Die algerische Boxerin Imane Khelif hat ungeachtet der aufgeheizten Geschlechter-Debatte im Frauen-Boxen bei den Olympischen Spielen das Halbfinale erreicht und damit eine Medaille bereits sicher. Die 25-Jährige setzte sich im Viertelfinale des Weltergewichts gegen die Ungarin Anna Luca Hamori (23) trotz einer Verwarnung einstimmig nach Punkten durch.
Anders als bei ihrem Auftaktsieg nach nur 46 Sekunden durch technischen K.o. gegen die Italienerin Angela Carini gab es diesmal nach der Urteilsverkündung einen Handschlag mit der Gegnerin. Khelif wurde zudem von zahlreichen algerischen Fans in der Box-Halle im Norden von Paris lautstark angefeuert und bejubelt. Sie schlug nach Ende des Kampfes vor Freude mit voller Wucht auf den Ringboden, salutierte und verließ unter Tränen mit langsamen Schritten den Ort ihres Triumphs.
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Imane Khelif: „Das ist eine Ehre für jede Frau“
„Das ist eine Sache der Würde und der Ehre für jede Frau“, sagte sie kurz nach ihrem Olympia-Halbfinaleinzug bei BeIn Sports. „Alle arabischen Menschen kennen mich seit Jahren. Seit Jahren boxe ich in internationalen Wettkämpfen.“ Der Weltverband IBA sei „unfair“ mit ihr umgegangen, betonte sie. „Aber ich habe Gott“.
Zweifel an dem Geschlecht seines Kindes hat auch der Vater von Imane Khelif nicht. „Imane ist ein Beispiel algerischer Weiblichkeit“, sagte Omar Khelif der Nachrichtenagentur AFP. „So Gott will, wird sie uns mit einer Goldmedaille ehren und die Nationalflagge in Paris hochhalten.“
Imane Khelif wins again!!!! LET'S GO!!! pic.twitter.com/oiCaOzgzYL
— Alejandra Caraballo (@Esqueer_) August 3, 2024
„Sie haben Algerien, die algerische Frau und das algerische Boxen würdig vertreten“, schrieb Staatspräsident Abdelmadjid Tebboune bei X: „Wir werden an Ihrer Seite sein, unabhängig von Ergebnissen.“
Die Ungarin Anna Luca Hamori hatte sich vor dem Kampf, der von zahlreichen internationalen Medienvertretern begleitet wurde, provokant zur hochemotional geführten Diskussion geäußert: „Wenn sie oder er ein Mann ist, wäre es für mich ein noch größerer Sieg, wenn ich gewinne.“
Am Dienstagabend kämpft Khelif um 22.30 Uhr in Roland Garros nun gegen Janjaem Suwannapheng (Thailand) um den Einzug ins Finale. Edelmetall ist ihr nicht mehr zu nehmen, denn auch die Verliererinnen der Halbfinals erhalten Bronze.
IOC-Präsident Thomas Bach verteidigt Startrecht
Um Khelif und Lin Yu-Ting aus Taiwan gibt es eine heftige Kontroverse um das Startrecht in Paris. Beide Boxerinnen waren bei der WM im Vorjahr nach Tests, zu denen der vom Internationalen Olympischen Komitee nicht mehr anerkannte Weltverband IBA keine näheren Angaben macht, ausgeschlossen worden. Beide hätten laut IBA die erforderlichen Teilnahmekriterien nicht erfüllt und „im Vergleich zu anderen weiblichen Teilnehmern Wettbewerbsvorteile“ gehabt.
Das IOC nannte es eine „willkürliche Entscheidung ohne ordnungsgemäßes Verfahren“ und lässt Lin und Khelif in Paris starten. Lin (28) boxt in ihrem Viertelfinale am Sonntag (11 Uhr) in der Gewichtsklasse bis 57 kg gegen die Bulgarin Svetlana Staneva um eine Medaille. „Es gab nie Zweifel, dass sie Frauen sind“, bekräftigte IOC-Präsident Thomas Bach nochmal am Samstag. Mit Blick auf die heftige Kritik vor allem aus dem rechtskonservativen Lager betonte Bach, das IOC werde sich „nicht an einem politisch motivierten Kulturkampf beteiligen“.
Hass und Solidarität
Beide Athletinnen wurden in sozialen Netzwerken angefeindet. „Das entsetzliche Ausmaß an Online-Missbrauch“ gegen die Boxerinnen sei „ein weiteres tief verstörendes Beispiel des toxischen, sexistischen und rassistischen Diskurses, der Frauen Schaden im Sport und in der Gesellschaft zugefügt hat“, sagte Stephen Cockburn von Amnesty International in der Mitteilung der Sports & Rights Alliance. „Diese Frauen haben nichts falsch gemacht und werden trotzdem mit Hass gejagt.“ Auch Vertreter weiterer Organisationen wie Human Rights Watch und ILGA World unterstützten die beiden Athletinnen.


