Prozess am Landgericht

Nach Mord an sechsfacher Mutter: Ehemann hielt das Opfer offenbar für undankbar

Im Prozess um den Mord an der 31-jährigen Zohra G. in Berlin bricht der angeklagte Ehemann sein Schweigen. Er klagt über den Lebenswandel seiner einstigen Frau.

Gul A. muss sich wegen Mordes an seiner Ehefrau verantworten.
Gul A. muss sich wegen Mordes an seiner Ehefrau verantworten.Pressefoto Wagner

Gul A. spricht in kurzen Sätzen, wie abgehakt. Jedes Detail nennt er, an das er sich erinnern kann. Wie er auf der Flucht aus Afghanistan Formulare ausgefüllt, welcher Schlepper ihn wohin gebracht hat. Wie er mit seiner Frau und den sechs gemeinsamen Kindern nach Deutschland kam. Selbst Fahrten mit dem Fahrstuhl beschreibt er wortreich. Eineinhalb Jahre hätten er und seine Familie ein gutes Leben in Berlin geführt, sagt der 42-Jährige am Donnerstag vor Gericht. Doch dann habe sich seine Frau von ihm abgewandt und die Kinder vernachlässigt, behauptet er.

Gul A. ist ein kleiner Mann, er stammt aus Afghanistan, ist nie zur Schule gegangen, war nach eigenen Worten immer ein einfacher Arbeiter. Weder lesen noch schreiben hat er gelernt. Vielleicht holt er deswegen in seiner Einlassung vor Gericht so weit aus. Am Ende des sechsten Verhandlungstages in dem Prozess um den mutmaßlichen Mord an seiner Ehefrau, in dem er der Angeklagte ist, wird er mehr als fünf Stunden gesprochen haben. Als der Vorsitzende Richter die Verhandlung am Nachmittag unterbricht, ist Gul A. in seiner Erzählung noch nicht bis zum Tattag gekommen.

Am Vormittag des 29. April dieses Jahres soll er seiner getrennt von ihm lebenden Ehefrau Zohra G. aufgelauert haben, um sie zu töten. An der Mühlenstraße Ecke Maximilianstraße in Pankow habe Gul A. die 31-Jährige mit einem Messer attackiert, ihr mindestens 13 Stiche und Schnitte zugefügt und ihr dann die Kehle durchtrennt, so die Staatsanwaltschaft. Gul A. habe sich in seinem Stolz und seiner Ehre verletzt gefühlt, heißt es zum Motiv der Tat. Zudem habe er seine Frau wegen ihrer angeblichen Kontakte zu anderen Männer bestrafen wollen – und weil er seine Kinder nicht mehr so häufig sehen konnte.

Zohra G. hatte zweimal Anzeige gegen ihren Ehemann erstattet, weil er sie geschlagen haben soll. Im Heim, in dem die Familie lebte, bekam er Hausverbot. Zwei Wochen vor ihrem Tod hatte Zohra G. zudem eine richterliche Anordnung auf Kontaktverbot gegen ihren Ehemann beantragt.

Häufig nimmt die Stimme des Angeklagten an diesem Donnerstag einen weinerlichen Ton an. Mehrfach klagt er über Kopfschmerzen, sodass die Verhandlung unterbrochen werden muss. Er sei krank, sagt Gul A. In Afghanistan sei er von den Taliban verprügelt und mit einem Schuss aus einer Schrotflinte am Hals verletzt worden. Diese Wunde habe sich auf seinen Kopf ausgewirkt, übersetzt der Dolmetscher die Worte des Angeklagten. Vor den Taliban sei er mit seiner Frau und den Kindern über den Iran, die Türkei und Griechenland nach Berlin geflohen.

„Der Mann hat in Deutschland nichts zu sagen“

Gul A. erzählt auch, dass er mit Zohra G. zunächst zwei Jahre verlobt gewesen sei und sie im dritten Jahr geheiratet habe. Er will ihrem Vater gesagt haben, dass er sie nur heiraten werde, wenn sie damit einverstanden sei. Mit den Schwiegereltern verstand sich der Angeklagte offenbar nicht gut. Er beklagt, dass sich der Vater geweigert habe, ihnen Geld für die Flucht zukommen zu lassen.

In Berlin kam die Familie vor rund zwei Jahren an. Ihr wurden drei Zimmer in einem Pankower Heim zugewiesen, das in der Nähe des Tatorts liegt. Aus den Erzählungen von Gul A. geht hervor, dass er seine Frau für undankbar hielt. Er habe sich oft gefragt, warum er nach Deutschland gekommen sei. Sicher, er habe seinen Kindern ein besseres Leben bieten wollen. „Aber der Mann hat in Deutschland nichts zu sagen“, sagt der Angeklagte. Der Mann sei hier nichts wert. Was für ein Gesetz sei das, nach dem die Frau mehr Wert habe, fragt er.

Zohra G. besuchte in Berlin einen Deutschkurs. Er habe sich in der Zeit um die Kinder kümmern, sie in die Kita und Schule bringen müssen, berichtet der Angeklagte. Dann sei die Polizei gekommen, weil seine Frau Anzeige gegen ihn erstattet habe.

„Ich habe meine Frau nicht geschlagen“, beteuert Gul A. Der Angeklagte ist davon überzeugt, dass sie ein Verhältnis mit einem Nachbarn hatte, sich deswegen von ihm getrennt hatte. „Ich war mit ihr fertig, hatte keine Gefühle mehr für sie.“ Die Kinder habe er nicht sehen dürfen.

Das Paar wurde Ende März dieses Jahres nach islamischem Recht geschieden. Gul A. behauptet nun, dass ihm die Schwester seiner Frau gesagt habe, dass er aus Deutschland verschwinden solle.

Die Schwägerin des Angeklagten, die bei Oldenburg lebt, hatte als Zeugin berichtet, dass Gul A. schon nach der Hochzeit gewalttätig geworden sei. Auch sie selbst sei von ihrem Schwager bedroht worden. „Ich bringe dich um, wenn mein Leben nicht in Ordnung kommt“, soll der Angeklagte seiner Schwägerin gesagt haben – vier Tage vor dem Tod von Zohra G.