Geopolitik

Machtwechsel bei der WHO: China nutzt US-Rückzug für geopolitischen Aufstieg

China baut seine globale Führungsrolle aus: Nach dem Rückzug der USA wird Peking größter Geldgeber der WHO. Die Spende ist Teil einer Strategie, die internationale Ordnung neu zu definieren.

Chinas Vizepremier Liu Guozhong
Chinas Vizepremier Liu GuozhongXinhua/imago

Nach dem Rückzug der Vereinigten Staaten wird China der größte Geldgeber der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Peking habe zugesagt, der WHO 500 Millionen US-Dollar zu spenden, um seinen globalen Einfluss weiter auszubauen, berichtet die Washington Post am Mittwoch.

Der chinesische Vizepremier Liu Guozhong erklärte dem Bericht zufolge vor der Weltgesundheitsversammlung (WHA), sein Land leiste diesen Beitrag, um dem „Unilateralismus“ (Einseitigkeit) entgegenzuwirken – einer Eigenschaft, die China den USA angesichts der sich verschlechternden Beziehungen zwischen den beiden Mächten zuschreibt. Peking wirft der US-Regierung um Präsident Donald Trump demnach vor, nur im eigenen Interesse ohne Rücksicht auf die Interessen anderer zu agieren.

China will globale Führungsrolle ausbauen

„Die Welt sieht sich nun mit den Auswirkungen von Unilateralismus und Machtpolitik konfrontiert, die die globale Gesundheitssicherheit vor große Herausforderungen stellen“, sagte Liu am Dienstag in Genf. „China ist der festen Überzeugung, dass wir nur durch Solidarität und gegenseitige Unterstützung gemeinsam eine gesunde Welt schaffen können.“ Chinas Zusage von 500 Millionen US-Dollar, die laut Liu in den nächsten fünf Jahren bereitgestellt werden sollen, zeige Pekings Bemühungen, die globale Führungslücke zu füllen, die Trump mit seiner „America First“-Außenpolitik hinterlassen habe.

Zhao Minghao, Professor für Internationale Beziehungen an der Fudan-Universität in Shanghai, sagte gegenüber der Washington Post: „Die Angriffe und die Verachtung der Trump-Administration auf die internationale Ordnung haben der chinesischen Diplomatie neue Möglichkeiten eröffnet“. Unter dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping verfolge Peking eine aggressivere Außenpolitik, um die USA als führende Weltmacht abzulösen, heißt es weiter.

Trump hatte nach seinem erneuten Amtsantritt im Januar den Austritt der USA aus der WHO verfügt. Laut WHO-Statuten wird die Entscheidung aber erst nach einem Jahr wirksam. Die Beitragszahlungen an die WHO stellte die US-Regierung allerdings bereits ein. Für die Organisation ist das ein harter Schlag, weil die USA ihr größter Geldgeber waren.

US-Gesundheitsminister ruft alle Länder zum WHO-Ausstieg auf

US-Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. rief am Dienstag alle Teilnehmer-Staaten der Weltgesundheitsversammlung dazu auf, aus der WHO auszutreten. Der Rückzug der USA aus der Weltgesundheitsorganisation müsse als Weckruf verstanden werden, sagte Kennedy in einer Videobotschaft an die teilnehmenden Länder der Weltgesundheitsversammlung. Er fügte hinzu: „Wir sind schon in Kontakt mit gleichgesinnten Ländern gewesen und ermutigen andere zu erwägen, sich uns anzuschließen“.

Die WHO sei gefangen in Bürokratie, veralteten Denkmustern, Interessenkonflikten und geopolitischer Einflussnahme, kritisierte Kennedy. Chinas Einfluss auf die WHO sei seinen Angaben zufolge völlig unangemessen. Sein Land setze stattdessen auf internationale Kooperation im Gesundheitswesen – frei von „zerstörerischer politischer Einmischung“.

Die WHO folge zu oft den Interessen der Medizinwirtschaft und Big Pharma, so Kennedy weiter. Er forderte den Aufbau neuer globaler Gesundheitsinstitutionen: „Wir müssen nicht unter den Fesseln einer überholten WHO leiden. Lassen Sie uns schlanke, effiziente und transparente Organisationen schaffen – oder bestehende reformieren.“ Die Corona-Krise habe laut Kennedy zudem gezeigt, dass die WHO bei der Eindämmung von Seuchen nicht gut arbeite. Das am Dienstag verabschiedete globale Pandemie-Abkommen sei laut Kennedy eine Vereinbarung, die „alle Fehlfunktionen bei der Pandemie-Reaktion der WHO verfestigen“ werde.