Nahost

Israel legt neuen Vorschlag für Waffenruheabkommen vor – Streit um „humanitäre Stadt“

Viel Kritik gibt es am Plan der israelischen Regierung, eine „humanitäre Stadt“ als Lager für alle Palästinenser zu errichten. Wie viel des Vorschlags ist Verhandlungstaktik?

Ein Lager für geflüchtete Palästinenser in der Nähe der Grenze zu Ägypten.
Ein Lager für geflüchtete Palästinenser in der Nähe der Grenze zu Ägypten.Omar Ashtawy/APA Images via ZUMA

Israel ist laut einem Medienbericht bereit zu einem umfangreicheren Truppenrückzug aus dem Gazastreifen als bisher angeboten. Das Land habe einen entsprechenden neuen Vorschlag für ein Waffenruheabkommen mit der Hamas vorgelegt, berichtete die Times of Israel unter Berufung auf einen arabischen Diplomaten. Dass dieses Zugeständnis einen Durchbruch bei den indirekten Verhandlungen in der katarischen Hauptstadt Doha bringen wird, glaubte er jedoch nicht.

Israels Beharren auf dem Verbleib seiner Armee im Süden des Küstengebiets steht laut Berichten mit umstrittenen Plänen der Regierung im Zusammenhang, dort ein riesiges Lager für Hunderttausende Palästinenser errichten zu wollen. Kritiker sprechen von einem Internierungslager, das langfristig auf eine Zwangsdeportation hinauslaufen könnte. Israel spricht von einer „humanitären Stadt“ als Ausgangsbasis für eine „freiwillige Ausreise“ der Bewohner von Gaza.

Die New York Times zitierte Husam Badran, ein ranghohes Mitglied der islamistischen Hamas, der die Errichtung eines solchen Lagers als „absichtlich behindernde Forderung“ bezeichnete, die die ohnehin schon schwierigen Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg weiter erschweren würde.

Oppositionspolitiker zu Plan für Lager: „Verrückt“

Der israelische Oppositionsführer Jair Lapid bezeichnete den Plan der Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu laut der Times of Israel als „verrückt – selbst nach den Maßstäben dieser Regierung“. Der von Verteidigungsminister Israel Katz kürzlich vorgestellte Plan sieht vor, dass auf den Trümmern der Stadt Rafah eine Zone errichtet wird, in der zunächst 600.000 Menschen aufgenommen werden sollen. Dem israelischen Medium zufolge sollen später dann alle der mehr als zwei Millionen Bewohner Gazas dort unterkommen. Wer einmal eingelassen wird, dürfe die „humanitäre Stadt“ nicht mehr verlassen.

„Wird es einen Zaun geben? Einen normalen Zaun? Einen Elektrozaun? Wie viele Soldaten werden ihn bewachen?“, zitierte die Zeitung Lapid. „Was werden die Soldaten tun, wenn Kinder die Stadt verlassen wollen? Wer wird sie ernähren? Wer wird für Wasser und Strom verantwortlich sein? Was wird passieren, wenn es zu Epidemien und Krankheiten kommt? Wer wird sie behandeln?“. Laut israelischen Medienberichten gibt es auch aus der Armee deutliche Kritik an dem Plan. Demnach gibt es allerdings selbst unter den an der Planung beteiligten Personen Zweifel daran, ob das Lager je errichtet wird.

In Israel wird spekuliert, dass es sich bei dem Plan vielmehr um eine Verhandlungstaktik handeln könnte, um die Hamas zu Zugeständnissen zu bewegen oder die rechtsextremen Koalitionspartner von Regierungschef Netanjahu dazu zu bringen, einer Waffenruhe zuzustimmen. Letzteres sehe auch der rechtsextreme Polizeiminister Itamar Ben-Gvir so, berichtete die New York Times. Ben-Gvir lehnt einen dauerhaften Waffenstillstand in Gaza strikt ab. Netanjahu, gegen den ein Korruptionsprozess läuft, ist für sein politisches Überleben auf die Hardliner in seiner Koalition wie Ben-Gvir angewiesen.

Bei den Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas in Doha waren zuletzt kaum Fortschritte zu verzeichnen. Israel bestand auf dem Verbleib seiner Truppen in einem größeren Gebiet im Gazastreifen, um eine drei Kilometer breite Pufferzone entlang der Grenze zu Ägypten zu bilden. Die Hamas fordert ihrerseits den Rückzug der israelischen Streitkräfte auf den Stand vor dem Zusammenbruch der vorherigen Waffenruhe im März. Dem nun neu vorgelegten Vorschlag zufolge soll die Pufferzone nur zwei Kilometer breit sein. (mit dpa)