Auf einem russischen Militärflugplatz auf der von Russland besetzten Halbinsel Krim hat es heftige Explosionen gegeben. In einem Depot auf dem Gelände des Militärflugplatzes Saki nahe Nowofedoriwka sei verschiedene Munition explodiert, zitierten russische Nachrichtenagenturen die russische Armee am Dienstag. In sozialen Netzwerken kursierende Videos zeigten am Dienstag Explosionen und große Rauchwolken, die bei dem Ort unweit des Badeortes Feodossija aufgenommen worden sein sollen. Ein Mensch sei getötet worden, teilte Sergej Aksjonow, Leiter der russischen Besatzungsverwaltung der Krim, nach Angaben russischer Agenturen mit. Sieben weitere Menschen, darunter zwei Kinder, wurden nach örtlichen Angaben verletzt.
Video of the explosions at Saki Airbase in Crimea. https://t.co/zLUtyx4PI7 pic.twitter.com/wvBAboSPmC
— Rob Lee (@RALee85) August 9, 2022
Touristen verließen das Gebiet fluchtartig. Auf Bildern von Nutzern sozialer Medien aus der Region sind lange Schlangen auf den Straßen zu sehen, die vom Ort der Explosion wegführen. Krim-Chef Sergej Aksjonow teilte mit, dass ein Bereich im Radius von fünf Kilometern rund um den Stützpunkt abgesperrt werde. Auf dem Militärflughafen haben die russischen Streitkräfte Dutzende Flugzeuge stationiert. Satellitenbilder aus den vergangenen Tagen zeigen eine erhebliche Ansammlung von Militärtechnik auf dem Gelände. Wie viel davon durch die Explosionen zerstört wurde, ist bisher noch unklar.
Russland streitet derweil einen ukrainischen Angriff ab. Laut der russischen Nachrichtenagentur teilten die Behörden mit, dass es keine Einschläge gegeben habe. Margaryta Simonja, Leiterin des russischen Propagandakanals RT, teilte mit, dass die Explosionen durch Sabotage oder „die Dummheit von jemandem“ versursacht worden sein könnten. Auch andere russische Beobachter gingen von einem Sabotageakt aus, da die ukrainischen Truppen über 200 Kilometer entfernt stehen.
State of Emergency declared in Crimea as people are stuck in traffic trying to get out. Russians had 8 years to leave after their illegal occupation. Russia has scrambled jets to Kherson but if it was ATACMS, the HIMARS/MLRS are long gone 🔥 pic.twitter.com/pRRm1SFCNh
— CJ (@CasualArtyFan) August 9, 2022
Haben die USA HIMARS-Raketen mit höherer Reichweite geliefert?
Jedoch bringen ukrainische Beobachter auch die Möglichkeit ins Spiel, dass die USA der Ukraine entgegen vorherigen Dementis nun doch Raketen für die Mehrfachraketenwerfer HIMARS geliefert haben, die eine höhere Reichweite haben. „Wie Sie verstehen konnten, sind Raketen mit einer Reichweite von 200–300 km bereits im Einsatz und werden eingesetzt“, so Viktor Andrusiw, Ex-Berater des ukrainischen Innenministeriums, auf Telegram. Die amerikanischen ATACMS-Raketen haben eine Reichweite von über 300 Kilometern.
Die USA hatten am Montag weitere Militärhilfen in Höhe von einer Milliarde US-Dollar bewilligt. Zu den angekündigten Lieferungen gehörten explizit auch Raketen für den Raketenwerfer HIMARS. Über die Reichweite der gelieferten Munition machten die USA jedoch keine Angaben.
The🇺🇸 $1 bln new package for 🇺🇦 includes:
— Defense of Ukraine (@DefenceU) August 8, 2022
✅ ammo for HIMARS;
✅155mm ammo;
✅20 120mm mortars+ammo;
✅munitions for NASAMS;
✅1K Javelin+hundreds of AT4;
✅50 armored medical vehicles;
✅Claymore mines;
✅explosives,demolition munitions+demolition equipment;
✅Medical supplies.
Ukraine dementiert Beteiligung und reagiert mit Häme
Das ukrainische Verteidigungsministerium dementierte am Dienstagnachmittag, das Munitionslager angegriffen zu haben. „Das Verteidigungsministerium der Ukraine kann die Brandursache nicht feststellen, erinnert jedoch erneut an die Brandschutzregeln und das Rauchverbot an nicht näher bezeichneten Orten“, hieß es auf der Facebookseite des Ministeriums mit Häme. Die New York Times zitiert in ihrem Bericht hingegen einen ukrainischen Militärangehörigen, laut dem die ukrainischen Streitkräfte hinter dem Angriff steckten. So habe man eine Waffe aus ukrainischer Produktion für den Angriff verwendet. Welches System verwendet worden sein könnte, ist jedoch bisher unklar. Militärexperte Gustav Gressel vermutet ebenfalls, dass wohl keine amerikanischen Raketen zum Einsatz kamen. „Es könnte auch die ukrainische Grom(-2)-Rakete sein“, so Gressel auf Twitter. Jedoch seien dazu parallel möglicherweise amerikanische Antiradarraketen eingesetzt worden. Zudem habe die Ukraine in den vergangenen Tagen bereits russische Luftabwehrstellungen entlang einer möglichen Flugbahn einer Rakete von ukrainischem Territorium zerstört.
Erinnerungen an Versenkung der „Moskwa“ werden wach
Die Ereignisse wecken bei Beobachtern Erinnerungen an die Versenkung des russischen Raketenkreuzers „Moskwa“ Mitte April im Schwarzen Meer. Auch hier dementierte die russische Seite eine Versenkung durch die Ukraine. Stattdessen hieß es, auf dem Schiff sei ein Feuer ausgebrochen. Für den damaligen Angriff sollen die ukrainischen Streitkräfte Antischiffsraketen vom Typ Neptun verwendet haben. Diese stammen, wie die Grom, aus eigener Produktion. In der Ukraine befanden sich zu Sowjetzeiten große Teile der sowjetischen Raketenindustrie. Auch nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion entwickelte die Ukraine weiter eigene Waffensysteme. Besonders nach dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine im Jahr 2014 wurden viele Programme zur Herstellung eigener Waffen in der Ukraine reaktiviert.
Russland hatte die Krim im Jahr 2014 besetzt. Im Zuge des Ende Februar begonnenen Angriffskriegs forderte Moskau wiederholt die Anerkennung der Krim als russisches Staatsgebiet – was die Ukraine klar ablehnt. Auch international wird die Halbinsel mit ihren über zwei Millionen Einwohnern weiterhin als ukrainisches Territorium angesehen.


