Für neun Euro einen Monat lang bundesweit den gesamten Nahverkehr nutzen: Das ist eine Werbeaktion für den Nahverkehr, wie es sie noch nicht gegeben hat. Doch Politiker, Planer und Verkehrsbetriebe befürchten, dass das ab Juni geplante Sonderangebot auf vielen Strecken zu Überlastungen führen wird- auch von und nach Berlin. Reinhard Meyer, Infrastrukturminister von Mecklenburg-Vorpommern, teilt diese Befürchtungen. „Insbesondere die Verbindungen aus Berlin und Hamburg zu den Tourismusgebieten der Ostsee werden betroffen sein, aber auch der öffentliche Verkehr vor Ort in diesen Gebieten“, sagte der SPD-Politiker am Freitag der Berliner Zeitung auf Anfrage. Er zeigte sich skeptisch, ob es gelingen wird, das Angebot zu verbessern.
Wunsch des Fahrgastverbands kann nicht erfüllt werden
Der Fahrgastverband Pro Bahn fordert, mehr Züge einzusetzen und vorhandene Züge zu verlängern. Es müsse alles dafür getan werden, dass die alle Reisenden befördert werden und Frust verhindert wird – nicht zuletzt bei den Menschen, die jetzt schon die Bahn nutzen, warnte der Verband. Die Regionalexpresszüge zwischen Berlin und Rostock/Stralsund verkehren nur im Zwei-Stunden-Takt und sind schon jetzt am Wochenende überlastet. „Das Land Mecklenburg-Vorpommern wird alles versuchen, zusätzliche Angebote zu schaffen“, betonte der Minister für Wirtschaft, Infrastruktur, Tourismus und Arbeit in Schwerin. „Wunsch des Landes ist es - wo möglich - zusätzliche Kapazitäten zu schaffen, um den zu erwartenden Engpässen entgegen zu wirken. Dies wird zur Zeit gemeinsam mit den Partnern intensiv geprüft.“
Meyer befürchtet allerdings, dass es nicht gelingen wird, alle Wünsche der Fahrgäste und ihrer Verbände zu erfüllen. „Auf dem Markt sind kaum Fahrzeuge oder Personal vorhanden, das die zusätzliche Nachfrage bedienen könnte“, gab der Landespolitiker zu bedenken. Ein großes Bahnunternehmen habe signalisiert, dass „insbesondere der knappe Personalbestand, aber auch die begrenzte Verfügbarkeit von Fahrzeugen signifikante Kapazitätserweiterungen während der Sommersaison nicht gestatten werden“, so Meyer. Dem Vernehmen nach handelt es sich um die Deutsche Bahn (DB).
Für ein Tourismusland wie Mecklenburg-Vorpommern mit hohen Besucherzahlen sei dies im Sommer nicht akzeptabel, warnte Meyer. „Der Bund muss hier gemeinsam mit den Anbietern darauf hinwirken, dass genügend Kapazitäten zur Verfügung stehen, um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden“, forderte der Minister. „Niemand möchte mit überfüllten Zügen in den Urlaub fahren.“
„Das Neun-Euro-Ticket darf nicht zu Lasten der Länder gehen“
Was die Finanzierung des Angebots anbelangt, verlangte Meyer Klarheit vom Bund. „Das Neun-Euro-Ticket darf nicht zu Lasten der Länder gehen. Von den insgesamt 2,5 Milliarden Euro entfallen gemäß dem Verteilschlüssel des Bundes 34,1 Millionen Euro auf Mecklenburg-Vorpommern. Das wird nicht als ausreichend eingeschätzt.“
Der Minister befürchtete, dass den Verkehrsunternehmen hohe Erlösausfälle entstehen werden, insbesondere in den Tourismusregionen. „Da derzeit bundesweit angedacht ist, auch die Schulträger in den Genuss des Neun-Euro-Tickets kommen zu lassen, die Schülerbeförderungen aber vor allem in den Landkreisen einen hohen Einnahmeanteil ausmachen, wären die Ausfälle hier besonders hoch“, befürchtete Meyer. „Aus diesen Gründen hält Mecklenburg-Vorpommern eine Erhöhung des bisherigen Landesanteils für notwendig.“
Brandenburgs Infrastrukturminister warnt vor Finanzierungslücke
Auch im Land Brandenburg sieht man das Vorhaben skeptisch. „Was nicht geht, ist, dass der Bund sich seiner Verantwortung entzieht und die Mittel für sein Vorhaben deckeln will“, warnte Infrastrukturminister Guido Beermann (CDU). „Ich habe immer gesagt, wer bestellt, muss zahlen. Nun die Länder, Kommunen und Verkehrsunternehmen mit in das finanzielle Risiko zu nehmen, ist inakzeptabel. Der Bund muss sowohl die Organisation als auch die Umsetzung des Neun-Euro-Tickets vollständig finanzieren. Es darf keine Deckelung geben, wenn die Kosten höher als erwartet ausfallen.“
Für Beermann ist das Neun-Euro-Ticket ist „keine nachhaltige Lösung für die Herausforderungen, vor denen der Nahverkehr steht. Wir brauchen viel mehr, als einen kurzfristigen Schnellschuss. Der notwendige Ausbau des Angebots und seine attraktive Gestaltung können nur gelingen, wenn auch hier der Bund seiner Finanzierungsverantwortung nachkommt und mehr Mittel bereitstellt.“




