Klimawandel

Kathedralen für das Wasser – Berlin baut neue Speicherbecken

Die Wasserbetriebe errichten für 50 Millionen Euro riesige Zwischenlager für Trinkwasser. Auch, um sich für die Herausforderungen des Klimawandels zu wappnen.

Jede der vier Hallen ist knapp 70 Meter lang. Insgesamt wurden an dem gesamten Bau 3200 Säulen verbaut.
Jede der vier Hallen ist knapp 70 Meter lang. Insgesamt wurden an dem gesamten Bau 3200 Säulen verbaut.Gerd Engelsmann

Berlin-Dieser Raum ist kein Raum mehr, sondern so mächtig und weit, dass er von innen einschüchternd wirkt wie eine Kathedrale. Von außen ist das Ganze ein großer, aber recht unscheinbarer Betonbau: 180 Meter lang, 80 Meter breit und acht Meter hoch. Glatter Beton, keine Fenster.

Lang gestreckt und flach steht der Bau in der Landschaft. Auf den ersten Blick wirkt er ein wenig wie die Lagerhallen, die die großen Lebensmitteldiscounter an den Autobahnen rings um Berlin errichtet haben. Doch hier fehlen die Laderampen für die Lastwagen.

Die größten neuen Becken bundesweit

Dabei geht es bei dem Bau in Lindenberg bei Ahrensfelde um das wichtigste Lebensmittel: um Wasser. In dem 50-Millionen-Euro-Neubau der Berliner Wasserbetriebe sind genau vier große Räume untergebracht,  Kathedralen des Wassers: Hier soll künftig das Trinkwasser für 600.000 Berliner gelagert werden. Es sind sogenannte Reinwasserspeicher.

„Es sind die Herzkammern der Wasserversorgung in Berlin“, sagt Frank Bruckmann, Vorstand der Wasserbetriebe. „Es sind die größten Reinwasserspeicher, die in den letzten Jahrzehnten in Deutschland neu gebaut wurden.“ Das Besondere daran ist, dass die fast fertigen Wasserlager ab März verriegelt werden und dass dann Wasser eingelassen wird. „Es ist die letzte Möglichkeit, diese Bauwerke von innen zu sehen“, sagt er.

Der Bau wirkt von außen recht unscheinbar: Die Halle ist aber beachtliche 180 Meter lang.
Der Bau wirkt von außen recht unscheinbar: Die Halle ist aber beachtliche 180 Meter lang.Gerd Engelsmann

Doch bevor die Journalisten die Wasserbecken betreten dürfen, müssen sie sich umziehen. „Es geht um Trinkwasser – und das ist ein Lebensmittel“, sagt Unternehmenssprecherin Astrid Hackenensch-Rump. „Deshalb gelten höchste Sicherheitsbestimmungen.“ Schon bald tragen alle Besucher gelbe Gummistiefel, gelbe Helme, weiße Ganz-Körper-Schutzanzüge und Corona-Masken.

Jede der vier Kathedralen für sich ist beeindruckend, denn sie sind mehr als 70 Meter lang. Eigentlich ist es dort stockdunkel, doch für diesen Termin wurden extra Scheinwerfer aufgestellt. Trotzdem ist das Ende der Betonhalle nur zu erahnen. Gut erkennbar sind die vielen Säulen.

Insgesamt wurden 3200 Säulen tief in den Boden gebaut. Sonst hätte der sandige Untergrund den schweren Bau nicht getragen, sagen die Fachleute. Die mögliche Folge: Risse bilden sich, durch die Wasser von außen eindringt und das reine Trinkwasser verunreinigt. „Die Becken haben wir einmal schon probehalber richtig volllaufen lassen“, sagt Ivonne Jäger, die Bauoberleiterin. „Und die Werte aus dem Labor waren einwandfrei.“

Der Beton am Boden ist äußerst glatt. Auch die Wände. Ivonne Jäger sagt: „Es wurde Trinkwasser-zugelassener Beton verwendet.“ Der enthält keinerlei Kunststoffe oder organische Stoffe, die dafür sorgen könnten, dass sich Keime im Wasser bilden. Der Beton wurde zwischen die Verschalungen gegossen, und als er ausgehärtet war, wurden auch die kleinsten Kanten abgeschliffen, damit alles perfekt glatt ist.

Die Sicherheit der Anlage und die Sauberkeit des Wassers sind entscheidend, sagt Ivonne Jäger. „Alles ist so konzipiert, dass die Anlage nur alle zwei Jahre gereinigt werden muss.“

Insgesamt werden 415 Millionen Euro investiert

Die Behälter gehören zum neuen Zwischenpumpwerk in Lindenberg. Dass die Wasserbetriebe richtig viel Wasser in modernen Anlagen speichern, ist Teil des sogenannten Resilienz-Programms. „Wir wollen damit die Widerstandsfähigkeit der Wasserversorgung erhöhen“, sagt Vorstand Bruckmann. Denn Berlin steht künftig vor einigen Herausforderungen.

Einerseits wächst die Stadt, und die Versorger rechnen bei einem Bevölkerungszuwachs auch mit steigendem Wasserverbrauch. „Dazu kommen die Probleme durch den deutlich spürbaren Klimawandel“, sagt er. Gemeint sind sogenannte Starkregen-Ereignisse, also Wolkenbrüche, bei denen sehr schnell, sehr viel Wasser anfällt. Aber es wird wohl auch mehr lange Trockenphasen geben wie in den drei Sommern vor 2021. „Wir gehen davon aus, dass das Grundwasser um etwa 20 Prozent zurückgeht“, sagt Bruckmann. Auch deshalb seien moderne Speicherbecken für Notfälle so wichtig. „Dieses neue Zwischenpumpwerk leistet einen wichtigen Beitrag zur Ressourcensicherheit Berlins“, sagt er. „Bis 2036 werden wir etwa 415 Millionen Euro für die Resilienz unserer Infrastruktur ausgeben.“

Zutritt nur in Schutzkleidung: Alle mussten dafür sorgen, dass kein Dreck in die Becken gelangt.
Zutritt nur in Schutzkleidung: Alle mussten dafür sorgen, dass kein Dreck in die Becken gelangt.Gerd Engelsmann

Das Konzept ist Teil des „Masterplans Wasser“ der Senatsverwaltung für Umwelt. Dabei geht es auch um den Neubau von Grundwasserbrunnen und dass neue Standorte für Wasserwerke gefunden werden. Aber es geht auch darum, dass die Bevölkerung sparsamer mit Wasser umgeht und zum Bespiel im Hochsommer nicht tagsüber die Gärten gießt.

Das Wasserwerk ist 30 Kilometer entfernt

Vor der riesigen Betonhalle erheben sich sechs grasbewachsene Hügel. Darunter befinden sich die alten Reinwasserbecken von 1984. Der Neubau war nötig, weil es Bauschäden am alten Zwischenpumpwerk gibt.

Das Wasser in den Behältern soll immer zehn Grad kalt bleiben – wäre es wärmer, könnten sich schneller Keime bilden. Um die Kälte zu halten, sind die alten Becken so gebaut, dass sie von großen kühlenden Erdwällen umgeben sind. An der neuen Halle streicht ein Arbeiter gerade eine schwarze Masse an die Außenwand, zwei andere Männer kleben dann armdicke Platten dagegen, die die Wände isolieren.

Mit dem Wasser aus den vier riesigen Behältern sollen ab August Pankow, Weißensee, Hohenschönhausen, Marzahn, Hellersdorf und Lichtenberg versorgt werden.

Die Wände werden von außen isoliert. Das Wasser im Inneren soll immer etwa zehn Grad kalt bleiben.
Die Wände werden von außen isoliert. Das Wasser im Inneren soll immer etwa zehn Grad kalt bleiben.Gerd Engelsmann

Das Wasser kommt aus dem etwa 30 Kilometer südlich gelegenen Wasserwerk Friedrichshagen. Das liegt vergleichsweise tief in einem Urstromtal. Wenn dort die Verteilbehälter gestanden hätten, wäre sehr viel mehr Druck nötig gewesen, um das Wasser überall in den höher gelegenen Stadtteilen zu verteilen. Deshalb werden Zwischenlager gebaut. Die Durchlaufzeit beträgt etwa 48 Stunden.

Vereinfacht erklärt sind die Speicher auch so ähnlich wie früher die Wassertürme. Es wird Wasser mit vergleichsweise wenig Druck hineingepumpt. Wenn es aus dem Becken fließt, hatte es ausreichend Druck. In Lindenberg kann das Wasser dann problemlos in die zwölfte Etage der Hochhäuser fließen.

Jens Feddern, Bereichsleiter Wasserversorgung, erinnert an die drei großen Stürme der vergangenen Tage und an die Stromausfälle, die es mancherorts gab. „Wir haben hier Notstromaggregate, die die Versorgungssicherheit bei Stromausfall garantiert.“ Es wurde auch extra eine UV-Anlage eingebaut. Für den Notfall – wenn doch mal das Wasser zu viele Keime aufweisen sollte, kann es damit gereinigt werden.

Auch die Stromversorgung ist möglichst umweltschonend. Das zeigt sich auf dem Dach. Dort stehen bereits die Gestelle für Photovoltaik-Anlagen. „Mit dem Strom vom Dach kann etwa 35 Prozent des Jahresbedarfs der Anlage gedeckt werden“, sagt Stephan Natz, Sprecher der Berliner Stadtwerke, die für die Stromversorgung zuständig sind.

Es war noch eine andere Sicherheitsmaßnahme geplant: Es sollte ein Aquarium voller Bachflohkrebse geben. Wenn es denen gut geht, wäre klar, dass das Wasser sauber ist. Das hat aber nicht geklappt. Nun wird nach einer anderen Form des „Bio-Monitorings“ gesucht.