Verkehrspolitik

Klimaprotest: Letzte Generation legt Friedrichstraße mit Bobbycars lahm

Der Fußgängerbereich wurde abgeräumt, doch am Montag war die Straße wieder autofrei. Die Letzte Generation demonstrierte gegen den Senat. 

Protest gegen die Wiedereröffnung der Friedrichstraße in Mitte: Zwei Mitglieder der Gruppe „Jetzt oder Nie – Eltern gegen die Fossilindustrie“ blockieren die Fahrbahn mit Bobbycars.
Protest gegen die Wiedereröffnung der Friedrichstraße in Mitte: Zwei Mitglieder der Gruppe „Jetzt oder Nie – Eltern gegen die Fossilindustrie“ blockieren die Fahrbahn mit Bobbycars.Markus Wächter/Berliner Zeitung

Damit hatten Beobachter schon gerechnet. Am Montag kündigte die Letzte Generation Proteste in der Friedrichstraße in Mitte an - und so kam es am Nachmittag auch. Junge Leute klebten sich auf dem Asphalt fest, nebenan blockierte die Gruppe „Jetzt oder Nie – Eltern gegen die Fossilindustrie“  die Fahrbahn zusätzlich mit Bobbycars. Zweieinhalb Tage, nachdem der Abschnitt  zwischen der Französischen und der Leipziger Straße wieder für Autos freigegeben worden war, musste die Polizei ihn wieder sperren.

Ende Januar hatte das Bezirksamt Mitte das rund 500 Meter lange Teilstück vor dem Warenhaus Galeries Lafayette Ende Januar für Fußgänger geöffnet. Auch Radfahrer und E-Scooter waren zugelassen – Kraftfahrzeuge dagegen nicht mehr. Die Teileinziehung sah vor, dass dort nie wieder Autos unterwegs sind. Doch die neue Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) ließ die sofortige Vollziehung der Anordnung aufheben. In der Nacht zum 1. Juli wurden die Barrieren weggeräumt. Seitdem dürfen wieder Autos fahren.

„Das Zentrum Berlins war mal ein Ort, von dem aus Zukunft gedacht und gelebt wurde“, entgegnete die Letzte Generation am Montag. Doch der neue Senat mit dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) an der Spitze habe gezeigt: „Der fossile Alltag ist alles, was ihn interessiert, Schutz der Lebensgrundlagen: Fehlanzeige.“ Deshalb werde in der Friedrichstraße „entschlossen und friedlich“ protestiert. „Wir befinden uns in einem Klimanotstand, der keinen Aufschub duldet“, so die Gruppe.

Mitglieder der Letzten Generation klebten sich gegen 15.30 Uhr auf der Straße fest, bevor die Polizei erschien. Währenddessen zog die Gruppe „Jetzt oder Nie – Eltern gegen die Fossilindustrie“ mit Bobbycars über die Friedrichstraße. Die kleinen roten Plastikfahrzeuge stünden stellvertretend für Kinder im Straßenverkehr, hieß es. „Die Bobbycars werden von den als Manja Schreiner und Kai Wegner verkleideten Eltern mit Besen und Schneeschaufel weggefegt – ein Sinnbild für die Verkehrspolitik der CDU.“ 

„Die Verkehrswende wird abgebremst, bevor sie wirklich begonnen hat“, sagte Petra Nielsen, eine der teilnehmenden Mütter. „Das Erreichen von Klimazielen, saubere Luft in der Stadt und Verkehrssicherheit für unsere Kinder scheinen nicht zu zählen. Wir fordern eine menschengerechte Stadt statt Vorfahrt für Autos.“

Senat plant Masterplanverfahren für die historische Mitte

Während die Treibhausgasemissionen in Deutschland seit dem Jahr 1990 stark gesunken seien, habe es im Verkehrssektor bisher kaum eine Verbesserung gegeben. Der Anteil des Verkehrs an den Gesamtemissionen ist seit 1990 von etwa 13 auf 19,4 Prozent im Jahr 2021 gestiegen, so die Letzte Generation.

Für Thea M. ist dieser Protest genau die richtige Form, sich gegen die Wiedereröffnung zu wehren. Die 26-Jährige wohnt in Mitte, der Stadtteil, in dem auch die Friedrichstraße liegt. „Ich kann auf jeden fall damit sympathisieren, dass Sie sich hier festkleben“, sagt sie, wolle sich nicht zu den anderen Klebe-Aktionen der Letzten Generation äußern.

Seit Sonnabend war die Friedrichstraße wieder durchgehend für Autos befahrbar - am Montagnachmittag blockierten Mitglieder der Letzten Generation den Verkehr.
Seit Sonnabend war die Friedrichstraße wieder durchgehend für Autos befahrbar - am Montagnachmittag blockierten Mitglieder der Letzten Generation den Verkehr.Markus Wächter/Berliner Zeitung

Verkehrssenatorin Schreiner (CDU) hat bekräftigt, dass im Herbst ein Masterplanverfahren beginnt, in dem es um die Gestaltung der historischen Mitte Berlins gehen soll. Es sei nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass der Kraftfahrzeugverkehr auf der Friedrichstraße wieder eingeschränkt wird, sagte sie. Schreiner betonte aber, dass Anrainer an dem Verfahren beteiligt werden sollen. Sie sahen die bisherige Vollsperrung skeptisch.

Ursprünglich sollten auf dem autofreien Abschnitt der Friedrichstraße Fitnesskurse und Veranstaltungen stattfinden. Das Institut Français Berlin plante Sommerkino unterm Sternenzelt, „Les nuits blanches“, während der Fashion Week sollte das schnurgerade Teilstück ein Laufsteg werden. Ein World Streetfood Festival war ebenfalls geplant – und muss nun entfallen. Im Gespräch war auch ein Weihnachtsmarkt im Dezember.

Ein kostenloses veganes Abendessen auf der Friedrichstraße

Eine der geplanten Veranstaltungen bleibt aber im Programm. Für den 12. Juli lädt die Umweltorganisation WWF zu einem „Dinner für 1000“ Menschen auf die Friedrichstraße ein. Geboten wird ein kostenloses vegan-vegetarisches Drei-Gänge-Menü aus aussortierten Lebensmitteln, teilte die Organisation am Montag in Berlin mit. Für das Dinner unter dem Motto „restlos genießen“, das im Rahmen eines Aktionstages gegen Lebensmittelverschwendung stattfindet, wird die Straße ab 18 Uhr gesperrt.

Die Hamburgerin Petra Hohmann ist zu Besuch in Berlin und kennt die Aktivisten der Letzten Generation sonst nur aus dem Fernsehen. „Ich halte sie nicht für Verbrecher“, sagt die 67-Jährige, „aber ein bisschen überzogen sind sie schon.“ Einerseits verstehe sie das Anliegen, andererseits lebe sie auf dem Land und ist seht fast 50 Jahren auf das Auto angewiesen. „Für mich bedeutet das Auto Freiheit.“ Diese Protestform aber halte sie für falsch: „Das hier trifft doch nur die kleinen Leute, die Reichen machen sowieso was sie wollen.“