Aufruhr

Sturm auf Kongress in Brasilien: Bolsonaro distanziert sich von Angriff

Die Demonstranten drangen am Sonntag in den Kongress, Präsidentenpalast und ins Oberste Gericht vor. Mindestens 200 Menschen wurden festgenommen.

Brasiliens Präsident Luiz Inacio Lula da Silva inspiziert den Planalto-Palast, nachdem dieser von Anhängern seines Vorgängers Jair Bolsonaro gestürmt wurde. 
Brasiliens Präsident Luiz Inacio Lula da Silva inspiziert den Planalto-Palast, nachdem dieser von Anhängern seines Vorgängers Jair Bolsonaro gestürmt wurde. AP/Eraldo Peres

Nach dem Sturm hunderter Anhänger des rechtsradikalen brasilianischen Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro hat sein Nachfolger Luiz Inácio Lula da Silva die Schäden in der Hauptstadt Brasília begutachtet. Auf Bildern des Fernsehsenders TV Globo war Lula am späten Sonntagabend (Ortszeit) im Gespräch mit Richtern vor dem Obersten Gerichtshofs zu sehen, der zuvor ebenso wie der Kongress und der Präsidentschaftspalast angegriffen worden war. Bolsonaro, der sich seit dem Ende seiner Amtszeit in den USA befindet, verurteilte die Ausschreitungen.

Stunden nach Beginn der Ausschreitungen brachten Sicherheitskräfte die Situation im Regierungsviertel von Brasília wieder weitgehend unter Kontrolle. Justizminister Flavio Dino erklärte am Sonntagabend vor Journalisten, die drei erstürmten Gebäude seien vollständig geräumt worden. Mehr als 200 Menschen wurden Dino zufolge festgenommen.

Präsident Lula, der sich zum Zeitpunkt des Angriffs in der 2022 bei Überschwemmungen verwüsteten südöstlichen Stadt Araraquara aufhielt, nannte den Angriff „beispiellos in der Geschichte Brasiliens“. Die Geldgeber hinter den Protesten würden für die „unverantwortlichen und undemokratischen Handlungen bezahlen“. Die Angreifer nannte er „faschistische Vandalen“.

Polizei setzt Tränengasbomben gegen Demonstranten ein

Hunderte Anhänger des ehemaligen Präsidenten von Brasilien, Jair Bolsonaro, waren am Sonntagnachmittag in den Nationalkongress in Brasília eingedrungen und haben die Absperrketten des Planalto-Palastes überrannt. Sie drangen in den Präsidentenpalast und ins Oberste Gericht ein. Es wurden unter anderem Tränengasbomben eingesetzt, um die Demonstranten in Schach zu halten, berichten mehrere brasilianische Medien übereinstimmend.

Einem Bericht zufolge sollen einige Demonstranten auch den grünen Saal des Kongresses besetzt haben. Sie schlugen die Scheiben der Fassade ein und drangen in die Eingangshalle vor, wie am Sonntag im Fernsehsender Globo zu sehen war. Die Polizei versuchte, die Menge mit Pfefferspray und Blendgranaten zurückzudrängen. Die Störenfriede gelangten dennoch in das Sperrgebiet um den Nationalkongress. Ein Fahrzeug der Einsatzkräfte fuhr bei den Tumulten in den Wassergraben vor dem Gebäude. 

Auf Bildern in den sozialen Netzwerken waren weiße Nebelwolken zu sehen. Viele Demonstranten hielten sich wegen des Tränengases Mund und Nase zu. Als Reaktion auf die Tränengasbomben zündeten die Eindringlinge Feuerwerkskörper. Protestierende attackierten Polizisten. Auf Zeugenvideos ist zu sehen, wie sie einen Beamten gewaltsam von seinem Pferd ziehen. Die Militärpolizei sei kurz davor, vehement eingreifen zu müssen, hieß es.

Der neu gewählte Präsident Luis Inácio Lula da Silva sprach auf Twitter von einer „Barbarei in Brasília“. „Diese Leute, die wir Faschisten nennen, sind das Abscheulichste in der Politik, sie sind in den Palast und in den Kongress eingedrungen.“ Lula kritisierte in dem Zusammenhang die mangelnde Sicherheit auf dem Regierungsgelände. „Alle faschistischen Vandalen werden gefunden und bestraft“, sagte der Staatschef. „Wir werden auch herausfinden, wer sie finanziert hat.“ Per Dekret ordnete Lula an, dass die Bundesregierung die Verantwortung für die öffentliche Sicherheit in Brasília übernimmt.

Es folgten bereits erste Konsequenzen: Der Sicherheitschef der Hauptstadt Brasília, Anderson Torres, wurde noch am Sonntag entlassen. „Ich habe die Entlassung des Sicherheitsministers des Bundesdistrikts beschlossen und gleichzeitig alle Sicherheitskräfte auf die Straße geschickt, um die Verantwortlichen festzunehmen und zu bestrafen“, schrieb der Gouverneur des Bundesbezirks, Ibaneis Rocha, auf Twitter. „Ich bin in Brasília, um die Demonstrationen zu beobachten und alle Maßnahmen zu ergreifen, um die antidemokratischen Ausschreitungen im Regierungsviertel einzudämmen.“

Gesamter Polizeiapparat konzentrierte sich auf den Sturm des Kongresses

Die Chefin der regierenden Arbeiterpartei (PT) hatte schwere Vorwürfe gegen die Verantwortlichen in der Hauptstadt Brasília erhoben. „Die Regierung des Bundesbezirks war unverantwortlich angesichts der Invasion in Brasília und im Nationalkongress“, schrieb Gleisi Hoffmann am Sonntag auf Twitter. „Das war ein angekündigtes Verbrechen gegen die Demokratie, gegen den Willen der Wähler und für andere Interessen. Der Gouverneur und sein Sicherheitsminister, ein Anhänger von Bolsonaro, sind für alles verantwortlich, was passiert.“

Hunderte Anhänger von Bolsonaro stürmen den Nationalkongress. 
Hunderte Anhänger von Bolsonaro stürmen den Nationalkongress. AFP/Evaristo Sa

„Ich verurteile diese antidemokratischen Handlungen, die dringend mit der Härte des Gesetzes geahndet werden müssen“, schrieb Senatspräsident Rodrigo Pacheco auf Twitter. „Ich habe mit dem Gouverneur des Bundesdistrikts, Ibaneis Rocha, telefoniert, mit dem ich in ständigem Kontakt stehe. Der Gouverneur teilte mir mit, dass der gesamte Polizeiapparat sich darauf konzentriert, die Situation unter Kontrolle zu bringen.“

Nach dem Angriff auf den Kongress zogen Bolsonaro-Anhänger auch zum Obersten Gerichtshof. Sie hätten dort Scheiben eingeworfen und seien in die Lobby vorgedrungen, berichtete das Nachrichtenportal G1. Mehrere Regierungsgebäude sind offenbar von dem Ansturm betroffen. So seien die Protestierenden auch in den Regierungssitz Palácio do Planalto eingedrungen. Männer mit Brasilien-Flaggen liefen durch Flure und Büros.

Annalena Baerbock verurteilt „feigen Angriff auf die Demokratie“ in Brasilien

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat die Angriffe von Anhängern des früheren Präsidenten Jair Bolsonaro auf das Regierungsviertel der brasilianischen Hauptstadt Brasília scharf verurteilt. „Was in #Brasilia passierte, war ein feiger und gewalttätiger Angriff auf die Demokratie“, schrieb die Grünen-Politikerin am Montagmorgen im Kurznachrichtendienst Twitter. Deutschlands ganze Solidarität gelte dem brasilianischen Volk, seinen demokratischen Institutionen sowie dem aktuellen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva.

Auch die EU sicherte Lula nach Angriff auf Regierungsviertel Unterstützung zu, so der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell.

Brasilien: Massiver Protest gegen die Wahl von Lula da Silva

Die Demonstranten protestierten gegen die Wahl von Präsident Lula da Silva. Die Regierung Lula hatte versprochen, die von Anhängern des ehemaligen Präsidenten Bolsonaro errichteten Lager vor dem Armeehauptquartier in Brasília aufzulösen. Am vergangenen Mittwoch hatte Justizminister Flavio Dino erklärt, dass „bis Freitag“, den 6. Januar, die „antidemokratischen Mobilisierungen“ beendet sein würden. Doch das Gegenteil war der Fall. Da es der Regierung nicht gelang, die Demonstranten zu vertreiben, musste sie die nationalen Streitkräfte einsetzen, um die Sicherheit auf der Esplanade der Ministerien zu verstärken.