In der Nacht zum Donnerstag quietschten in der Schildhorn- und in der Kurfürstenstraße die Reifen haltender Polizeiautos. Polizisten und Zollbeamte kontrollierten dort mehrere Lokale und Shisha-Bars. Bei ihrer gemeinsamen Kontrolle in Schöneberg und Tiergarten stießen sie auf 21 illegale Glücksspielautomaten – eine Rekordmenge. Ein Lkw reichte nicht aus, um die Geräte alle abzutransportieren.
Es war einer dieser sogenannten Verbundeinsätze von Polizei, Zoll und Ordnungsämtern, mit denen die Behörden gegen die organisierte Kriminalität und die Clankriminalität vorgehen wollen – und die jetzt den Zusammenhalt der Berliner Regierungskoalition strapazieren.
Die Linkspartei hält sie für rassistisch und stigmatisierend. Die Neuköllner Ordnungsstadträtin Sarah Nagel von der Linkspartei hatte angekündigt, keine Ordnungsamtsmitarbeiter mehr dafür zu schicken.
Polizei und Innenverwaltung finden diese Einsätze dagegen richtig. Innenstaatssekretär Torsten Akmann (SPD) kündigte am Montag im Innenausschuss an, solche Einsätze auch in Zukunft fortzuführen. „Im Moment gibt es keinerlei Bedarf, an der sehr erfolgreichen Strategie etwas zu ändern“, sagte Akmann, der hier auch keine Diskriminierung sieht. Bei solchen Kontrollen im Jahr 2020 ermittelte die Berliner Polizei 293 Tatverdächtige und leitete mehr als Tausend Ermittlungsverfahren ein. Sie registrierte „ein breites Spektrum an Regelverstößen“.
Angebliche Ausbeute des Großeinsatzes: zwei beschlagnahmte Sonnenbrillen
Solche massiven Kontrollen sind Teil eines sogenannten Fünf-Punkte-Plans des Senats gegen die Clankriminalität. Dazu gehört unter anderem das konsequente Ahnden bereits geringfügiger Verstöße.
Niklas Schrader von der Linkspartei fordert eine verhältnismäßige und zielgerichtete Vorgehensweise, „und dass man diese Verbundeinsätze vor dem Hintergrund einer möglichen Diskriminierung genau überprüft“. Auch die Ausbeute solcher groß angelegten Einsätze findet Schrader gering. Er will von einem Einsatz wissen, bei dem 23 Dienstkräfte insgesamt 180 Einsatzstunden geleistet und mehrere Hundert Autos kontrolliert hätten, bei dem insgesamt „zwei Sonnenbrillen“ sichergestellt worden seien.
„Wenn wir die organisierte Kriminalität als Ganzes in den Blick nehmen wollen, kann man sich auch mal die Frage stellen, ob man die Prioritäten auf Shisha-Tabak oder auf Geldwäsche mit Immobilien legt“, meint der innenpolitische Sprecher der Grünen, Vasili Franco.
Allerdings ist der Schmuggel und Handel von unversteuertem Wasserpfeifentabak inzwischen sogar mindestens genauso lukrativ wie der Handel mit Rauschgift, haben Fahnder festgestellt. Davon finden die Beamten fast bei jedem dieser Einsätze größere Mengen. Ende Februar stellten Beamte des Zollfahndungsamtes Berlin-Brandenburg und des Landeskriminalamtes in einer Lagerhalle in Spandau fünf Tonnen Tabak sicher. Der Profit der Kriminellen und die Steuern, die dem Fiskus entgehen, liegen allein in Berlin in zweistelliger Millionenhöhe. Auch Verstöße gegen das Markenrecht sind keine Bagatelle; das Fälschen von Luxusmarken (Sonnenbrillen) etwa ist nach Erkenntnissen von Zoll und Polizei ein immer lukrativeres Geschäftsfeld.
Wie viel Koks findet man in Berlins Sterne-Restaurants?
Ob in Schöneberg, Tiergarten oder Neukölln – für manchen Außenstehenden wirken die Lokalkontrollen willkürlich. Warum dies nicht so ist, versuchte der stellvertretende Leiter des Landeskriminalamtes, Stefan Redlich, im Innenausschuss zu erklären. „Die kontrollierten Objekte müssen bestimmte Kriterien erfüllen. Ob es zum Beispiel von einem kriminellen Mitglied eines Clans geführt wird oder ob es von diesem Kreis stark frequentiert wird. Wir haben eine Prüfroutine eingebaut. Wenn wir nach einer bestimmten Zeit feststellen, dass sich das erledigt hat, dann verschwindet dieses Objekt wieder von der Liste.“ So ein Einsatz werde mitunter durch die verschiedenen Behörden über Wochen vorbereitet.
