Die amerikanische Gesundheitspolitik erlebt derzeit eine Kehrtwende: Unter dem Einfluss von Gesundheitsminister Robert F. Kennedy jr. kippen immer mehr Bundesstaaten die jahrzehntelange Praxis der Trinkwasserfluoridierung. Florida und Utah haben Fluorid bereits vollständig aus dem öffentlichen Wasserversorgungssystem verbannt – weitere republikanisch geführte Bundesstaaten wie Oklahoma prüfen ähnliche Schritte. Damit könnte der Anteil fluoridierten Trinkwassers in den USA, der bislang bei rund 75 Prozent lag, deutlich zurückgehen.
Kennedy, der schon lange zu den prominenten Kritikern von Fluorid zählt, bezeichnete das Verbot in Utah als „bahnbrechenden Schritt“ und forderte andere Staaten auf, diesem Beispiel zu folgen. Wissenschaftlich bezieht er sich auf Studien vor allem aus China, die auf einen möglichen Zusammenhang zwischen hohem Fluoridgehalt im Grundwasser und neurokognitiven Entwicklungsstörungen bei Kindern hinweisen. Fachleute warnen allerdings, dass diese Studien methodische Schwächen aufweisen und nicht auf die deutlich niedrigeren Fluoridmengen in den USA übertragbar seien.
Zahnärzte warnen: Fluorid-Politik gefährdet Zahngesundheit armer Kinder
Die Zahnärzteschaft der USA schlägt Alarm. Die American Dental Association (ADA) und andere Fachverbände befürchten laut einem Bericht von Politico, dass ein weitreichender Verzicht auf Fluorid im Trinkwasser zu einem deutlichen Anstieg von Karies, insbesondere bei sozial benachteiligten Gruppen, führen könnte. „Ohne fluoridiertes Wasser sind viele Menschen bereits im Nachteil – besonders Kinder aus einkommensschwachen Familien“, warnt ADA-Präsident Brett Kessler gegenüber dem amerikanischen Nachrichtenportal. Der Rückzug von der Trinkwasserfluoridierung sei „ein Rückschritt für die öffentliche Gesundheit“.
Tatsächlich gilt die Fluoridierung von Trinkwasser in den USA als eine der bedeutendsten Maßnahmen zur Krankheitsprävention im 20. Jahrhundert, behaupten amerikanische Gesundheitsbeamte. Die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) führen sie in ihrer Liste der zehn größten Public-Health-Erfolge. Demnach kann Fluorid Karies bei Kindern um bis zu 70 Prozent und Zahnverlust bei Erwachsenen um bis zu 60 Prozent senken.
Fluorid aus der Tube? Zahnärzte sehen vulnerable Gruppen im Nachteil
Kennedy hält dagegen, dass die positiven Effekte längst auch mit Zahnpasta oder Mundspülungen erzielt werden könnten – eine Argumentation, die Zahnärzte jedoch nur eingeschränkt teilen. Denn gerade für vulnerable Bevölkerungsgruppen sei der Zugang zu fluoridierten Produkten nicht selbstverständlich.
Zwar hat Kennedy die bestehende CDC-Empfehlung zur Fluoridierung bislang nicht offiziell aufgehoben, jedoch eine Neubewertung durch eine unabhängige Expertenkommission in Auftrag gegeben. Parallel plant die Arzneimittelbehörde FDA ein mögliches Verbot von fluoridhaltigen Tabletten und Tropfen für Kinder – ein deutliches Signal, dass Kennedys Haltung bereits Einfluss auf weitere Behörden hat.
Die Auswirkungen dieser politischen Neuausrichtung auf die Zahngesundheit der Bevölkerung werden sich erst in den kommenden Jahren zeigen. Während die einen eine Karieswelle befürchten, setzen andere auf eine „natürlichere“ Wasserqualität ohne chemische Zusätze. Klar ist: Die Fluorid-Debatte spaltet das Land – entlang wissenschaftlicher, ideologischer und zunehmend auch parteipolitischer Linien.


