Landgericht Berlin

Beim Mittagsschlaf: Praktikant missbraucht Mädchen in Berliner Kita

Die etwa drei Jahre alten Mädchen hatten sich ihren Müttern offenbart. Die Kita wollte die Vorgänge nach Aussage einer Mutter vertuschen. Jetzt gesteht der Beschuldigte vor Gericht.

Der angeklagte Justin U. hat im Prozess ein Geständnis abgelegt.
Der angeklagte Justin U. hat im Prozess ein Geständnis abgelegt.Pressefoto Wagner

Justin U. spricht an diesem Dienstag zunächst nicht selbst, er lässt seinen Anwalt reden. Sein Mandant räume „die Vorwürfe umfassend ein“, die ihm der Staatsanwalt in seiner Anklage zur Last lege. Der Angeklagte sei über sein Verhalten entsetzt und beabsichtige, nach dem Prozess psychiatrische Hilfe in Anspruch zu nehmen, erklärt der Verteidiger.

Auf der Anklagebank sitzt ein 21-jähriger Mann mit blassem Gesicht, flaumigem Kinnbart und Brille. Er trägt rote Turnschuhe zu den Jeans und einer engen roten Lederjacke. Die Vorwürfe gegen ihn wiegen schwer. Als Praktikant einer Wilmersdorfer Kita soll er sich im Frühjahr 2021 an zwei kleinen Mädchen vergangen haben. Deswegen muss er sich als Heranwachsender vor einer Jugendkammer wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen und Kindern verantworten.

Am 21. Mai 2021 hatte Justin U. der Anklage zufolge den Auftrag, ein dreijähriges Kind der Kita zum Mittagsschlaf zu bringen. Dabei habe er sich neben das Mädchen gelegt, es zunächst im Intimbereich gestreichelt. Dabei allerdings sei es nicht geblieben. 

Anschließend habe er die Dreijährige angewiesen, über das Geschehene zu schweigen, so die Anklage. Andernfalls würde es Ärger und keine Süßigkeiten mehr geben. Doch trotz der Drohungen offenbarte sich das Mädchen noch am selben Nachmittag seiner Mutter.

Auch einem zweiten kleinen Kind gegenüber soll Justin U. an einem nicht näher eingrenzbaren Tag zwischen dem 1. Februar 2021 und dem 20. Mai 2021 im abgedunkelten Schlafraum der Kita sexuell übergriffig geworden sein. Wieder soll er sich neben ein Mädchen gelegt, seine Hände unter den Pulli und unter den Slip des Kindes geschoben und es gestreichelt haben. Da das Mädchen im Tatzeitraum Geburtstag hatte, war es zur Tatzeit drei oder vier Jahre alt.

Justin U. antwortet vor Gericht stockend auf Fragen. So erzählt er, dass sein Vater Erzieher sei und er selbst eine Lehre zum Sozialassistenten begonnen habe. Dafür sei er für ein Praktikum in der Kindertagesstätte gewesen. An die Tat am 21. Mai 2021 kann er sich erinnern. „Es kam spontan“, sagt der Angeklagte. Vielleicht habe es ihn erregt, dass sich das Mädchen vor dem Schlafengehen die Strumpfhose und das T-Shirt ausgezogen habe. Ein kleines Mädchen in Unterhose will er zuvor noch nie gesehen haben, behauptet er nach einer entsprechenden Frage der Vorsitzenden Richterin. Der Angeklagte weiß auch noch, dass das Mädchen zweimal seine Hand weggeschoben hatte. An die andere vorgeworfene Tat entsinnt er sich dagegen kaum.

Die Mutter der Dreijährigen ist Zeugin im Prozess. Die 32-jährige Altenpflegerin sagt, ihre Tochter sei damals in der Eingewöhnungsphase gewesen. Wie jeden Tag habe sie ihr Kind auch an jenem Freitag abgeholt und nach dem Erlebten gefragt. Als sie sich etwas von der Kita entfernt hatten, habe ihr Kind gesagt: „Mama, ich möchte Dir was erzählen, weiß aber nicht, ob ich Ärger kriege.“ Dann habe die Kleine berichtet, was ihr Schorsch, so nannten die Kinder Justin U., getan haben soll.

Kind nässte sich nach der Tat wieder ein

Die Mutter fuhr mit ihrer Tochter zur Kita zurück. Der stellvertretende Leiter habe ihr erklärt, dass sich das Kind etwas einbilde, erinnert sich die Zeugin. Erst durch Fragen in der Eltern-Chatgruppe habe sie erfahren, dass sich hinter dem Namen Schorsch kein anderes Kind verbirgt, sondern der Praktikant. Die Kindesmutter rief die Polizei. Später sei sie bis tief in die Nacht mit ihrer Tochter im Krankenhaus gewesen, erzählt sie.

Gefragt nach den Folgen für das Kind, sagt die Zeugin: „Es war sehr schlimm für sie.“ Ihre Tochter habe sich wieder eingenässt. Noch heute würde es sich die Fingernägel blutig knabbern. Der Psychologe habe geraten, das Kind nicht aus der Kita zu nehmen – da es sonst den Eindruck haben würde, es würde damit bestraft.

„Und wie hat die Kita das Geschehene aufgearbeitet?“, will die Vorsitzende Richterin wissen. Gar nicht, antwortet die Zeugin. Bei einer Elternversammlung habe sie als Mutter nicht dabei sein dürfen. Die Kita habe ihr auch gesagt, dass sie mit keinen anderen Eltern sprechen solle.

Der zweite Vorfall wurde offenbar nach dem Elternabend bekannt. Die Mutter des zweiten Kindes berichtet, dass sich ihre Tochter von sich aus später offenbart habe. Seit letztem Sommer sei das Mädchen sehr dünnhäutig, fast depressiv und in Therapie. Die Entschuldigungen, die Justin U. an die Mütter richten möchte, wollen die Zeuginnen auf Nachfrage der Richterin nicht hören.

Als die auf Video aufgenommenen Aussagen der zwei betroffenen Mädchen im Saal vorgespielt werden sollen, wird die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Schon am nächsten Verhandlungstag könnte das Verfahren mit einem Urteil enden.