Umzug in die Hauptstadt

„Die Stadt ist schmutzig und abgenutzt“: Reddit-User schreibt Liebesbrief an Berlin

Ein Reddit-Nutzer berichtet von seinem ersten Jahr in Berlin: Dem Dreck, dem dauernden Kampf und dem Gefühl, endlich frei zu sein.

Berlin ist dreckig und abgenutzt, bietet aber ein Gefühl, das sonst keine Stadt bietet.
Berlin ist dreckig und abgenutzt, bietet aber ein Gefühl, das sonst keine Stadt bietet.Schöning/imago

Auf der Online-Plattform Reddit tauschen sich User über ihre Erfahrungen in Berlin aus und geben sich gegenseitig Tipps: Wie bekommt man den Müll aus dem Hof? Wo sind aktuell Fahrraddiebe unterwegs und warum stinkt es im Park?

Neben vielen praktischen Fragen finden sich gelegentlich auch sehr persönliche Posts zum Leben in der Hauptstadt. Ein User hat seine Erfahrung, nach Berlin zu ziehen und hier neu anzufangen, in einer Liebeserklärung zusammengefasst:

Sein ganzes Leben habe er in einer anderen, großen deutschen Stadt weit im Westen verbracht, schreibt der Nutzer, der sein Alter mit Anfang 30 angibt. „Toller Job, tolle Leute, große Depression. Ich habe immer davon geträumt, mehr zu leben, frei zu sein und mein Leben nicht durch Wiederholungen zu zermürben. Natürlich konnte niemand verstehen, dass ich spontan den Entschluss fasste, alles aufzugeben und wegzuziehen, um alleine etwas Neues zu beginnen.“

I moved to Berlin one year ago. Wow.
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Berlin habe ihm bei früheren Besuchen nie besonders gefallen, schreibt der Reddit-Nutzer weiter. „Aber es fühlte sich richtig an: ein fremder Ort, weit genug von zu Hause entfernt, um einen Neuanfang zu ermöglichen, und dennoch ein Ort mit genügend Möglichkeiten zum Gedeihen.“ Eine Wohnung aus ein paar hundert Kilometern Entfernung zu finden, sei hart, teuer und mit tagelangen, mehr als 12-stündigen Zugfahrten verbunden gewesen. Er fand eine – „super schön, aber auch super teuer“.

„Die erste Nacht an diesem neuen Ort war magisch. Nach über dreißig Jahren fühlte ich mich frei. Das erste Mal. Keine Pläne. Am nächsten Morgen bekam ich in der Nähe einen miserablen und überteuerten Kaffee. Die Kellnerin sah mich am Vortag einziehen und sagte ‚Willkommen, Berliner‘. Diese kleine, freundliche Geste bedeutete mir sehr viel“ schreibt der Nutzer weiter.

Er schildert, was in dem einen Jahr, seitdem er in die Hauptstadt zog, passiert ist: „Ich bin im Berghain abgewiesen worden, wurde am Kotti von einem völlig Fremden mit einem Skateboard ins Gesicht geschlagen, wurde zusammen mit dem Bürgermeister in einer Zeitung gezeigt, verhinderte einen Selbstmord (der nichts mit dem Bürgermeister zu tun hatte), machte und verlor Freunde.“ Die hohe Miete zu zahlen, sei jeden Monat aufs Neue eine Herausforderung, die er aber auch jeden Monat bewältige. „Berlin wurde für mich zum Inbegriff des Kämpfens und doch lebe ich für mich.“

Das erste Jahr in Berlin sei wunderbar gewesen und es werde noch viel passieren, bemerkt der Nutzer. Denn: „Immer wenn ich durch die Stadt spaziere, bekomme ich das Gefühl, als wäre sie bedeutsam. Keine andere Stadt hat mir das je geboten, und ich bin viel gereist. Die Stadt ist schmutzig und abgenutzt, überall und ständig werden so viele neue Dinge eingeführt, die glänzend und neu aussehen, aber du weißt, dass Berlin sie früh genug verbrauchen und abnutzen wird. Sich frei zu fühlen und man selbst zu sein, ohne das Bedürfnis nach irgendwelchen Kompromissen, bewirkt das mit einem. Keine Filter, die dich vor dir selbst schützen.“ 

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