In Dortmund ist am Montag ein 16-jähriger Jugendlicher durch mehrere Schüsse der Polizei aus einer Maschinenpistole getötet worden. Der Jugendliche soll die Beamten vorher mit einem Messer angegriffen haben. Am Tag nach dem Vorfall demonstrierten Menschen in Dortmund gegen Polizeigewalt und äußerten scharfe Kritik am Polizeieinsatz. Der Polizeiwissenschaftler Rafael Behr erhebt nun in einem Interview mit t-online schwere Vorwürfe gegen das Vorgehen der Polizei.
Kurz vor der Tat befand sich der 16-Jährige in einer Psychiatrie. Er habe sich wegen psychischer Probleme selbst dorthin begeben, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Dortmund am Mittwoch. Zuvor hatte die Bild-Zeitung darüber berichtet. Die Polizei war am Montagnachmittag zu einer Jugendhilfeeinrichtung gerufen worden, der der 16-Jährige zugeteilt worden war. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft war er ein unbegleiteter minderjähriger Flüchtling aus dem Senegal.
Experte Behr spricht von einem „gravierenden Systemfehler“ bei der Polizei. Zwar seien tödliche Schüsse durch die Polizei in Deutschland eine Seltenheit, in letzter Zeit sei es jedoch häufiger dazu gekommen. Vor einer Woche erschoss die Polizei einen Mann im Bahnhofsviertel in Frankfurt am Main. In Köln erschoss die Polizei vergangenen Mittwoch einen Mieter bei einer Zwangsräumung.
Zweifel an Neutralität der Ermittlungen
In Deutschland ist dadurch eine neue Debatte über Polizeigewalt entflammt. „Solche Fragen muss sich die Polizei gefallen lassen“, so Behr. Es gebe in Deutschland allerdings „keine Tötungskommandos“ der Polizei, „die durch die Städte wandern“. Er gehe davon aus, dass der tödliche Kopfschuss in Frankfurt am Main nicht beabsichtigt war.
Im Fall des getöteten 16-Jährigen übernimmt nun die Polizei Recklinghausen die Ermittlungen – aus Neutralitätsgründen. Elf Beamte sollen vor Ort gewesen sein, als die tödlichen Schüsse vielen. Nach Ansicht des Polizeiwissenschaftlers hätte der Todesfall verhindert werden müssen. „Ich vermute aber, dass es vor Ort keine klare Führungsstruktur gab und dass keiner wusste, was jetzt zu tun ist“, so Behr.
Kritik wurde auch an der Übernahme der Ermittlungen durch Recklinghausen laut. Dort kam am Montag ebenfalls ein Mensch bei einem Polizeieinsatz ums Leben. Diese Ermittlungen soll nun die Polizei Dortmund übernehmen. Behr hat dazu eine klare Meinung: „Neutral ist etwas anderes“.



