Die Vereinten Nationen haben die frühere Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) zur neuen Präsidentin der Vollversammlung gewählt. Auf sie entfielen in geheimer Wahl 167 von 188 gültigen Stimmen, wie der Vorsitzende Philemon Yang am Montag mitteilte. Die Grünen-Politikerin äußerte sich dankbar und sagte, sie wolle „ehrliche Maklerin“ für die Vollversammlung sein.
Baerbocks Amtszeit als Präsidentin der UN-Vollversammlung beginnt im September und dauert ein Jahr. Sie ist die fünfte Frau auf dem Posten seit Gründung der UNO vor fast 80 Jahren. In der Vollversammlung sind alle 193 UN-Mitgliedstaaten vertreten.
Bei der Wahl kam es zu einem Störmanöver, hinter dem Russland und verbündete Staaten vermutet werden. Entgegen allen Gepflogenheiten hatte Moskau Diplomatenkreisen zufolge eine geheime Abstimmung des größten UN-Gremiums mit 193 Mitgliedsländern über Baerbock beantragt. Normalerweise besiegelt die Vollversammlung Personalien ohne Gegenkandidaten per Akklamation, also im Konsens und ohne formelle Wahl. Stattdessen kam es zu einer Abstimmung mit Stimmzetteln, auf denen nur Baerbocks Name stand, bei der aber auch eine Enthaltung oder das Hinzufügen eines weiteren Namens möglich war.
Zwar war Baerbock offiziell die einzige Kandidatin für den Posten, sieben UN-Länder schrieben aber den Namen der deutschen Spitzendiplomatin Helga Schmid auf den Stimmzettel. Weitere 14 Länder enthielten sich.
Kritik an Baerbocks überraschende Nominierung
Schmid war ursprünglich als deutsche Kandidatin für den UN-Posten vorgesehen. Die alte Bundesregierung nominierte nach ihrer Abwahl im Februar aber dann überraschend Baerbock für den Posten. Die Grünen-Politikerin hatte Russland im Angriffskrieg gegen die Ukraine immer wieder scharf kritisiert. Russland kritisierte Baerbocks Kandidatur seinerseits als „Schlag ins Gesicht“ der UNO und warf ihr „Inkompetenz“ und „extreme Parteilichkeit“ vor.
In Deutschland hatte es nach Baerbocks Nominierung ebenfalls kritische Stimmen gegeben. Die UNO sei kein „Selbstbedienungsladen“, sagte etwa der ehemalige Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz und Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Christoph Heusgen.
In ihrer Dankesrede sagte Baerbock, dass sie das Gremium als „ehrliche Vermittlerin“ und einende Kraft leiten wolle: „Meine Tür wird stets für alle offen stehen.“ Mit Blick auf die zahlreichen Krisen weltweit sagte sie: „Wir haben schon früher schwierige Zeiten durchlebt. Und es liegt an uns, diese Herausforderungen anzunehmen.“ Nach ihrer Wahl war in der riesigen Halle der Generalversammlung am East River in Manhattan lauter Applaus aufgebrandet.
Hohes Amt mit wenig Macht
Als Präsidentin wird Baerbock die Sitzungen der Generalversammlung leiten sowie Abläufe und Tagesordnungspunkte festlegen. Mit diesen Aufgaben könnte die 44-Jährige zumindest begrenzten Einfluss auf Entscheidungsprozesse hinter den Kulissen nehmen, etwa den der Wahl des nächsten Generalsekretärs im kommenden Jahr. Dabei dürfte Baerbocks direkter Draht zu Außenministern weltweit helfen – also den Chefs der UN-Botschafter in New York.
Im Vergleich zur Vollversammlung gilt der 15-köpfige UN-Sicherheitsrat mit den fünf Vetomächten als deutlich mächtiger. Er kann völkerrechtlich bindende Resolutionen erlassen. Die Entscheidungen der Generalversammlung dagegen haben oft eher symbolischen Wert und gelten als weltweites Stimmungsbild.


