Protest

Demo gegen Rechtsextremismus in Berlin: „Das Erstarken der Rechten kotzt mich an“

Laut Veranstalter nahmen 30.000 Menschen an der Berliner Großdemo gegen Rechtsextremismus teil. Mit dabei: SPD-Politiker Matthias Ecke, der in Dresden im Wahlkampf zusammengeschlagen wurde.

Mehrere Tausend Menschen demonstrierten in Berlin gegen Rechtsextremismus.
Mehrere Tausend Menschen demonstrierten in Berlin gegen Rechtsextremismus.Christian Mang/AFP

Einen Tag vor der Europawahl haben Zehntausende Menschen in Deutschland gegen Rechtsextremismus und für Demokratie demonstriert. Ein Schwerpunkt war Berlin. In der Hauptstadt gingen laut Veranstalter rund 30.000 Menschen auf die Straße, die Polizei ging dagegen von 15.000 Teilnehmern aus. Angemeldet waren zu dem Protest auf der Straße des 17. Juni 10.000 Demonstranten. Zu der Demo unter dem Motto „Rechtsextremismus stoppen, Demokratie verteidigen“ hatte ein Bündnis verschiedener Gruppen aufgerufen.

Auf der Bühne traten zahlreiche Redner auf. Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher von Pro Asyl, rief zur Wahl auf: „Wer nicht wählen geht oder nicht demokratisch wählt, wählt die Rechtsextremen und damit unsere Demokratie ab.“ Es sei erst dann zu spät und vorbei, „wenn wir alle aufgeben“, sagte er. Noch sei es nicht zwölf Uhr, „und bis zur letzten Sekunde haben wir alle die Verantwortung, unsere Demokratie zu verteidigen“. 

Immer wieder gab es Sprechchöre wie: „Wir, wir, wir sind die Brandmauer“ oder „Alle zusammen gegen den Faschismus“. Unter den Teilnehmern waren alle Altersgruppen vertreten: Eltern mit ihren Kindern, Senioren, junge Frauen und Männer. Mit dabei waren Vereine wie die „Omas gegen Rechts“, die „Eltern gegen Rechts“ oder die „Ossis gegen Rechts“. Ein Hund trug ein Schild auf dem Rücken, auf dem „Dogs gegen Nazis“ zu lesen war. 

Ulrike reiste aus Schwedt zur Demo nach Berlin.
Ulrike reiste aus Schwedt zur Demo nach Berlin.Katrin Bischoff/Berliner Zeitung

Die 63-jährige Ulrike reiste extra aus Schwedt zu der Demonstration an, „weil mich das Erstarken der Rechten ankotzt“, wie sie sagte. Sie sei bei Demos gegen Rechtsextremismus dabei, seitdem die AfD von Remigration gesprochen habe. „Das hat bei mir das Fass zum Überlaufen gebracht“, erzählte sie.

Auch der Naturschutzbund rief mit seiner Teilnahme an der Demo dazu auf, am Sonntag bei der Europawahl demokratisch zu wählen. „Wir müssen unsere Demokratie verteidigen“, sagte Benedikt Dittrich. Ohne Demokratie seien Beteiligungsverfahren zu Natur- und Artenschutz nicht möglich.

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Johanna kam mit dem Fahrrad zur Demo und hielt ein Schild mit der Aufschrift „Wählt, solange ihr noch könnt“ in die Höhe. Sie und ihr Mann seien gekommen, „weil wir Kinder haben, die in Freiheit leben sollen“.

Zu den Rednern auf der Bühne gehörte auch Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Berlin-Brandenburg. Er sagte, der Handelsverband erinnere jedes Jahr am 9. November an die nationalsozialistischen Novermberprogrome von 1938. Die Faschisten damals seien nicht vom Himmel gefallen oder aus der Hölle gekommen. Sie seien mit der Urne an die Macht gekommen. Busch-Petersen erklärte auch, die Abschaffung des Euro, so wie es die AfD wolle, würde in Deutschland drei Millionen Arbeitsplätze kosten. 

Der Naturschutzbund rief mit seiner Teilnahme an der Demo dazu auf, am Sonntag bei der Europawahl demokratisch zu wählen.
Der Naturschutzbund rief mit seiner Teilnahme an der Demo dazu auf, am Sonntag bei der Europawahl demokratisch zu wählen.Katrin Bischoff/Berliner Zeitung

Auch der SPD-Europaabgeordnete Matthias Ecke reiste nach Berlin, um vor den Menschen zu sprechen. Der 41-jährige Politiker aus Sachsen wurde Anfang Mai beim Plakatieren in Dresden so heftig zusammengeschlagen, dass er Knochenbrüche im Gesicht erlitt und operiert werden musste. Der Vorfall löste bundesweit Entsetzen aus, kurz darauf wurden weitere Angriffe auf Politiker bekannt, die eine Debatte über die Verschärfung des Strafrechts auslösten. 

Ecke ist SPD-Spitzenkandidat für die Europawahl. Er trat bei der Veranstaltung ebenfalls als Redner auf. Am Rande der Demonstration sagte er im Gespräch mit der Berliner Zeitung, mittlerweile gehe es ihm körperlich wieder gut. „Ich habe extrem viel Solidarität und Unterstützung erfahren. Das gibt einem natürlich viel Kraft.“

Es sei ihm besonders wichtig, dass sich so viele Menschen wie möglich dem Rechtsextremismus und „dieser Verrohung“, die seiner Meinung nach „eine geplante und organisierte Verrohung des politischen Klimas ist“, entgegenstellen. Der 42-Jährige betonte, er werde sich nicht zum Schweigen bringen lassen und in Zukunft noch wachsamer sein.

Tausende Demonstranten in Leipzig, Dresden, München und Stuttgart

Unter dem Motto „Rechtsextremismus stoppen. Demokratie verteidigen“ hatte ein breites Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen in mehreren deutschen Städten zu Demonstrationen aufgerufen. In Leipzig sprachen die Veranstalter von 15.000 Teilnehmern - die Polizei gab eine Zahl von 12.500 Teilnehmern an.

Überraschend hielt auch die Schauspielerin Sandra Hüller bei der Kundgebung in Leipzig eine Rede. Man solle sich nicht anstecken lassen „von dem rauen Ton von rechts, von der Ungenauigkeit und der Gewalt in der Sprache, die nur ein Ziel hat: Verunsicherung und Spaltung“, sagte die 46-Jährige.

In Dresden nahmen nach Angaben der Veranstalter und der Polizei an der Kundgebung und dem anschließenden Demonstrationszug mehrere tausend Menschen teil. In Frankfurt waren es laut Polizei rund 2500 Teilnehmer, in Stuttgart nach Angaben der Veranstalter rund 5000. In Heidelberg schätzte die Polizei die Zahl der Demonstranten auf etwa 2000. In München waren etwa 10.000 Teilnehmer angemeldet, die Polizei zählte etwa 5000.