Kleine Berge aus grünem und weißem Glas türmen sich auf dem Bürgersteig, leere Bierflaschen stehen auf Autos umgeben von Tausenden Menschen im schummrigen Licht der Straßenlaternen: Es sind Bilder der jüngsten Protestaktion „A100 Wegbassen“, die nun in einem offenen Brief der Anwohner an die Organisatoren zu finden sind. Sie zeichnen ein chaotisches Bild des vergangenen Wochenendes, als 10.000 Menschen gegen den geplanten Ausbau der A100 in Friedrichshain-Kreuzberg auf die Straße gingen. Laut dem offenen Brief hat die Aktion eher Schaden angerichtet.
Der Brief richtete sich an die Organisatoren des Protestraves sowie des Bündnisses A100 stoppen, auf deren Website er unter anderem veröffentlicht wurde. In diesem kritisieren die Verfasser das Verhalten der Teilnehmer. Unter anderem sei die Lärmbelastung unzumutbar gewesen: „8 Stunden vibrieren unsere Gläser im Schrank, 8 Stunden im selben Takt, 8 Stunden vibrieren unsere Nerven.“ Die Musik sei zu laut, zu monoton und insbesondere zu lange gespielt worden.
Außerdem Hauptthema des Briefes: die Müllbelastung. Glasscherben, Flyer und Kronkorken seien unbeachtet liegen geblieben und zur Belastung für Hunde und Kinder geworden. Fahrradfahren sei unmöglich. Da die Organisatoren sich eigentlich für den Erhalt des Kiezes einsetzen wollten, fragten die Verfasser in ihrem Brief: „Warum gab es keine Mülltonnen? Warum verteilt ihr keine Müllsäcke?“ Auch sei nicht für mobile Toiletten gesorgt worden, sodass „Hauseingänge, sämtliche Grünstreifen, sogar privat geparkte Fahrzeuge“ von Teilnehmern genutzt wurden.
Der im Kiez ansässige Gartenverein Bürgergarten Wiesen e. V., Mitunterzeichner des Briefes, habe ebenfalls unter dem Rave gelitten. Beete sollen zertrampelt und als Toilette benutzt worden sein. Die Verfasser sprechen von einer „stinkenden, plattgetrampelten Kloake“. Von „Respektlosigkeit“ und „verbrannter Erde“ spricht der angegebene Autor J. Bielig und schließt: „Wir, die Anwohner, wollen VIELLEICHT doch lieber die Autobahn … Leider …“
„Gelinde gesagt Mist“ – Organisatorin äußert sich
Eine Teilnehmerin des Raves, Inge Lechner, äußerte sich dazu über die Website des Bündnisses A100 stoppen und drückte ihre Zustimmung, aber auch Einwände aus. Die Lärmüberschreitung und fehlenden Klos seien „gelinde gesagt Mist“ gewesen, allerdings seien die meisten Flaschen noch in derselben Nacht von der BSR entfernt worden. Sie selbst sei am nächsten Morgen mit dem Fahrrad am Veranstaltungsort vorbeigefahren und meint: „Es war riskant, aber möglich.“ Insgesamt beurteilt sie den Brief als kritisch und bezweifelt, dass er wirklich für die Meinung aller Anwohner spreche.
Dies bestätigt auch Dr. Thomas Zimmermann, Anwohner und Vorsitzender des im Brief erwähnten Vereins Bürgergarten Wiesen e. V. „Es ist natürlich nicht schön“, sagt er zu dem Müll, der in den Beeten hinterlassen wurde, „aber manchmal muss man in der Stadt auch etwas aushalten.“ Der Verein unterstütze grundsätzlich die Protestaktion, nur vereinzelte Mitglieder könnten eventuell den Brief unterschrieben haben. Insgesamt solle man den Konflikt zwischen Anwohnern und Organisatoren nicht zu sehr hochkochen. Der Brief sei übertrieben, eine „Kloake“ habe man keinesfalls vorgefunden.


