Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat am Dienstag erstmals vor Gericht in Tel Aviv im Prozess wegen der gegen ihn erhobenen Korruptionsvorwürfe ausgesagt. Es ist das erste Mal, dass ein amtierender Ministerpräsident in Israel vor Gericht steht.
Netanjahu ist wegen Betrugs, Untreue und Bestechlichkeit angeklagt. Ihm wird unter anderem vorgeworfen, als Kommunikationsminister dem Telekom-Riesen Bezeq Vergünstigungen gewährt zu haben. Außerdem soll er von befreundeten Milliardären Luxusgeschenke angenommen haben.
Netanjahu: Verfahren lenkt von wichtigeren Themen ab
Vor dem Tel Aviver Bezirksgericht begann Netanjahu mittags mit seiner Aussage und sagte, er begrüße die Gelegenheit, die „absurden Vorwürfe“ gegen ihn zu widerlegen. Das Verfahren sei ein „provinzielles, nebensächliches Thema“ und lenke von den „viel größeren Problemen Israels und der Region“ ab. Er sagte weiter laut israelischen Medien, dass Israel das Gesicht des Nahen Ostens bereits verändert habe, aber die aktuellen Entwicklungen – wie der Sturz des Assad-Regimes in Syrien – jetzt seine volle Aufmerksamkeit verdienen würden.
Die Sitzung mit drei Richtern findet in einem unterirdischen Saal des Tel Aviver Bezirksgerichts statt, unter Leitung der Vorsitzenden Richterin Rivka Friedman-Feldman. Die Sitzung war aus Sicherheitsgründen aus Jerusalem dorthin verlegt worden.
Insgesamt zwölf Minister seines Kabinetts hatten wegen der israelischen Militäreinsätze im Gazastreifen und der Region eine Verschiebung der Befragung gefordert. Die Justiz lehnte das ab. Mehrere Minister und Ministerinnen saßen mit im Gerichtssaal, um ihre Solidarität mit dem angeklagten Regierungschef zu demonstrieren. Netanjahu begrüßte sie bei seiner Ankunft lächelnd.
Tel Aviv: Demonstranten protestieren vor Gericht gegen Netanjahu
Vor dem Gericht versammelten sich nach israelischen Medienberichten am Dienstag zwei Lager von Demonstranten: zum einen Netanjahu-Unterstützer, die gegen den Prozess demonstrierten, aber zahlreiche Menschen protestierten auch gegen den Premierminister und dessen Politik. „Gegen Korruption gibt es keine Immunität“, stand auf einem der Schilder, die sie in die Höhe hielten.
Am Montagabend hatte Netanjahu den Prozess gegen ihn bei einer Pressekonferenz als systematische Verfolgung seiner Person kritisiert. Den Medien warf er vor, Lügen zu verbreiten. Zugleich kündigte der 75-Jährige an, er werde sich gegen die Vorwürfe zur Wehr setzen. „Ich werde reden. Ich habe acht Jahre auf den Tag gewartet, die Wahrheit präsentieren zu können.“
Der israelische Regierungschef soll nun rund zwei Monate lang dreimal in der Woche aussagen. Der Prozess gegen ihn könnte noch Jahre dauern. (mit dpa)

