösungen nur durch Kürzungen bei der Versorgung der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land zu suchen, ist jedenfalls zu einfach gedacht und findet nicht unsere Zustimmung“, sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Dirk Wiese den Funke-Zeitungen. Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch kritisierte, Frauen würden in Altersarmut gestürzt, wenn die Rente weiter gekürzt werde. „Wir müssen andere Stellschrauben in den Blick nehmen, zum Beispiel in dem wir Menschen ermöglichen, überhaupt zu arbeiten. Wenn Frauen so viel arbeiten könnten, wie sie wollen, hätten wir 850.000 Vollzeitarbeitskräfte mehr.“

Dazu schrieb Grimm auf der Plattform X: „Die Politik macht den Leuten Angst vor Reformen. Angst sollte man viel mehr vor der Situation haben, in der nicht reformiert wird“. Dies führe zwangsläufig dazu, dass die Rente nicht mehr finanzierbar sei und die Leistungsträger den Generationenvertrag aufkündigen. Dieses Szenario „sollte diejenigen, die von der gesetzlichen Rente abhängen, tatsächlich in Schrecken versetzen“. Die Unehrlichkeit der Politik gegenüber den Wählern sei erschreckend.

Dies halte sie für einen Grund, warum extreme Parteien mehr Zulauf bekämen, so Grimm weiter. „Denn viele Wähler verstehen sehr wohl, dass die versprochenen Reformen das Gegenteil von dem sind, was notwendig ist“. Die AfD dürfe keine Lösung sein, doch „der Frust mit den etablierten Parteien ist grenzenlos“.

Das Bundeskabinett hat diese Woche ein Rentengesetz auf den Weg gebracht, das ein stabiles Rentenniveau bis 2031 und bessere Renten für Millionen Mütter auf den Weg gebracht. Obwohl die Verbesserungen mit Steuergeld bezahlt werden sollen, müssen sich auch Arbeitnehmer und Arbeitgeber laut Gesetzentwurf auf etwas höhere Kosten einstellen: Ab 2027 soll der Rentenbeitrag von heute 18,6 auf 18,8 Prozent steigen – etwas mehr als erwartet.