Nahostkonflikt

Hilferuf an die Welt: Israelische Familien der Hamas-Geiseln segeln zur Küste Gazas

Israelische Geiselfamilien segeln mit Botschaften der Verzweiflung an die Küste des Gazastreifens. Sie fordern internationale Hilfe für die Rettung der noch lebenden Geiseln.

Angehörige von israelischen Geiseln, die von der Terrororganisation Hamas festgehalten werden, segeln entlang der Küste in Richtung Gazastreifen.
Angehörige von israelischen Geiseln, die von der Terrororganisation Hamas festgehalten werden, segeln entlang der Küste in Richtung Gazastreifen.Leo Correa/AP/dpa

Angehörige israelischer Geiseln sind am Donnerstag mit Booten von der Küstenstadt Aschkelon aus in Richtung Gazastreifen aufgebrochen. Ihr Ziel: die internationale Gemeinschaft zum Handeln bewegen und „so nah wie möglich“ an ihre entführten Angehörigen herankommen. Über 20 Personen setzten von Aschkelon aus per Boot zur Grenze über. Sie trugen gelbe Flaggen und Plakate mit Porträts der Geiseln, und riefen deren Namen.

„Mayday, Mayday, Mayday“, rief Jehuda Cohen, dessen Sohn Nimrod – Inhaber der israelischen und deutschen Staatsbürgerschaft – noch immer als Geisel festgehalten wird. „Wir brauchen internationale Hilfe, um die 50 Geiseln zu retten, die seit fast zwei Jahren von der Hamas festgehalten werden“, so Cohen gegenüber der Nachrichtenagentur AFP.

Zum Zeitpunkt des Angriffs am 7. Oktober 2023 wurden insgesamt 251 Menschen verschleppt. Nach aktuellen Angaben der israelischen Armee befinden sich noch 49 in Gewahrsam, während von mindestens 27 bereits der Tod bestätigt wurde.

Spannungen mit israelischer Kriegsstrategie und internationale Resonanz

Der Protest erfolgt angesichts wachsender Kritik an Premierminister Benjamin Netanyahus Plan, den Gazastreifen vollständig zu besetzen. Familie Viki Cohen warnte, eine solche Operation könnte ein „Todesurteil“ für die verbliebenen Geiseln sein.

Aktuell kontrolliert das israelische Militär etwa 75 Prozent des Gazastreifens. Der Vorstoß Netanjahus sieht vor, auch die restlichen Gebiete einzunehmen – selbst in Arealen, in denen Geiseln vermutet werden. Generalstabschef Eyal Zamir soll diesen Plan strikt ablehnen. „Wenn der Generalstabschef nicht einverstanden ist, soll er zurücktreten“, zitiert Ynet einen Regierungsvertreter. Zamir sagte einen geplanten USA-Besuch ab, um angesichts der angespannten Lage in Israel zu bleiben.

Die israelische Armee warnt, dass eine vollständige Besetzung Jahre dauern und das Leben von Geiseln gefährden könnte. Auch innerhalb des Sicherheitskabinetts gibt es Widerstand: Während Minister wie Bezalel Smotrich und Itamar Ben Gvir die Offensive unterstützen, drängen andere – darunter Mossad-Chef David Barnea und Nationaler Sicherheitsberater Tzachi Hanegbi – auf einen Waffenstillstand und Verhandlungen zur Freilassung aller Geiseln.

Videos abgemagerter Geiseln hatten zuletzt immer wieder großes Entsetzen ausgelöst und den Druck auf Netanyahu zur Aushandlung eines Waffenstillstands erhöht.

Israels Sicherheitskabinett berät über weiteres Vorgehen im Gazastreifen

Am späten Nachmittag soll das israelische Sicherheitskabinett zusammenkommen, um über das weitere Vorgehen im Gazastreifen zu beraten. Laut Times of Israel will Rgierungschef Benjamin Netanjahu eine Ausweitung der Militäroperationen beantragen – auch in dicht besiedelten Gebieten wie der Stadt Gaza, wo noch Geiseln vermutet werden. Ziel sei es demnach, die Hamas entscheidend zu schwächen und zur Freilassung der verbliebenen 49 Geiseln zu bewegen.

Medien berichten über interne Differenzen: Generalstabschef Ejal Samir soll vor Risiken für die Geiseln gewarnt haben. Die Armee hatte am Vortag neue Evakuierungsaufrufe für Gaza-Stadt und Chan Junis veröffentlicht und erklärte, Bodentruppen seien bereit zur Ausweitung der Gefechte. (mit AFP)