Fünfte Nacht

Frankreich: Randalierer rammen Haus von Politiker mit Auto und zünden es an

Die Unruhen in Frankreich nach dem Tod eines 17-Jährigen durch eine Polizeikugel haben sich die fünfte Nacht in Folge fortgesetzt - die Gewalt nahm dabei aber offenbar ab.

Ein städtischer Polizeibeamter steht vor dem beschädigten Haus des Bürgermeisters Vincent Jeanbrun.
Ein städtischer Polizeibeamter steht vor dem beschädigten Haus des Bürgermeisters Vincent Jeanbrun.Nassim Gomri/AFP

Frankreich kommt auch in der fünften Nacht nach dem Tod eines Jugendlichen durch eine Polizeikugel nicht zur Ruhe. Am Sonntag teilten die französischen Behörden mit, dass Demonstranten ein Attentat auf das Haus eines Politikers verübt haben. 

Randalierer hätten das Haus in der Nacht zum Sonntag mit dem Auto gerammt und es anschließend in Brand gesetzt, erklärte Vincent Jeanbrun, Bürgermeister von L'Haÿ-les-Roses bei Paris, im Onlinedienst Twitter. Seine Frau und eines seiner beiden Kinder seien „verletzt worden“. Er sei während des Vorfalls im Rathaus des Stadt gewesen, die südlich von Paris liegt.

Lage in der vergangenen Nacht offenbar weniger angespannt

Während in einigen Städten die Lage weniger angespannt schien als in den Nächten zuvor, kam es vor allem in Paris, Marseille und Lyon erneut zu Krawallen. Mindestens 427 Menschen seien landesweit festgenommen worden, schrieb Innenminister Gérald Darmanin am frühen Sonntagmorgen auf Twitter. Die weltberühmte Pariser Einkaufsmeile Champs Élysées wurde von einem großen Polizeiaufgebot unter Einsatz von Tränengas geräumt, wie „Le Figaro“ berichtete. Auch in Lyon und Nizza kam es erneut zu Plünderungen. 

Darmanin schrieb weiter, trotz alledem sei die Nacht „dank des entschlossenen Vorgehens der Ordnungskräfte“ eine ruhigere gewesen. Premierministerin Élisabeth Borne lobte die Einsatzkräfte: Angesichts der Gewalttätigkeiten zeigten sie beispielhaften Mut, schrieb sie auf Twitter. 45 000 Polizisten und Tausende Feuerwehrleute seien im Einsatz gewesen, um die Ordnung zu schützen.

In Marseille sei die Lage angespannt, aber unter Kontrolle, teilte die Stadtverwaltung am Abend mit. Den ganzen Abend über hätten sich Gruppen gebildet, um Schaden anzurichten, teilte die Präfektur Bouches-du-Rhône laut „Le Parisien“ mit. Die Polizei habe versucht, die Menschen mit Tränengas auseinanderzutreiben.

Besonders in Marseille, Lyon und Grenoble wurde die Polizeipräsenz massiv verstärkt. Nachdem in Marseille zuvor eine Waffenkammer geplündert worden war, war die Polizei dort nun mit gepanzerten Fahrzeugen, Hubschraubern und Spezialtruppen im Einsatz.


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Erschossener Jugendliche in Nanterre beigesetzt

Auslöser für die Unruhen war der Tod eines Jugendlichen durch einen Polizisten vor einigen Tagen. Der 17-Jährige war am Dienstag in Nanterre am Steuer eines Autos von einer Motorradstreife gestoppt worden. Als der junge Mann plötzlich anfuhr, fiel ein tödlicher Schuss aus der Dienstwaffe eines Polizisten. Die Beamten hatten zunächst angegeben, der Jugendliche habe sie überfahren wollen. Erst als sich von Medien verifizierte Videobilder des Vorfalls in den sozialen Netzwerken verbreiteten, rückten sie von dieser Darstellung und der angeblichen Tötungsabsicht des Jugendlichen ab. Der Polizist, der für seinen Tod verantwortlich gemacht wird, kam in Untersuchungshaft. Gegen ihn wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Totschlags eingeleitet.

Der Jugendliche wurde am Samstagnachmittag in seinem Heimatort Nanterre nahe Paris beigesetzt. Beobachter hatten zuvor befürchtet, dass die Beerdigung erneut Öl ins Feuer gießen könnte. Doch in Nanterre blieb es „Le Parisien“ zufolge bis Mitternacht ruhig.

Macrons Staatsbesuch in Deutschland verschoben

Präsident Emmanuel Macron verschob wegen der Krawalle einen ab Sonntag geplanten Staatsbesuch in Deutschland. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zeigte dafür „vollstes Verständnis“, wie es in Berlin hieß. Der Staatsbesuch sollte bis Dienstag dauern und war von langer Hand vorbereitet worden.

Auch mehrere Konzerte, Modeschauen und andere Kulturveranstaltungen wurden in Frankreich abgesagt. Busse und Straßenbahnen fahren derzeit nur tagsüber, der Verkauf und das Mitführen von Feuerwerkskörpern und brennbaren Stoffen wurden verboten. Den nationale Notstand rief die Regierung allerdings bislang nicht aus, auch Ausgangssperren wurden nur vereinzelt in kleineren Orten verhängt.

Das Auswärtige Amt hatte am Samstag seine Reise- und Sicherheitshinweise angesichts der Ausschreitungen aktualisiert. Reisende wurden aufgefordert, sich über die jeweilige Lage zu informieren und weiträumig Orte gewalttätiger Ausschreitungen zu meiden. Zudem sollten je nach Reiseziel deutliche Einschränkungen bei der Programmgestaltung einkalkuliert werden, vor allem in den Abend- und Nachtstunden. Das Auswärtige Amt wies darauf hin, in einigen Stadtvierteln und Vororten von Paris sowie auch in anderen größeren Städten Frankreichs sei es heftigen gewalttätigen Ausschreitungen gekommen. Einige Städte hätten nächtliche Ausgangssperren zwischen 21 beziehungsweise 23 und 6 Uhr verhängt. Diese gelte oft nur für Minderjährige unter 16 Jahren.