Frankreich kommt auch in der fünften Nacht nach dem Tod eines Jugendlichen durch eine Polizeikugel nicht zur Ruhe. Am Sonntag teilten die französischen Behörden mit, dass Demonstranten ein Attentat auf das Haus eines Politikers verübt haben.
Randalierer hätten das Haus in der Nacht zum Sonntag mit dem Auto gerammt und es anschließend in Brand gesetzt, erklärte Vincent Jeanbrun, Bürgermeister von L'Haÿ-les-Roses bei Paris, im Onlinedienst Twitter. Seine Frau und eines seiner beiden Kinder seien „verletzt worden“. Er sei während des Vorfalls im Rathaus des Stadt gewesen, die südlich von Paris liegt.
Cette nuit, un cap a été franchi dans l'horreur et l'ignominie. Mon domicile a été attaqué et ma famille victime d'une tentative d’assassinat.
— Vincent Jeanbrun (@VincentJeanbrun) July 2, 2023
Ma détermination à protéger et servir la République est plus grande que jamais. Je ne reculerai pas. #PasPourRien #Emeutes ⤵️ pic.twitter.com/9HW1eAFCXN
Lage in der vergangenen Nacht offenbar weniger angespannt
Während in einigen Städten die Lage weniger angespannt schien als in den Nächten zuvor, kam es vor allem in Paris, Marseille und Lyon erneut zu Krawallen. Mindestens 427 Menschen seien landesweit festgenommen worden, schrieb Innenminister Gérald Darmanin am frühen Sonntagmorgen auf Twitter. Die weltberühmte Pariser Einkaufsmeile Champs Élysées wurde von einem großen Polizeiaufgebot unter Einsatz von Tränengas geräumt, wie „Le Figaro“ berichtete. Auch in Lyon und Nizza kam es erneut zu Plünderungen.
🔴 Évacuation partielle des #ChampsElysées par une important déploiement policier.
— Clément Lanot (@ClementLanot) July 1, 2023
Panique et incompréhension pour les familles et les touristes venu visiter #Paris. pic.twitter.com/8IFcJ4jQ1v
Darmanin schrieb weiter, trotz alledem sei die Nacht „dank des entschlossenen Vorgehens der Ordnungskräfte“ eine ruhigere gewesen. Premierministerin Élisabeth Borne lobte die Einsatzkräfte: Angesichts der Gewalttätigkeiten zeigten sie beispielhaften Mut, schrieb sie auf Twitter. 45 000 Polizisten und Tausende Feuerwehrleute seien im Einsatz gewesen, um die Ordnung zu schützen.
In Marseille sei die Lage angespannt, aber unter Kontrolle, teilte die Stadtverwaltung am Abend mit. Den ganzen Abend über hätten sich Gruppen gebildet, um Schaden anzurichten, teilte die Präfektur Bouches-du-Rhône laut „Le Parisien“ mit. Die Polizei habe versucht, die Menschen mit Tränengas auseinanderzutreiben.
Besonders in Marseille, Lyon und Grenoble wurde die Polizeipräsenz massiv verstärkt. Nachdem in Marseille zuvor eine Waffenkammer geplündert worden war, war die Polizei dort nun mit gepanzerten Fahrzeugen, Hubschraubern und Spezialtruppen im Einsatz.
Bildstrecke
Erschossener Jugendliche in Nanterre beigesetzt
Auslöser für die Unruhen war der Tod eines Jugendlichen durch einen Polizisten vor einigen Tagen. Der 17-Jährige war am Dienstag in Nanterre am Steuer eines Autos von einer Motorradstreife gestoppt worden. Als der junge Mann plötzlich anfuhr, fiel ein tödlicher Schuss aus der Dienstwaffe eines Polizisten. Die Beamten hatten zunächst angegeben, der Jugendliche habe sie überfahren wollen. Erst als sich von Medien verifizierte Videobilder des Vorfalls in den sozialen Netzwerken verbreiteten, rückten sie von dieser Darstellung und der angeblichen Tötungsabsicht des Jugendlichen ab. Der Polizist, der für seinen Tod verantwortlich gemacht wird, kam in Untersuchungshaft. Gegen ihn wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Totschlags eingeleitet.
Der Jugendliche wurde am Samstagnachmittag in seinem Heimatort Nanterre nahe Paris beigesetzt. Beobachter hatten zuvor befürchtet, dass die Beerdigung erneut Öl ins Feuer gießen könnte. Doch in Nanterre blieb es „Le Parisien“ zufolge bis Mitternacht ruhig.
Macrons Staatsbesuch in Deutschland verschoben
Präsident Emmanuel Macron verschob wegen der Krawalle einen ab Sonntag geplanten Staatsbesuch in Deutschland. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zeigte dafür „vollstes Verständnis“, wie es in Berlin hieß. Der Staatsbesuch sollte bis Dienstag dauern und war von langer Hand vorbereitet worden.
Auch mehrere Konzerte, Modeschauen und andere Kulturveranstaltungen wurden in Frankreich abgesagt. Busse und Straßenbahnen fahren derzeit nur tagsüber, der Verkauf und das Mitführen von Feuerwerkskörpern und brennbaren Stoffen wurden verboten. Den nationale Notstand rief die Regierung allerdings bislang nicht aus, auch Ausgangssperren wurden nur vereinzelt in kleineren Orten verhängt.



















