Interview

Hitzewelle: „Wir müssen begreifen, dass Wasser auch in Berlin begrenzt ist“

Die kleine Hitzewelle sorgt für gute Laune, ist aber problematisch. Denn in Berlin regnet es zu wenig. Ein Gespräch mit dem Umweltexperten Derk Ehlert.

Hitze in Berlin: Kinder spielen am Brunnen im Lustgarten auf der Museumsinsel in Berlin-Mitte.
Hitze in Berlin: Kinder spielen am Brunnen im Lustgarten auf der Museumsinsel in Berlin-Mitte.imago/snapshot

Berlin-Bundesweit wird es tagsüber hochsommerlich, in Berlin sollen es am Mittwoch bis zu 28 Grad werden. Droht eine neue Dürrewelle? Dürfen Berliner Gärtner nun ihre Kleingärten nicht mehr wässern und welche Auswirkungen hat die Trockenheit auf die Natur? Ein Gespräch mit Derk Ehlert, dem Naturexperten der Berliner Senatsverwaltung für Umwelt.

Herr Ehlert, eine Sommerwoche Anfang Mai. Ist das noch Wetter oder ist das schon wieder der Klimawandel?

Grundsätzlich ist das gar nicht außergewöhnlich. Auch in früheren Jahren gab es Ende April mal ein paar Tage mit 25 Grad. Wenn es bei einer solchen kleinen Hitzewelle um die Auswirkungen auf die Natur geht, sind immer die Vorbedingungen wichtig. Das heißt: Hat es davor geregnet oder nicht?

Und hat es?

Ja, hat es. Jedenfalls kurz davor. Wir hatten Glück: Im April hat es so geregnet, dass wir knapp unter 100 Prozent der durchschnittlichen Niederschlagsmenge der vergangenen Jahrzehnte lagen.

<strong>Derk Ehlert</strong> (53) ist Wildtierexperte des Berliner Senats. Der studierte Landschaftsplaner hat eine gemeinnützige Stiftung für den nachhaltigen Schutz der Natur gegründet. Sie erwirbt Flächen am Gülper See, dem größten Sammelplatz von Zugvögeln in Westbrandenburg.
Derk Ehlert (53) ist Wildtierexperte des Berliner Senats. Der studierte Landschaftsplaner hat eine gemeinnützige Stiftung für den nachhaltigen Schutz der Natur gegründet. Sie erwirbt Flächen am Gülper See, dem größten Sammelplatz von Zugvögeln in Westbrandenburg.imago/Rolf Zoellner

Dann können wir den kurzen Hochsommer also einfach genießen?

Nicht so ganz, denn der März war ein echtes Problem. Je nach Gegend in Berlin fielen nur zwei bis fünf Prozent der langjährigen Durchschnittsmengen in Berlin-Brandenburg. Das ist dramatisch wenig.

In Brandenburg gibt es bereits Regionen mit Trinkwasserknappheit. Da ist der Verband, der nun auch die neue Tesla-Fabrik beliefern soll. Er hat erhebliche Probleme, neben den bisherigen Kunden auch die Gigafactory des US-Milliardärs Elon Musk zu versorgen. Erstmals gibt es dort Restriktionen, auch für Privathaushalte. Dann wird das Sprengen des Rasens schwieriger oder deutlich teuer. Droht so etwas auch in Berlin?

Davon ist derzeit nicht auszugehen. Berlin muss sich beim Trinkwasser noch keine akuten Sorgen machen. Berlin ist in einer anderen Situation. In vielen anderen Regionen wird das Trinkwasser aus dem Grundwasser gewonnen. Und fast überall fallen die Grundwasserstände …

… auch die Berliner Wasserbetriebe gaben gerade bekannt, dass auch hier der Grundwasserspiegel 20 bis 50 Zentimeter unter dem langjährigen Mittelwert liegt.

Ja, aber in Berlin wird das meiste Trinkwasser nun mal nicht aus dem Grundwasser gewonnen: 75 Prozent der 3,6 Millionen Berliner bekommen ihr Trinkwasser aus dem sogenannten Uferfiltrat in der Nähe der Flüsse. Solange Wasser in den Flüssen ist, kann in den Uferbereichen auch ausreichend Wasser entnommen werden. Zudem wird das Abwasser der Berliner über mehrere Stufen gereinigt und wieder in die Flüsse geleitet.

Ist Berlin damit eine Insel der Glücklichen, wenn es um Trinkwasser geht?

Nein, auch wir in Berlin müssen dringend begreifen, dass die Ressource Wasser endlich ist. Die gesamte Gesellschaft muss lernen, nachhaltig mit dieser Ressource umzugehen und Wasser zu sparen. Das wird uns alle treffen.

Also den Swimmingpool im Garten abschaffen?

Oder schauen, ob er wirklich so oft befüllt werden muss. Wer übers Wassersparen nachdenkt, sollte beim Rasen sparen. Der muss nicht jeden Tag gesprengt werden. Das viele Wasser sorgt doch nur dafür, dass Rasen schön grün ist. Außerdem ist die Verdunstungsrate im Rasen sehr hoch. Und wenn der Rasen nicht jede Woche kurz geschnitten wird, ist er auch widerstandsfähiger bei Trockenheit.

Was wäre noch wichtig?

Ganz einfach Regenwasser auffangen. Das ist doch viel zu wertvoll und zu schade. Das sollte lieber vor Ort zum Gießen benutzt werden oder versickern.

Welche einfachen Tricks gibt es noch?

In dieser Stadt kann enorm Wasser gespart werden, wenn im Herbst das Laub in Büschen, Hecken und Sträucher liegen bleibt. Das Laub deckt den Boden darunter ab, verhindert, dass er durch Sonne und Wind austrocknet. Das ist jetzt sehr gut zu sehen. Wer das Laub wegschiebt, sieht, dass der Boden viel feuchter ist als der ohne Laub. Das Laub bindet auch Nährstoffe und aktiviert das Bodenleben: Durch die Regenwürmer ist der Boden besser belüftet und lockerer. Es gibt also nur gute Gründe, das Laub liegen zu lassen. Und Geld spart es auch: Die Berliner müssen weniger wässern, weniger düngen und weniger für die Entsorgung des Laubs zahlen.

In einem Kiefernwald bildeten die Baumkronen früher ein dichtes, dunkles Dach. Inzwischen ist es in der Höhe meist sehr licht.
In einem Kiefernwald bildeten die Baumkronen früher ein dichtes, dunkles Dach. Inzwischen ist es in der Höhe meist sehr licht.imago/Volker Hohlfeld

Noch einmal zurück zur Trockenheit im März und jetzt: Was bedeutet sie für die Natur, die doch gerade erst aus dem Winterschlaf erwacht ist?

Das Wasser fehlt natürlich. Denn die Pflanzen brauchen Wasser, um die Blätter zu entwickeln, um gut ins Jahr zu starten. Wasser ist wichtig, um die Pflanze über die Wurzel ausreichend mit Nährstoffen zu versorgen.

Wer die Wetterkarten im Fernsehen betrachtet, sieht fast täglich: Der Nordosten Deutschlands ist besonders trocken. Warum?

Berlin ist und war nie von viel Regen gesegnet. Unsere Region ist vom Kontinentalklima geprägt. Die Regionen im Westen sind stärker vom Meeresklima geprägt und bekommen mehr Niederschlag ab, der auch vom Golfstrom über den Atlantik gebracht wird. In Berlin fallen im Schnitt im Jahr etwa 560 Liter Niederschlag pro Quadratmeter. Das ist grundsätzlich nicht viel: In Hamburg sind es mehr als 1000 Liter, im westlichen Niedersachsen im Raum Oldenburg 1600 Liter.

Das Problem ist aber nicht nur die Menge, oder?

Es geht auch um die Verteilung übers Jahr. Üblicherweise fällt der meiste Niederschlag bei uns vor dem Frühlingserwachen. Wenn es dann aber trocken ist, wie jetzt im März, sind das keine guten Ausgangsbedingungen für die Natur.

Dazu kommen noch die grundsätzlich steigenden Temperaturen, oder?

Ja, je wärmer es ist, umso mehr Wasser verdunstet auch: von den versiegelten Betonflächen, vom Erdboden und von den Flüssen und Seen. Das heißt: Der Klimawandel hat eine direkte Auswirkung auf unseren Wasserhaushalt in Berlin. Dazu kommen Wind und Strahlungsintensität. Gemeint ist: Sind noch Wolken da, die dafür sorgen, dass nicht ganz so viel verdunstet.

In der Region gab es nach dem Regensommer 2017 gleich drei Dürrejahre. Fachleute sagen, dass es monatelang Dauerregen geben müsste, um die massiven Wasserdefizite im Boden auszugleichen. Wie sah es 2021 aus?

2021 war bei uns kein Dürrejahr, aber es war auch nur ein durchschnittliches Jahr. Es ist also nicht so viel Regen gefallen, um die Defizite auszugleichen. Und für die nächste Zeit sehen die Experten auch nicht die entsprechenden Regenmengen. Berlin-Brandenburg liegt weiterhin unter den langjährigen Mittelwerten und bekommt weniger Regen, als für die Natur nötig wäre.

Was bedeutet da eine solche Hochsommerwoche wie jetzt?

Eine solche Woche sorgt für kein krasses Defizit. Da der Boden noch vom April recht feucht ist und die meisten Gehölze noch an die Feuchtigkeit kommen. Aber die Hitze entspannt die Lage auch nicht, sondern verschärft sie zusätzlich. Das heißt: Wenn es weiter so trocken und warm bleibt, werden die Probleme in den kommenden Wochen und Monaten definitiv nicht kleiner.

Die Berliner sollen also ihre Straßenbäume weiter gießen?

Die ersten zwei, drei Jahre nach der Pflanzung soll und muss gegossen werden. Das wird meist gleich mit den Firmen vertraglich vereinbart, die die Bäume aufstellen. Aber auch danach sollte noch sechs bis sieben Jahre gewässert werden, damit die Bäume einen guten Start haben.

Schild an einem Berliner Stadtbaum.
Schild an einem Berliner Stadtbaum.imago

Der Wald kann nicht gegossen werden, geht es den Bäumen dort also schlechter?

Nein, denn im Wald gibt es keine versiegelten Flächen, die das Wasser ableiten, es gibt keine Wurzelverdichtung, weil Autos gleich neben dem Baumstamm parken, und die Wurzeln werden nicht bei Kanalarbeiten freigelegt. Es gibt keinen Urin von Hunden und keine Tausalze im Winter. Und die Bäume spenden sich im Wald gegenseitig Schatten. In der Stadt ist auch die Strahlungsintensität höher, weil die Gebäude viel mehr Sonnenlicht reflektieren. In der Stadt ist oft auch mehr Wind durch die Schlotwirkung der Straßenschluchten. Das heißt: Bäume im Grunewald können Dürreperioden länger überstehen als ein einzeln stehender Stadtbaum in einem Berliner Park.

Trotzdem leiden Berlins Wälder stark. Nur noch sechs Prozent aller Bäume in den Wäldern sind ohne Schäden. Das ist der schlechteste Wert seit Beginn der Erhebung 1991.

Die Waldschäden sind in allen Bundesländern hoch. Der Vorteil: Bäume gibt es nicht erst seit gestern, die können sich nach Mangeljahren durchaus wieder erholen, aber es waren drei Dürrejahre in Folge. Das gab es noch nie. Nun ist zu sehen, dass die Bäume einen kürzeren Jahrestrieb haben, also weniger austreiben und dass die Blätter kleiner sind. Die Kronen sind weniger dicht, es gibt viel mehr tote Äste – auch „Wipfel-Dürre“ genannt. Die Nadelbäume trugen früher eine Mischung aus den Nadeln der vergangenen vier Jahre, nun nur noch der vergangenen zwei Jahre. Den Bäumen sind die Mangeljahre anzusehen.

Aber was hilft dagegen?

Dafür sorgen, dass nicht mehr die Kiefern die Wälder so sehr dominieren, sondern das Ganze zu gesunden Mischwäldern umbauen. Das machen wir seit Jahrzehnten. Aber der Waldumbau bleibt eine Mehr-Generationen-Aufgabe.

Das Interview führte Jens Blankennagel.