Die internationale Presse sieht in der überraschenden Niederlage von Friedrich Merz bei der Kanzlerwahl eine Blamage für den CDU-Vorsitzenden. Die BBC schätzt, dass „der historische Charakter von Merz’ Scheitern es ihm schwer machen wird, darüber hinwegzukommen“. Die Entwicklung untergrabe seine Hoffnung, der Schwäche und Spaltung der im vergangenen Jahr gescheiterten Vorgängerregierung etwas entgegensetzen zu können, heißt es weiter.
Der britische Guardian spricht von einem „peinlichen Rückschlag“ für Merz. Was auch immer Olaf Scholz für den heutigen Abend geplant habe, werde wohl noch etwas warten müssen, schreibt die britische Tageszeitung. Es gelte als so gut wie sicher, dass er am Nachmittag wie vorgesehen den Schlüssel zum Kanzleramt übergebe.
Das Scheitern der Kanzlerwahl zeige, dass er sich „nicht uneingeschränkt auf seine beiden Koalitionspartner verlassen kann“, sagte Holger Schmieding, Chefökonom der Berenberg Bank, der New York Times. „Das wird Zweifel an seiner Fähigkeit nähren, seine Agenda vollständig umzusetzen, und seine Autorität im In- und Ausland zumindest vorerst schwächen“, fügte er hinzu.
Chrupalla: Heute ein guter Tag für Deutschland
Die französische Zeitung Le Figaro spricht von einem „Fehlstart“ für den Sieger der Bundestagswahl, der in Europa mit großen Erwartungen empfangen worden sei. Schon jetzt zeichne sich seine schwache politische Ausgangslage ab: In der Öffentlichkeit sei er wenig beliebt, und selbst innerhalb des eigenen konservativen Lagers werde er kritisiert.
CNN weist darauf hin, dass die jüngste Entwicklung vor dem Hintergrund der Entscheidung des Verfassungsschutzes zur AfD in der vergangenen Woche erfolgt. Das Scheitern der Kanzlerwahl mache die politischen Herausforderungen umso größer: „Wer auch immer zum Bundeskanzler gewählt werde, muss sich mit der Zukunft der rechtsextremen, einwanderungsfeindlichen Partei AfD auseinandersetzen“, so der US-Sender.
„Ein Scheitern von Merz in der zweiten Runde würde Europas führende Wirtschaft in politische Turbulenzen stürzen und könnte den Beginn eines nicht enden wollenden Führungsstreits in Deutschland markieren“, schreibt die griechische Tageszeitung Kathimerini. Möglicherweise könne es sogar zu Neuwahlen kommen, „bei denen die AfD ihren Stimmenanteil weiter verbessern oder – wie die jüngsten Umfragen nahelegten – sogar gewinnen könnte“.


