Das Rechtsaußen-Lager im EU-Parlament sortiert sich neu: Eine am Montag offiziell gegründete Fraktion um den ungarischen Regierungschef Viktor Orbán und Frankreichs Rechtspopulisten um Marine Le Pen könnte drittstärkste Kraft im neu gewählten Parlament werden. Die neue Fraktion zählt nach eigenen Angaben 84 Abgeordnete aus zwölf EU-Ländern.
Wer sitzt in der neuen Fraktion „Patrioten für Europa“?
Gründer der „Patrioten für Europa“ ist der ungarische Regierungschef Orbán mit seiner Partei Fidesz, deren Abgeordnete im Europaparlament bislang fraktionslos waren. Die größte Gruppe innerhalb der Fraktion stellen allerdings die französischen Rechtspopulisten der Nationalen Sammlungsbewegung (Rassemblement National, RN) mit 30 Abgeordneten. Ihr Vorsitzender Jordan Bardella soll Fraktionschef werden.

Erste Mitglieder waren die österreichische FPÖ und die Partei ANO aus Tschechien. Seitdem haben sich Orban weitere Parteien angeschlossen: die italienische Lega, Vox aus Spanien, die portugiesische Chega, die Dänische Volkspartei, der belgische Vlaams Belang und die Partei für die Freiheit des niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders.
Die Gruppe zählt damit mindestens 84 Abgeordnete. Die meisten von ihnen gehörten bislang der Fraktion Identität und Demokratie (ID) an, die sich nun auflösen dürfte.
Welche zweite Rechtsaußen-Fraktion gibt es im EU-Parlament?
Die neu gegründete Gruppe hat im Parlament einen Sitz mehr als die zweite Rechtsaußen-Fraktion, die Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) um die Partei der ultrarechten italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni. Zur EKR gehört zudem die polnische PiS, die Partei von Tschechiens Regierungschef Petr Fiala und die Nichte der französischen Rechtspopulistin Marine Le Pen, Marion Maréchal.
Eine klare inhaltliche Grenze zwischen den beiden Fraktionen gibt es nicht, Unterschiede zwischen den Rechtsaußen-Parteien liegen etwa in der Haltung zu Waffenlieferungen an die Ukraine. Die Gräben verlaufen allerdings auch innerhalb der EKR - und einen Fraktionszwang gibt es im Europaparlament ohnehin nicht.
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Wo sitzt die AfD?
Die AfD ist seit ihrem Rauswurf aus der ID kurz vor den Europawahlen fraktionslos, die Parteispitze bemühte sich zuletzt immer wieder um Partner in Europa. Insbesondere Frankreichs Rechtspopulisten hatten im Mai allerdings auf den Ausschluss der deutschen Abgeordneten gedrängt, ein Beitritt zur neu gegründeten Fraktion mit RN-Chef Bardella als Fraktionsvorsitzendem ist deshalb fraglich.
Welche Rechte hat die drittstärkste Fraktion?
Als drittstärkste Fraktion bekommt die Gruppe längere Redezeiten in den Parlamentsdebatten, die Fraktionsgröße bestimmt zudem die Reihenfolge der Beiträge. Auf Grundlage der Gruppengröße wird zudem die Besetzung der Ausschüsse festgelegt, die Gruppe könnte zudem einen oder mehrere Vizepräsidenten des Parlaments stellen.
Jede Fraktion bekommt zudem Geld für Mitarbeiter, Reise- und Bürokosten aus der Parlamentskasse, zusätzlich zu den Ausgaben der einzelnen Abgeordneten.
Hat das Folgen für die Mehrheiten im EU-Parlament?
Von einer Mehrheit im Europaparlament sind die Rechtsaußen-Fraktionen selbst gemeinsam weit entfernt. Die meisten Gesetze dürften weiter von einer Mitte-Mehrheit aus der Europäischen Volkspartei (EVP) um CDU und CSU, Sozialdemokraten und Liberalen getragen werden.
Auf eine solche Mehrheit setzt auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die Mitte Juli für eine zweite Amtszeit wiedergewählt werden will. Wegen einiger Abweichler braucht sie allerdings Stimmen aus anderen Fraktionen. Sucht sie dafür Unterstützung aus den Rechtsaußen-Parteien, geht von der Leyen allerdings ein Risiko ein: Aus den Reihen der Sozialdemokraten dürfte sie dann wieder Stimmen verlieren.

