Berlin

Wohnen in Berlin: So will Senatorin Lompscher den Anstieg der Mieten bremsen

Katrin Lompschers Dienstsitz befindet sich in der Württembergischen Straße in Wilmersdorf. In ihrem Büro im 14. Stock, aus dem sie Richtung Teufelsberg und ICC blickt, empfängt die Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen zum Gespräch.

Frau Lompscher, wir wollen über Ihre Mieten- und Baupolitik sprechen. Vorher aber eine Frage zu Ihrem Staatssekretär. Wird Andrej Holm trotz seiner früheren Tätigkeit für die Stasi im Amt bleiben?

Die Klärungen sind nicht abgeschlossen, die Gesamtbewertung steht aus. Solange werden wir abwarten. Mir ist wichtig klarzustellen: Andrej Holm ist einer der profiliertesten wohnungs- und mietenpolitischen Experten dieser Stadt. Er hat großen Rückhalt, nicht nur als Wissenschaftler, sondern auch bei mietenpolitischen Initiativen. Das war der Grund, warum ich ihn als Staatssekretär vorgeschlagen habe. Und das ist für mich auch maßgeblich.

Welche Pläne wollen Sie in den ersten 100 Tagen umsetzen?

Die Reform des sozialen Wohnungsbaus steht als Thema ganz oben. Wir haben Sofortmaßnahmen beschlossen, die jetzt schon umgesetzt werden. Dazu gehört die Aussetzung der jährlichen Mieterhöhungen im sozialen Wohnungsbau im April 2017. Dazu zählt außerdem die Zinssenkung von Darlehen für Sozialwohnungen, um die vorzeitige Rückzahlung der Kredite durch die Eigentümer – und damit den Verlust dieser Bestände als Sozialwohnungen zu vermeiden. Für die Menschen in diesen Wohnungen bedeutet dies, dass die Mieten auf bis zu 5,75 Euro je Quadratmeter gesenkt werden.

Ist das alles?

Nein, wir bereiten aktuell die Eckpunkte für die umfassende Reform des alten sozialen Wohnungsbaus vor. Ab 2018 wollen wir eine einkommensorientierte Richtsatzmiete einführen. Außerdem wollen wir den Zugang zum Wohnberechtigungsschein (WBS) für Geflüchtete schnell verbessern. Wir brauchen zudem mehr neue Wohnungen, vor allem mehr preiswerte Wohnungen. Um die Flächen für den Bau zu suchen, haben wir die Aktualisierung des Stadtentwicklungsplans Wohnen gestartet, der Auskunft über die bebaubaren Areale gibt. Im ersten Halbjahr wollen wir dazu ein erstes Zwischenergebnis vorlegen.

Den größten Einfluss haben Sie auf die sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen. Was planen Sie hier als Erstes?

Wir werden die Vereinbarung mit den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften aktualisieren, in denen stärkere Schutzrechte für die Mieter verankert sind. Das alte Bündnis ist Ende Dezember ausgelaufen. Unser Ziel ist, dass wir das in den ersten 100 Tagen schaffen.

Welches sind die wichtigsten Ziele, die Sie vereinbaren wollen?

Wir wollen den Mietanstieg weiter begrenzen. In bestehenden Mietverhältnissen sollen die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften die Mieten für die nächsten vier Jahre nur um maximal zwei Prozent jährlich anheben können – und zwar bei jedem einzelnen Mieter, nicht nur im Durchschnitt der Wohnungsunternehmen. Wenn angekaufte Mietwohnungen teurer als 6,50 Euro je Quadratmeter sind, soll in diesen Beständen schrittweise ein Segment geschaffen werden, bei dem die Mieten wie bei neu errichteten Sozialwohnungen bei 6,50 Euro je Quadratmeter liegen. Diese Mieten sollen beim Abschluss neuer Verträge angeboten werden. Außerdem sollen zirka 1800 bis 2000 Wohnungen pro Jahr, deren Mieten bereits über dem Durchschnitt der städtischen Gesellschaften liegen, beim Abschluss neuer Verträge zur Durchschnittsmiete vergeben werden. Zudem sollen die Mieter wie bisher nicht mehr als 30 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens für die Kaltmiete bezahlen. Außerdem wollen wir die Mieter bei Modernisierungen stärker entlasten und sie bei der Neubau-Planung besser einbeziehen.

Im Koalitionsvertrag gibt es bis auf die Aussage, dass die landeseigenen Unternehmen 6000 Wohnungen jährlich bauen sollen, keine Aussage über die Zahl der benötigten Wohnungen. Warum nicht?

Weil die Experten sich darüber streiten und weil es auch keine Erkenntnisse dazu gibt, wie groß der Leerstand wirklich ist. Dass wir mehr Wohnungen brauchen, darüber besteht kein Dissens. Im Koalitionsvertrag haben wir uns auf die Dinge konzentriert, die wir direkt beeinflussen können. Deswegen stehen dort nur Zielzahlen für die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften und die neuen Stadtquartiere.

Die Privaten errichten bisher den größten Anteil der Wohnungen. Sie kritisieren jedoch, dass das Bauen für sie unattraktiver wird, wenn sie künftig bei Projekten, für die ein Bebauungsplan notwendig wird, 30 Prozent der Wohnfläche für Sozialwohnungen reservieren müssen. Bisher müssen bei diesen Projekten nur 25 Prozent Sozialwohnungen sein. Was tun Sie, wenn die Privaten die Lust am Wohnungsbau verlieren?

Ich glaube nicht, dass sie die Lust am Bauen verlieren. Der Wohnungsneubau der Privaten orientiert sich jedoch vor allem an der Rendite. Das heißt, Eigentumswohnungen und hochpreisige Mietwohnungen stehen im Fokus. Deswegen ist es uns wichtig, dass wir bei Bebauungsplänen, bei denen wir Einfluss auf die Privaten nehmen können, den Anteil von Sozialwohnungen erhöhen. Ich glaube, dass dies für die Privaten in Berlin kein Problem sein wird. Was in München Realität ist, sollte auch in Berlin möglich sein.

Die landeseigenen Unternehmen sollen Wohnungen bauen, dazu kaufen und sich bei Mieterhöhungen zurückhalten. Ist das noch leistbar?

Wir hätten es nicht in den Koalitionsvertrag geschrieben, wenn wir es nicht für leistbar halten würden. Wir haben eine gute Ausgangslage, weil die Wohnungsbaugesellschaften wirtschaftlich gut aufgestellt sind. Sie haben im letzten Jahr einen erheblichen Überschuss erwirtschaftet. Und auch in den Jahren zuvor. Aber klar ist, dass zusätzliche Unterstützung notwendig ist. Da gibt es drei Elemente: Die Wohnraumförderung, die Übertragung landeseigener Grundstücke und – neu – den Eigenkapitalzuschuss. Für den Nachtragshaushalt 2017 sind 100 Millionen Euro zur Stärkung der Wohnungsunternehmen im Gespräch. Für die Haushaltsberatungen ab 2018 haben die Diskussionen noch nicht begonnen.

Die neue Koalition hat sich mehr Partizipation auf die Fahnen geschrieben. Vielen, die sich bisher beklagt haben, dass die Planung über ihre Köpfe hinweg gemacht wird, dürfte das gefallen. Aber was machen Sie, wenn es am Ende für ein politisch gewolltes Bauprojekt keine Mehrheit gibt?

Wir müssen zunächst Standards für die Beteiligung der Bürger bei Neubauprojekten vereinbaren. Das wollen wir kurzfristig mit den Wohnungsbaugesellschaften regeln. Drei Prinzipien sind uns wichtig: Dass man frühzeitig in die Kommunikation mit der Bevölkerung geht – auch mit Bebauungsvarianten. Dass man deutlich macht, welchen Nutzen das Projekt für die Nachbarschaft hat. Zum Beispiel durch neue Kitas oder bessere Busverbindungen oder neue Wohnungsangebote, wie etwa Pflege-Wohngemeinschaften. Und dass man Beteiligungsgremien einrichtet, an denen Anwohner teilnehmen und auf das laufende Projekt Einfluss nehmen können. Wenn in den Diskussionen deutlich wird, dass das Projekt mehr Vorteile für die Allgemeinheit als Beeinträchtigungen für einzelne mit sich bringt, bin ich gerne bereit, solche Projekte auch gegen Widerstände zu unterstützen.

Gibt es die Aufforderung an die landeseigenen Unternehmen, geplante Projekte nochmals zu überprüfen?

Diese Aufforderung ist im Koalitionsvertrag eindeutig formuliert und in Gesprächen konkretisiert worden. Die Aufforderung meint zunächst, dass die Gesellschaften selber in ihrer Verantwortung überprüfen, welche Variationen an den Plänen möglich sind. Zum Beispiel im Bereich Friedrichshain-West geht es darum, dass der bezirkliche Bebauungsplan mit der Verdichtungsstrategie der Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) in Einklang gebracht wird.

Die Mieterratswahlen sind heftig kritisiert worden, weil mehr als 100 Bewerber als Kandidaten nicht zugelassen wurden. Bis wann soll geklärt werden, ob sie wiederholt werden?

Diese Überprüfung wird eine der ersten Aufgaben der Anstalt öffentlichen Rechts Wohnraumversorgung Berlin sein. Es ist verabredet, dass die Überprüfung im ersten Quartal 2017 abgeschlossen wird.

Berlin soll bis zum Jahr 2030 zur asbestfreien Hauptstadt werden. Wie wollen Sie das Ziel erreichen?

Auch das ist eine große Aufgabe und Herausforderung. Hier die Meilensteine zu verabreden, muss die Koalition jetzt in Angriff nehmen. Bei den städtischen Gesellschaften sind wir schon recht weit. Da gibt es einen Zehn-Jahres-Fahrplan. Für die Privaten muss das noch geleistet werden. In Kooperation mit den für Gesundheit und Umwelt zuständigen Senatsverwaltungen werden wir die konkreten Schritte festlegen.

Werden die Berliner erfahren, welche Gebäude und Wohnungen asbestbelastet sind?

Diese Frage werden wir mit den Wohnungseigentümern klären müssen. Aus meiner Sicht ist es wichtig, die Balance zu finden. Dort, wo Asbest nicht gesundheitsgefährdend ist, muss man die Leute nicht verängstigen. Aber dort, wo klar ist, dass eine Wohnung vor der Wiedervermietung saniert werden muss, muss die Aufklärung über Asbestbelastung auch gewährleistet sein.

Das Gespräch führte Ulrich Paul.