Lebensmittel

„Möglicherweise krebserregend“: Wie gefährlich ist der Süßstoff Aspartam?

Wie sicher ist Aspartam? Krebsforscher haben eine erste Einschätzung vorgenommen. Sie klingt erst einmal beunruhigend. Was heißt das für Leute, die auf Süßstoff setzen, um Kalorien zu reduzieren?

Aspartam kann unter Umständen Krebs auslösen – dürfte in den üblichen konsumierten Mengen aber kein Problem darstellen.
Aspartam kann unter Umständen Krebs auslösen – dürfte in den üblichen konsumierten Mengen aber kein Problem darstellen.Hendrik Schmidt/dpa

Genf-Ist der Süßstoff Aspartam in Diät-Cola oder Kaugummi möglicherweise krebserregend? Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) sagt: ja. Laut der neuen Experteneinstufung kann Aspartam unter Umständen bei Menschen Krebs auslösen – aber in den üblichen konsumierten Mengen dürfte er kein Problem darstellen. .

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ändert ihre Richtlinien trotz der neuen Einstufung nicht. Sie sieht in den zugrundeliegenden Studien keine Hinweise darauf, dass ein Verzehr im Rahmen der empfohlenen Höchstwerte gefährlich sein könnte. Wer sich daran halte, setze sich nach derzeitigem Wissensstand keinem höheren Krebsrisiko aus, berichtet die WHO.

Wie viel Aspartam sollten Menschen täglich höchstens zu sich nehmen?

„Ein Softdrink ab und zu, oder Kaugummi: Da sollte man sich nach jetzigem Stand keine Sorgen machen“, sagt Francesco Branca, Direktor der WHO-Abteilung für Ernährung und Lebensmittelsicherheit. „Wir empfehlen nicht, dass Verbraucher gänzlich auf Süßstoffe verzichten, aber wir empfehlen Zurückhaltung.“ Wer im Supermarkt überlege, ob er Softdrinks mit Zucker oder mit Süßstoff kaufen soll, ziehe am besten eine dritte Variante in Betracht, sagt Branca: „Wasser trinken“ – oder andere Getränke ohne Süßmittel.

Die akzeptable Aufnahmemenge von Aspartam pro Tag (ADI) liegt laut WHO bei 40 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht. Diese Menge kann ein ganzes Leben lang ohne Bedenken eingenommen werden. Um diesen Wert zu erreichen, müsste eine 70 Kilogramm schwere Person am Tag beispielsweise 9 bis 14 Dosen herkömmlicher Größe mit stark aspartamhaltigem Diät-Getränk trinken, rechnet die WHO vor. Allerdings sind die Mengen Süßstoff je nach Getränk und Hersteller unterschiedlich. Coca-Cola Schweiz berichtete 2020, dass in der Schweiz Coca-Cola zero und Coca-Cola light etwa 130 Milligramm Aspartam pro Liter enthielten. Davon könnte ein 70-Kilogramm-Mensch theoretisch dann am Tag mehr als 20 Liter trinken, ehe er an die empfohlene Höchstmenge stößt.

Ist der Verdacht, dass Aspartam Krebs auslösen könnte, neu?

Die neue Einstufung als „möglicherweise krebserregend“ für Aspartam stammt von der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) in Lyon. Sie gehört zur WHO. Die IARC veröffentlichte ihre Erkenntnisse am Freitag in der Fachzeitschrift The Lancet Oncology. Sie sah in drei Studien mit Menschen begrenzte Hinweise auf einen Zusammenhang mit einer bestimmten Form von Leberkrebs (hepatozelluläres Karzinom).

Den Verdacht, dass Aspartam Krebs auslösen könnte, gibt es schon lange, ohne dass er in Studien bislang eindeutig bestätigt wurde. Auch die drei neuen Studien mit Menschen, die die IARC zugrunde legte, sind nur begrenzt aussagefähig. In Tierstudien habe es bei extrem hohen Mengen an Süßstoffen Hinweise auf ein Krebsrisiko gegeben, sagt Antje Gahl, Sprecherin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. „Die Mengen sind allerdings für den menschlichen Verzehr so gar nicht üblich beziehungsweise unverhältnismäßig hoch, sodass daher keine direkten Hinweise für den Menschen abgeleitet werden konnten.“

Die IARC-Fachleute beurteilen nur, ob ein Stoff im Prinzip Krebs verursachen könnte. Sie berücksichtigen nicht, wie viel davon ein Mensch zu sich nehmen müsste, um ein Krankheitsrisiko zu haben, erklärt Mary Schubauer-Berigan. Sie leitet das für die Einstufung zuständige IARC-Monographs-Programm.

Risiko-Analysen für Menschen machen andere Institutionen, etwa der Ausschuss für Lebensmittelzusatzstoffe der WHO und der UN-Agrarorganisation FAO (JECFA) - oder Behörden für Lebensmittelsicherheit wie das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). 

Beweislage begrenzt – mehr Studien nötig

Die IARC-Fachleute fanden unter Hunderten Krebsstudien mit Menschen drei, die sich mit der Wirkung von Süßstoffen befassen. Sie prüften auch Studien mit Mäusen und Ratten. Alle Studien hätten aber für die Beurteilung von Aspartam gewisse Mängel aufgewiesen, räumten sie ein. Deshalb betont die IARC, dass die Beweislage begrenzt ist.

Nach Angaben von Schubauer-Berigan und Branca ist die neue Klassifizierung ein Aufruf an die Wissenschaft. Es seien dringend mehr Studien nötig.