Verrückte Fahrgeschäfte

Weltflucht mit Zentrifugalkraft

Vergnügen und Ablenkung versprechen die Weihnachtsmärkte. Doch woran denkt unser Autor bei seinem Rummelbesuch? An Energiepreise und Gewinnmargen. Echt schräg.

Auf diesem Weihnachtsmarkt geht es rund, nicht nur im Riesenrad.
Auf diesem Weihnachtsmarkt geht es rund, nicht nur im Riesenrad.imago

Den „Musik Express“, eine beschleunigende Berg-und-Tal-Bahn mit zunehmender Fliehkraft, hatte ich ein bisschen spektakulärer in Erinnerung. Spaß macht der Rundkurs in dem Fahrgeschäft trotzdem, wenn sie auch nicht ganz so spektakulär ist wie in der eigenen Jugend. Damals saß ich innen und ließ mich von der Zentrifuge mit sadistischer Freude auf einen meiner Kumpels drücken. Wie man es halt so macht unter pubertierenden Jungs. Heute ist die Pubertät schon länger vorbei, weshalb nun ich außen sitze und mich zerdrücken lasse. Was man nicht alles tut für den Nachwuchs.

Wummernde Weihnachtslieder

Zum ersten Mal seit vielen Jahren bin ich eingeknickt und auf einen Rummel gegangen, jene Veranstaltung also, die auch als Kirmes oder Volksfest bekannt ist, in diesem Fall am Eingang aber „Weihnachtsmarkt“ genannt wurde. Von einem gewöhnlichen Rummel unterscheidet sich der Schauplatz höchstens durch die Beschallung mit ziemlich schlimm wummernden Weihnachtsliedern in kuriosen Versionen, wohl weil die Lizenzgebühren für das Abspielen der Originale zu hoch wären.

Das mit den Kosten ist ohnehin so eine Sache. Als Laie kann man sich kaum vorstellen, dass sich die Geschäfte der Schausteller rentieren bei all den Kosten, geschweige denn, dass so ein Volksfest Gewinn abwirft. Was der „Break Dancer“, in dem wir gerade sitzen, während einer Fahrt wohl allein an Strom verballert? Die meisten Fahrgeschäfte kosten pro Runde an normalen Tagen rund 4,50 Euro pro Kopf, ein happiger Betrag, bei dem sich viele kaum mehrere Fahrten leisten können. Heute ist Familientag mit mal mehr, mal weniger halben Preisen. Besonders viel los ist trotzdem nicht.

Wie schräg ist das eigentlich, in einem Vergnügungspark zu sitzen und dank des Weltgeschehens über Energie nachzudenken, ausgerechnet an einem Ort des Eskapismus? Aber gut, unpolitisch waren die Rummel früher in Berlin auch nicht, zu Zeiten des Kalten Krieges hießen sie im Westteil deutsch-amerikanisches oder deutsch-französisches Volksfest, und es war nicht ungewöhnlich, dort nicht nur mit Fahrgeschäften, sondern auch auf der Ladefläche von echten Armee-Fahrzeugen mitfahren zu können.

Im „Break Dancer“, dessen Gondeln sich auf einer großen Drehscheibe in verschiedenen Winkeln um sich selbst drehen, gelingt es schließlich doch, die reale Welt auszublenden. Immer wieder rast der Wagen auf einen der zahlreichen Laternenmasten zu, um kurz vor dem Aufprall durch eine unvorhersehbare Richtungsänderung doch noch daran vorbeizurauschen. Wenn wir auf den sogenannten Ride Operator zusteuern, den Mann, der hinter einer Scheibe die Geschwindigkeit regelt, rufen wir laut „Hallo“, was ihn nicht sonderlich beeindruckt. Als die Fahrt endet, sind unsere Beine etwas wacklig und das Grinsen breit. Gut, dass ich mich habe überreden lassen.