Gericht

„From the River to the Sea“ gerufen: Berliner Demonstrantin wegen Volksverhetzung verurteilt

Eine 22-Jährige soll bei einem Pro-Palästina-Protest an der Sonnenallee die umstrittene Parole genutzt haben. Das Gericht spricht sie wegen Volksverhetzung schuldig.

Die Angeklagte vor dem Berliner Gericht. Ihr wird Volksverhetzung vorgeworfen.
Die Angeklagte vor dem Berliner Gericht. Ihr wird Volksverhetzung vorgeworfen.Ignacio Rosaslanda/BLZ

Eine propalästinensische Demonstrantin ist am Dienstag vor dem Amtsgericht Tiergarten wegen Volksverhetzung verurteilt worden. Es war der erste Prozess in Berlin, der sich um den Ausruf der umstrittenen pro-palästinensischen Parole „From the River to the Sea“ drehte. Einer deutsch-iranischen Demonstrantin wurde vorgeworfen, am 10. Oktober bei einer Palästina-Demo in der Nähe der Sonnenallee in Neukölln den Spruch „From the River to the Sea, Palestine will be free“ („Vom Fluss bis zum Meer, Palästina wird frei sein“) genutzt zu haben. Nach Informationen der Berliner Zeitung muss die 22-Jährige nun 600 Euro Strafe zahlen.

In ihrem Statement zum Prozessauftakt sagte die Angeklagte, dass sie zu den Worten weiterhin steht, diese aber eher als Positionierung für den Frieden in der Region und nicht als Unterstützung für die Hamas sieht. Weiter erklärte sie, sie sei mit ihren Eltern aufgrund politischer Verfolgung aus dem Iran geflohen, was ihre politische Haltung beeinflusst habe. 

Protest gegen Verfahren vor Amtsgericht Tiergarten

Einem Reporter der Berliner Zeitung zufolge versammelten sich am Dienstagvormittag etwa 150 Unterstützer der angeklagten 22-Jährigen vor dem zuständigen Amtsgericht Tiergarten. Die Demonstration verlief nach Angaben des Reporters friedlich und wurde von drei Mannschaftswagen der Polizei begleitet. Die Protestierenden bezeichneten den Prozess als absurd und kritisierten die verschärften Sicherheitsdurchsuchungen am Einlass des Amtsgerichts als Repressionen.

Viele der Protestierenden trugen Kufiya, einen traditionellen palästinensischen Schal, der als Symbol der Pro-Palästina-Bewegung bekannt ist, während Palästina-Flaggen nicht zu sehen waren. Sie sangen Lieder wie „Du bist nicht allein“ und Parolen wie „Free Free Palestine“, um der Angeklagten Mut zuzusprechen. Einige vorbeifahrende Autos hupten unterstützend. 

Die wartenden Protestierenden zeigten sich überrascht, nachdem sich das Urteil herumgesprochen hatte. Viele waren nach Angaben des Reporters enttäuscht, einige entsetzt. Als die Angeklagte das Amtsgericht dann durch den Haupteingang verließ, wurde sie dennoch mit Jubel begrüßt.

Einer der Anwälte der Angeklagten erklärte in einer Kundgebung nach dem Prozess seine Enttäuschung und wies auf vorherige Urteile in Deutschland hin, wonach die Nutzung der Parole alleine nicht als strafbar gewertet wurde – so etwa in Mannheim. Das dortige Landgericht stellte in einem Beschluss im Juni grundsätzlich infrage, ob der Slogan, der sich auf das Gebiet zwischen dem Fluss Jordan und dem Mittelmeer bezieht, als Kennzeichen der Hamas gelten kann. In deren Charta von 2017 finde sich nur die Formulierung „Die Hamas lehnt jede Alternative zur vollständigen und uneingeschränkten Befreiung Palästinas vom Fluss bis zum Meer ab“, so das Gericht.

Demonstranten vor dem Amtsgericht Tiergarten
Demonstranten vor dem Amtsgericht TiergartenIgnacio Rosaslanda/BLZ
Guten Morgen, Berlin Newsletter
Vielen Dank für Ihre Anmeldung.
Sie erhalten eine Bestätigung per E-Mail.

„From the River to the Sea“: Anfangsverdacht der Volksverhetzung

Eine Gerichtssprecherin bestätigte gegenüber dem Guardian, dass es vor Berliner Gerichten zwar etwa fünf Fälle von „Ausschreitungen“ und „Aufwiegelung“ bei pro-palästinensischen Protesten gegeben habe, dies aber wahrscheinlich der erste Fall gewesen sei, in dem es speziell um die Verwendung des politisch aufgeladenen Spruches gehe.

Geografisch umfasst das in dem umstrittenen Slogan umrissene Gebiet den Staat Israel, das Westjordanland, in dem Palästinenser und jüdische Siedler leben sowie den Gazastreifen. Der Spruch wird seit den 1960er Jahren von einer Reihe von Aktivisten mit unterschiedlichen Zielen verwendet, auch von radikalen Organisationen, die das Existenzrecht Israels bestreiten. Doch der Spruch wird weltweit unterschiedlich interpretiert.

Die Berliner Staatsanwaltschaft sieht bei der Parole einen Anfangsverdacht auf Volksverhetzung, weil das Existenzrecht Israels dadurch betroffen sei, sagte eine Sprecherin im vergangenen Jahr. Im Paragrafen 130 heißt es, bestraft werde, wer gegen „nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppen“ zum Hass aufstachele oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordere. Verboten sind laut Gesetz schon lange Parolen wie etwa „Tod den Juden“.