Berlin - Im Südosten von Berlin wird in diesem Jahr ein weiteres Brückenbauprojekt in Angriff genommen. Wie bei der Elsenbrücke, die zwischen Friedrichshain und Treptow über die Spree führt, ist erneut ein wichtiger Teil des Berliner Hauptstraßennetzes betroffen. Und auch dort müssen Pendler, sofern sie per Auto unterwegs sind, mit Einschränkungen rechnen. Es geht um die Marggraffbrücke in Baumschulenweg, die unter Betonkrebs und Korrosion leidet. Damit das Bauwerk im Verlauf der Köpenicker Landstraße nicht kollabiert, muss es abgerissen und neu errichtet werden. „Baubeginn wird voraussichtlich im dritten Quartal 2022 sein“, sagte Rolf Dietrich, Leiter des Wasserstraßen-Neubauamts (WNA) Berlin, der Berliner Zeitung.
So viel steht fest: Es gibt schönere Orte in Berlin als die Marggraffbrücke. Auf drei Fahrstreifen pro Richtung rollt dichter Autoverkehr über den Britzer Verbindungskanal hinweg. Auch die BVG-Buslinien 165 und 365 nutzen das Bauwerk, das aus drei voneinander getrennten Betonbrücken besteht und beachtliche 40 Meter breit ist. Auf dem Mittelteil lagen einst Gleise, bis 1973 verband eine Straßenbahnstrecke Schöneweide und Treptow.
Nebenan, im Zickenwinkel, fällt noch eine Hinterlassenschaft der Vergangenheit ins Auge. Dort erhebt sich ein elf Meter hoher pyramidenförmiger Berg. Unter der Begrünung verbirgt sich eine Abraumhalde voller hochgiftiger Reste aus der Produktion des Volkseigenen Betriebs Kali-Chemie im benachbarten Niederschöneweide – Blausäureverbindungen, Arsen, Quecksilber, Lösungsmittel.
Am Ende der Lebenszeit angekommen
Kaum ein Kraftfahrer, der hier in Richtung Stadtzentrum oder Schöneweide fährt, nimmt die Bulldoggenstatue zur Kenntnis, mit der ein Hundefriseur am Haus 227 wirbt. Keiner von ihnen kann sehen, dass das Wasser in dem Kanal, der den Teltowkanal mit der Spree verbindet, erstaunlich klar ist. Die nach einem Stadtrat, der im 19. Jahrhundert den Bau der Kanalisation vorantrieb, benannte Marggraffbrücke ist ein Transitort, den man rasch passiert. Das Bauwerk im Eigentum der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes gehört zu einer wichtigen Berliner Straßenverbindung: der Bundesstraße 96a, die auch die Schnellerstraße und das Adlergestell umfasst.
Doch lange wird die Spannbetonbrücke, die von 1963 bis 1965 entstand und ein Bauwerk von 1930 ersetzte, ihre Aufgabe nicht mehr wahrnehmen können. „Im Zuge der planmäßigen Bauwerksprüfungen wurden Risse und Schäden an den Betonwiderlagern festgestellt“, sagte Rolf Dietrich. Der Unterbau sei „massiv geschädigt“, so das Berliner Ingenieurbüro grbv. Eine Alkali-Kieselsäure-Reaktion, auch als Betonkrebs bekannt, lässt den Beton bröseln. Außerdem findet dort ein zerstörerischer Prozess statt, den Fachleute Ettringittreiben nennen. Chemische Reaktionen führen dazu, dass der Beton von innen aufgesprengt wird. Damit nicht genug: In den Überbauten der Marggraffbrücke stellten die Fachleute Spannungsrisskorrosion fest. Sie schädigt die Spannstähle, die im Innern der Brücke für Stabilität sorgen. Deshalb gibt es „Sonderprüfungen in verkürzten Intervallen zur Beobachtung von Rissen“, so Dietrich.

Wie andere Spannbetonbrücken ist die Marggraffbrücke am Ende ihrer Lebenszeit angekommen. „Da eine Instandsetzung nicht sinnvoll möglich ist, plant der Bund den Ersatzneubau der Brückenanlage“, so Rolf Dietrich. Die Zeit drängt: „Dem Risiko einer unplanmäßigen Außerbetriebnahme soll vorgebeugt werden.“ Schließlich sei die Straßenverbindung, um die es hier geht, bereits weiter stadteinwärts durch das Projekt Elsenbrücke eingeschränkt. Wie berichtet, wird die Spreequerung bis 2028 neu gebaut, nachdem im Beton des östlichen Überbaus 2018 große Risse aufgetaucht waren.
So sieht der Zeitplan für die Marggraffbrücke aus: „Die europaweite Ausschreibung der Bauleistungen soll im Februar 2022 starten“, sagte Dietrich. Bevor die Bauarbeiten voraussichtlich im Sommer beginnen, soll die Öffentlichkeit während einer Veranstaltung informiert werden. Das auf rund 16 Millionen Euro geschätzte Vorhaben, das vom Bund, dem Land und den betroffenen Leitungsbetreibern bezahlt wird, ist eines der größeren Brückenbauprojekte dieser Art. Geplante Bauzeit: drei Jahre.
Auch Brücken über den Teltowkanal werden abgerissen und neu gebaut
So lange müssen sich Pendler und andere Kraftfahrer an dieser Stelle auf Beeinträchtigungen einstellen. Während der Bauzeit werde es zwei Fahrstreifen pro Richtung geben, sagte Rolf Dietrich – derzeit sind es drei. Dass es für die Autofahrer nicht noch schlimmer kommt, liege an dem „sehr hohen Verkehrsaufkommen“ – und daran, dass es für eine Umfahrung kaum Alternativen gebe. Für Fußgänger ist in der ersten Bauphase eine Behelfsbrücke vorgesehen, gab die Bundesbehörde bekannt.
Ein einfaches Projekt ist auch dieses Vorhaben nicht. Im Baufeld gebe es diverse Hindernisse, so die Ingenieure. So finden sich im Bereich des südlichen Widerlagers Reste eines Bahntunnels – entlang des Kanals verkehrte einst eine Treidelbahn. Die neue Marggraffbrücke entsteht in derselben Lage wie das jetzige Bauwerk, hieß es.
Geplant ist eine Stahlkonstruktion mit einer Betonplatte. Allerdings werde die künftige Überführung nur aus zwei Teilbrücken bestehen – eine Straßenbahn soll dort nicht mehr verkehren. Stadteinwärts entstehen wieder drei Fahrstreifen, diese Fahrbahn wird 9,75 Meter breit. Stadtauswärts misst sie dagegen 13 Meter, dort kommt eine Linksabbiegespur zur Minna-Todenhagen-Brücke dazu. Beidseitig werden getrennte Geh- und Radwege mit einer Gesamtbreite von 6,10 Meter gebaut, ergänzt der Amtsleiter. Auch unter der neuen Brücke wird Platz für Fußgänger sein. „Die Konstruktion ermöglicht es, künftig an beiden Kanalufern einen Fuß-/Radweg unter der Brücke hindurchzuführen“, hieß es.

48 Brücken gehören der Wasser- und Schifffahrtverwaltung des Bundes in Berlin. Auch Bauwerke über dem Teltowkanal müssen ersetzt werden. Baubeginn für die Bäkebrücke in Lichterfelde soll 2023 sein, sagte Rolf Dietrich. Die Arbeiten an der Teubert- und Techowbrücke in Tempelhof sollen 2024 starten.


