Harmsens Welt

Lernen von der kleinen Enkelin: Wie man mit vier Wörtern durchs Leben kommt

Die Standards der fast dreijährigen Enkelin zeigen: Um durchs Leben zu kommen, braucht es nicht besonders viele Begriffe.

Mutter: „Tschüß, ich geh kurz einkaufen.“ Kind: „Okeee.“ So könnte sich der Dialog in dieser Szene anhören.
Mutter: „Tschüß, ich geh kurz einkaufen.“ Kind: „Okeee.“ So könnte sich der Dialog in dieser Szene anhören.Imago/U. Grabowsky/photothek

Die Wörter, die meine fast dreijährige Enkelin am häufigsten nutzt, sind: „Will nich“, „Smeckt nich“, „Okeee“ und „Keine Ahnung“. Eigentlich kommt man mit diesen Wörtern durchs ganze Leben. Man bräuchte keine weiteren mehr. Wenn’s nämlich doch schmeckt, muss man das nicht extra sagen. Man hat genug mit dem Kauen zu tun. Wenn man einer Sache zustimmt, schweigt man oder sagt „Okeee“. Wenn man etwas nicht weiß, sagt man „Keine Ahnung“, statt in Talkshows zu rennen oder sich in sozialen Medien herumzustreiten.

Allerdings übertreiben es manche Leute auch mit der Wendung „Keine Ahnung“. Sie nutzen sie nicht ihrem Sinn gemäß, sondern als reines Füllwort: „Ick war jestern irjendwo in der Stadt, keene Ahnung, und hab da, keene Ahnung, zwee Stunden jewartet, keene Ahnung, bis der Typ aufjekreuzt is.“ Ich hoffe, dass meine Enkelin später nicht auch mal so spricht. Das „Okay“ – oder „Okeee“ – wiederum hat in der Alltagssprache Begriffe wie „Mach ich“, „Gut“, „In Ordnung“ oder „Hab’s gehört“ fast völlig ersetzt.

Ich finde es durchaus okay, wenn ab und zu „okay“ gesagt wird. Manchmal würde man es sich sogar dringend wünschen. Zum Beispiel bei einem kurzen Treffen der Mächtigen diese Welt. Einer sagt: „Lassen wir das einfach mit den Atombombendrohungen und schmeißen das Zeug weg.“ Und alle sagen: „Okay.“

„Dafür braucht man nur det richtije Hau-nau!“

In der Sprache meiner Kindheit in den Sechzigerjahren im Osten Berlins gab es dieses „Okay“ allerdings noch nicht, jedenfalls nicht in meinem Umfeld. Man sah einen kaugummikauenden amerikanischen GI oder einen West-Berliner „Halbstarken“ vor sich, wenn jemand solche englischen Begriffe nutzte. Gegen „Jeans“ wurde  mit „Nietenhosen“ angekämpft, gegen „Rock’n’Roll“ mit „Lipsi“, gegen „Hamburger“ mit „Grilletta“.

Diesen Kulturkampf musste man einfach verlieren. Viele Jahre später versuchten dann auch die Kulturkämpfer von einst, an der mit englischen Begriffen gespickten Welt teilzuhaben. Ich erinnere mich an einen alten Onkel, der immer „How-now“ sagte, wenn er „Know-how“ meinte: „Also, ick sare euch, dafür braucht man nur det richtije Hau-nau!“

All dies wird meiner Enkelin schnurzpiepe sein. Auch ihr „Okeee“ ist etwas Aufgeschnapptes. So wie bei den meisten, die nicht wissen, woher es eigentlich kommt. Zum ersten Mal soll es der Legende nach in einer amerikanischen Zeitung aufgetaucht sein. In einem Artikel der Boston Morning Post vom 23. März 1839 steht „o.k. – all correct“, im Grunde also „oll korrect“. Die Journalisten machten sich damals den Spaß, solche falschen Kürzel zu verwenden. Für „all wrong“ nutzten sie etwa das Kürzel „o.r.“ („oll rong“).

So etwas soll damals zur Umgangssprache der Ostküste der USA gehört haben. Auch ein Präsident verwendete das Kürzel „OK“ im Wahlkampf. Schließlich landete es im Morsecode der Funker: als „OK“ für „in Ordnung“. Heute nutzt ihn meine Enkelin und denkt sich nichts dabei. Zugleich aber schöpft sie auch eigene Wörter, und das finde ich schön.

Fingernägel sind „Handzähne“ und ein kleiner Hund eine „Fußhupe“

Neulich nannte sie die Fingernägel „Handzähne“. Wie treffend! Ich habe einmal geschrieben, dass manche englischen Muttersprachler neidisch auf deutsche Wortschöpfungen wie „Fahrstuhl“, „Glühbirne“ oder „Rolltreppe“ blicken. Wegen ihrer Bildhaftigkeit. Der echte Berliner liebt so etwas auch sehr und nennt die Brille „Nasenfahrrad“, die Beine „Kackstelzen“, den Porsche „Penisersatz“ und den winzigen Hund „Fußhupe“. Die „Handzähne“ meiner Enkelin werden sicher nicht die letzte Neuschöpfung sein.