Nordrhein-Westfalen

Lützerath: Polizei nimmt Greta Thunberg in Gewahrsam

Bei erneuten Protesten für den Erhalt des Dorfes trugen Polizisten Greta Thunberg weg. Die Einsatzkräfte überprüften anschließend ihre Identität.

Polizisten tragen die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg aus einer Gruppe von Demonstranten und Aktivisten heraus und vom Rand des Braunkohletagebaus Garzweiler II weg. 
Polizisten tragen die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg aus einer Gruppe von Demonstranten und Aktivisten heraus und vom Rand des Braunkohletagebaus Garzweiler II weg. dpa/Christoph Reichwein

Die Polizei hat die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg zusammen mit einer Gruppe anderer Demonstranten bei einer Protestaktion nahe der Ortschaft Lützerath in Gewahrsam genommen. „Die Gruppe befindet sich zur Identitätsfeststellung im Gewahrsam der Polizei“, sagte die Sprecherin des Polizeipräsidiums Aachen, Dana Zimmermann, am Dienstagabend auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP, ohne allerdings Thunberg namentlich zu nennen.

Zuvor hatte es Mitteilungen von Klimaaktivisten über eine Festnahme Thunbergs gegeben. Bei den in Gewahrsam genommenen Menschen geht es laut Polizei um eine Zahl „im mittleren zweistelligen Bereich“. Diese müssten im Polizeigewahrsam verbleiben, bis von allen die Identität festgestellt worden sei. Wenn einige dies nicht wollten, „dann müssen alle warten“, sagte Zimmermann. Um eine Festnahme im juristischen Sinn handele es sich aber nicht.

Polizisten tragen Greta Thunberg weg

Die Gruppe beteiligte sich demnach an einer erneuten Kundgebung gegen die Räumung von Lützerath und den Braunkohletagebau in der Region. Dabei hätten einige, darunter die in Gewahrsam genommene Gruppe, sich „aus der Demonstration herausgelöst“ und seien „auf die Abbruchkante des Tagebaus zugelaufen“. Was mit ihnen weiter passiert, wird laut Polizei „entschieden, wenn die Identitätsfeststellung abgeschlossen ist“.

Auf Bildern in sozialen Netzwerken war zu sehen, wie mehrere Polizisten Thunberg wegtrugen. Von einer Festnahme der schwedischen Klimaaktivistin schrieb auf Twitter unter anderem die Initiative Alle Dörfer bleiben, die sich bei Thunberg für ihre Unterstützung bedankte.

400 Aktivisten vor Lützerath, Polizei versucht Durchbruch zu verhindern

Aktivisten auf Twitter zufolge fand am Dienstag in Keyenberg ein Demonstrationszug mit etwa 400 Menschen statt. Viele Aktivisten machten sich von dort aus nach Lützerath auf – so offenbar auch Greta Thunberg. Videos zeigen, wie die Polizei in die Menge der Demonstranten reitet. Dabei wurden auch Schlagstöcke und Pfefferspray eingesetzt. Dies bestätigte ein Polizeisprecher am Dienstag.

Protest auch in Berlin

Zudem kam es auch in anderen Teilen Deutschlands zu weiteren Aktionen von Klimaaktivisten. Am Dienstagmorgen blockierten 14 Wissenschaftler der Gruppe Scientist Rebellion den Eingang der Landesvertretung von Nordrhein-Westfalen in Berlin. Die Wissenschaftsaktivisten verstreuten Kohle vor dem Eingang und hielten ein Transparent, auf dem zu lesen war: „Größte CO₂-Quelle Europas stoppen. Lützerath bleibt!“

Auch in Nordrhein-Westfalen wurden Regierungsgebäude blockiert. Aktivisten besetzten den Eingang des Innenministeriums in Düsseldorf. Ein Ministeriumssprecher bestätigte die Aktion, an der sich laut Aktivisten etwa 30 Menschen beteiligten. Bei der Blockade des Düsseldorfer Innenministeriums klebten sich laut der Gruppierung Extinction Rebellion Deutschland drei Aktivisten am Eingang des Gebäudes fest. Nach eigenen Angaben forderten sie den Erhalt Lützeraths und den Rücktritt des nordrhein-westfälischen Innenministers Herbert Reul (CDU). Einsatzkräfte trugen die Demonstranten später weg und lösten die festgeklebten Menschen ab.

Aktivisten blockierten am Dienstagmorgen zudem den Tagebau im nordrhein-westfälischen Inden. Dies teilte das Bündnis Ende Gelände auf Twitter mit. Der Tagebau befindet sich etwa 30 Kilometer vom Dorf Lützerath entfernt, das zuletzt wegen Blockaden und massiven Polizeieinsätzen in den Medien war. Die Polizei Aachen sprach von etwa 20 beteiligten Aktivisten, ein Sprecher des Energiekonzerns RWE von 30 bis 40.

Aktivisten rufen zu Aktionstag zu Lützerath auf

„Jede Tonne Kohle, die hier gefördert wird, heizt die Klimakrise weiter an – mit katastrophalen Folgen. Wir nehmen Klimagerechtigkeit selbst in die Hand und stoppen Bagger und Förderband“, schrieb die Gruppe in ihrem Beitrag auf Twitter. Eigenen Angaben zufolge wurde zeitweise ein Kohlebagger blockiert. Die Gruppe teilte auf Twitter einen Livestream der Aktion. Mittlerweile seien alle Aktivisten freiwillig vom Bagger heruntergeklettert, sagte ein Polizeisprecher.

In der Nähe von Rommerskirchen hat nach Polizei- und RWE-Angaben eine Gruppe von etwa 120 Aktivisten Werksbahnschienen zum Kraftwerk Neurath besetzt. Krawalle habe es zunächst an keinem Standort gegeben. „Hier fährt heute kein Kohlezug. Wir stellen uns der Zerstörung mit unseren Körpern in den Weg“, twitterte das Bündnis Ende Gelände über einem Foto von Aktivisten in weißen Ganzkörperanzügen auf Bahngleisen, dazu: „Klimaschutz bleibt Handarbeit!“

Diejenigen, die sich geweigert hätten, die Gleise zu verlassen, seien weggetragen worden, berichtete die Polizei. RWE stellte nach Polizeiangaben in beiden Fällen Strafanzeige wegen Hausfriedensbruch und wegen gefährlichen Eingriffs in den Schienen- und Bahnverkehr. 

Lützerath lange von Aktivisten besetzt

Die Einsatzkräfte der Polizei richteten sich auf mehrere spontane, dezentrale Aktionen ein. Das Aktionsbündnis Lützerath Unräumbar, zu dem auch Gruppen von Fridays for Future und Letzte Generation gehören, hatte zuvor für Dienstag zu einem gemeinsamen Aktionstag aufgerufen.

Auch am Tagebau in Wanlo wurde offenbar eine Blockade eingerichtet. Der Ort befindet sich südlich von Mönchengladbach und ist nicht weit von Lützerath entfernt.

Der Ort Lützerath in Nordrhein-Westfalen ist seit Tagen von der Polizei abgeriegelt und mit einem doppelten Zaun umgeben. Die Gebäude der kleinen Siedlung auf dem Gebiet der Stadt Erkelenz westlich von Köln werden derzeit abgerissen, um RWE zu ermöglichen, die darunter liegende Kohle abzubaggern. Klimaaktivisten hatten das verlassene Dorf besetzt.