Es sind die Einzelheiten, die aufhorchen lassen. Details, die zeigen, dass der neue Senator für Stadtentwicklung und Umwelt strategisch anders denkt als frühere Mitglieder der Landesregierung. Ein Beispiel von vielen: Seit Langem sei nur ein Mitarbeiter in seiner Verwaltung mit der Entwicklung des Nahverkehrsnetzes betraut, sagte Andreas Geisel am Montag. Das reiche nicht, um für die Zukunft planen zu können. „Wir müssen uns jetzt Gedanken darüber machen, wie wir das Verkehrssystem in den kommenden 20,?30?Jahren entwickeln. Darum werden wir das Personal verstärken“, kündigte der SPD-Politiker am Montag in der Industrie- und Handelskammer an. „Ich will, dass wir nicht mehr auf Sicht fahren.“
Mit Beispielen wie diesen machte der Senator beim „Wirtschaftspolitischen Frühstück“ den versammelten Unternehmern und Verbandsleuten klar, dass er das Schlagwort von der „wachsenden Stadt“ ernster nimmt als andere. Dass sich die Strategie des Senats, die große Linie, zu ändern beginnt.
Von Sparzwängen ist bei ihm nur am Rand die Rede. Was damit zu tun hat, dass sich Berlins Finanzlage gebessert hat – und der Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) der Bau- und Verkehrsverwaltung aufgeschlossener gegenübersteht als sein Vorgänger Ulrich Nußbaum.
Mehr Hochhäuser in Berlin
„Das Wachstum ist ein großes Glück für Berlin“, sagte Geisel in der Industrie- und Handelskammer. „Andere Städte müssen sich mit Schrumpfung beschäftigen, wir nicht.“ So zeichne sich ab, dass der Senat seine Bevölkerungsprognose korrigieren wird. Noch sagt sie voraus, dass die Zahl der Berliner (derzeit 3,5 Millionen) von 2011 bis 2030 um 250.000 Menschen steigt. „Doch wahrscheinlich werden wir diesen Anstieg schon bis 2019 erreichen.“
Geisel weiß, dass sich nicht jeder Berliner darüber freut. Doch Berlin könne sich lockere Bebauung nicht mehr leisten: „Wo wir bauen, müssen wir dicht bauen“ – und vorhandene Bebauung verdichten. „Nur so schaffen wir es, die großen Grünflächen und die Parks zu erhalten.“
Es müsse auch höher gebaut und von der traditionellen Festlegung, wonach kein Haus höher als 22 Meter sein sollte, abgewichen werden. „Ich halte die Traufhöhe nicht mehr für ein Dogma“, sagte der Senator. Im Zweifel fürs Bauen: Das gelte genauso für den Garten des Magnus-Hauses in Mitte, in dem Siemens trotz Protesten eine Konzernrepräsentanz mit Tiefgarage errichten will. Das Management des großen Berliner Arbeitgebers könne nicht per Straßenbahn nach Mitte fahren.
„Dicht bauen“, das werde im Osten des Tegeler Flughafengeländes ebenfalls die Devise sein. Im „Kurt-Schumacher-Quartier“ will die CDU 3?000 Wohnungen, der Senator 5?000. Die konkreten Planungen starten 2016: „Im Januar oder Februar werden wir einen offenen Wettbewerb beginnen.“ 2018, nach der geplanten Einstellung des Flugverkehrs, soll die Erschließung starten. Zwar werde der Senat den weiteren Zeitplan strecken: „Nach der Fertigstellung des BER müssen wir uns erst um die Sanierung des ICC kümmern.“ Doch die Richtung stehe fest. Damit in der Nachbarschaft des neuen Viertels Gewerbeflächen entstehen können, wollen sich Berlin und andere Länder für eine Änderung des Planungsrechts einsetzen.
Breitere Gehwege, neue Gleise
Auch beim Thema Nahverkehr geht Andreas Geisel mit mehr Verve ans Werk als frühere Senatspolitiker. Er bekräftigte: „Wir müssen das Nahverkehrsnetz ausbauen“ – insbesondere die Straßenbahn. Er wisse, das die BVG auch neue U-Bahn-Strecken will – nach Informationen der Berliner Zeitung von der Warschauer Straße zum Ostkreuz, von der Uhlandstraße zum Adenauerplatz, zum Tegeler Flughafengelände, zwischen Osloer Straße und Pankow. Bei vielen Bürgern gebe es „Vorbehalte gegen die Straßenbahn“, so Geisel. „Doch das ist das Verständnis der 1960er- und 1970er-Jahre.“ Die Netzerweiterung werde Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Doch der Senat müsse jetzt planen.