Wohnen in Berlin

Neukölln: Stadtentwicklungssenator will Ausübung des Vorkaufsrechts unterstützen

Ein Haus in der Weichselstraße in Neukölln könnte in die Hände eines gemeinwohlorientierten Vermieters kommen. 

Vor wenigen Tagen demonstrierten Mieter vor dem Abgeordnetenhaus für die Unterstützung des Vorkaufsrechts durch den Senat. 
Vor wenigen Tagen demonstrierten Mieter vor dem Abgeordnetenhaus für die Unterstützung des Vorkaufsrechts durch den Senat. Christoph Gollnow/dpa

In Berlin könnte jetzt erstmals seit langem wieder das bezirkliche Vorkaufsrecht in einem Milieuschutzgebiet ausgeübt werden. Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) erklärte am Freitag, dass er im Fall des Wohnhauses in der Weichselstraße 52 „das Vorhaben des Bezirks Neukölln“ unterstütze, „die letzten verbleibenden Möglichkeiten zur Ausübung des Vorkaufsrechts auszuschöpfen“. Seine Verwaltung habe „nun alle Voraussetzungen dafür geschaffen, dass der Bezirk für das Wohnhaus in der Weichselstraße 52 das Vorkaufsrecht aussprechen kann“, teilte Gaebler mit.

Das Haus in der Weichselstraße 52, in dem sich insgesamt 21 Wohnungen und zwei Gewerbeeinheiten im Vorderhaus und im Hinterhaus befinden, wurde im Juni an eine Immobilien- und Investmentfirma verkauft. Die Bewohner des Hauses sind seitdem in Sorge, dass sie durch steigende Mieten verdrängt werden könnten. Der Bezirk Neukölln entschied sich in dem Fall, die Ausübung des kommunalen Vorkaufsrechts zu prüfen.

Die Ausübung des Vorkaufsrechts wurde zwar Ende 2021 vom Bundesverwaltungsgericht eingeschränkt. Anwendbar ist es aber noch auf Gebäude, die überwiegend leer stehen oder erhebliche bauliche Missstände und Mängel aufweisen. Die letzten beiden Kriterien treffen nach Auskunft aus dem Kreis der Mieter auf die Weichselstraße 52 zu. Ausgeübt werden könnte das Vorkaufsrecht zugunsten eines gemeinwohlorientierten Vermieters, also zum Beispiel einer Genossenschaft oder einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft.

Ohne finanzielle Unterstützung ist die Ausübung des Vorkaufsrechts aber kaum zu stemmen. Die Bewohner des Hauses fordern deswegen seit Wochen, dass der Senat Mittel für die Ausübung des Vorkaufsrechts bereitstellt. Selbst wenn die Landesregierung das Vorkaufsrecht unterstützt, kann der private Erwerber die Ausübung noch abwenden, wenn er sich zur Einhaltung eines besonderen Mieterschutzes vertraglich verpflichtet. Abwendungsvereinbarung wird eine solche Zusicherung genannt, in der zum Beispiel Luxusmodernisierungen ausgeschlossen sind.

„Sollte die Käuferin die Abwendungserklärung zum Schutz der Mieterinnen und Mieter nicht unterschreiben, stünde die Senatsverwaltung bereit, einen Erwerb über ein landeseigenes Wohnungsbauunternehmen mit der erforderlichen Finanzierung zu bezuschussen“, erklärte die Stadtentwicklungsbehörde am Freitag. Senator Gaebler sagte, neben dem Schutz der Mieterinnen und Mieter gehe es in dem Fall „auch um ein Zeichen, dass dem Land Berlin der Milieuschutz und die Vorkaufsrechte sehr wichtig sind“.

Senator Gaebler drängt auf bundesweite Neuregelung zum Vorkaufsrecht

„Das aktuell sehr stark beschränkte Vorkaufsrecht macht die Ausübung schwierig und wegen der Herausforderung bei der Wirtschaftlichkeit auf wenige Fälle begrenzt“, sagte Gaebler. Er drängt deswegen zugleich auf eine neue bundesweite Absicherung des Vorkaufsrechts. „Ich appelliere an die Bundesregierung, den Gesetzentwurf zum Vorkaufsrecht endlich zu beschließen, damit die Bezirke in Milieuschutzgebieten das Vorkaufsrecht wieder vollumfänglich anwenden können und nicht nur – wie in den aktuellen Fällen – bei stark vernachlässigten Immobilien“, so Gaebler. „Gleichzeitig ermutige ich die Bezirke, von allen bauaufsichtsrechtlichen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, die ihnen zur Verfügung stehen.“

Bundesweit kommt die Neuregelung des Vorkaufsrechts nicht voran. Bauministerin Klara Geywitz (SPD) hat zwar schon im vergangenen Jahr einen Gesetzentwurf für das kommunale Vorkaufsrecht vorgelegt, der die Sicherheit der Mieterinnen und Mieter stärken soll. Es gibt bisher aber keine Unterstützung für den Vorstoß aus dem FDP-geführten Justizministerium. „Die FDP muss ihre Blockade aufheben und den von Klara Geywitz vorgelegten Gesetzentwurf zum Vorkaufsrecht endlich beschließen, damit das Vorkaufsrecht wieder vollumfänglich angewendet werden kann und nicht nur bei ,vernachlässigten Immobilien‘ wie der Weichselstraße 52 greift“, fordert die Berliner SPD-Abgeordnete Sevim Aydin.

Gaeblers Unterstützung des Vorkaufsrechts in der Weichselstraße 52 stößt auch in der Opposition auf Zustimmung. Die Grünen-Abgeordnete Katrin Schmidberger betont jedoch, dass dies „kein Einzelfall bleiben“ darf. Wie die Mieter der Weichselstraße 52 warteten jetzt die Mieter der Rigaer Straße 94/95 und der Liebigstraße 14 auf die Prüfung eines Ankaufs durch ein landeseigenes Unternehmen oder durch eine Genossenschaft. „Der Senat steht in der Pflicht, nun alle landeseigenen Wohnungsunternehmen, Genossenschaften, Stiftungen und andere gemeinwohlorientierte Akteure an einen Tisch zu holen, um eine gemeinsame Ankaufstrategie zu entwickeln“, verlangt Schmidberger.