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Lächelnd durch den Berliner Herbst

Der Herbst in Berlin ist oft ungemütlich, aber es gibt auch Momente, die unserem Autor ein Lächeln ins Gesicht zaubern.

Der Herbst in Berlin ist nicht immer gemütlich.
Der Herbst in Berlin ist nicht immer gemütlich.imago images

Es ist ein grauer, unwirtlicher Morgen, einer dieser typischen ersten Tagesanbrüche eines gerade beginnenden Herbstes. Alle Zutaten kommen zusammen: die geschlossene Wolkendecke mit ihrer monotonen Färbung; die kalte Windböe, die beim Abbiegen um die Straßenecke erst herb ins Gesicht schlägt und sogleich heimtückisch unter den Kragen kriecht; die Schultern, die sich zum Schutz unweigerlich bis an die Ohrläppchen hochziehen. Auf freundliche Gesichter muss man in dem Szenario gar nicht erst hoffen, den anderen Leuten geht es ja nicht anders. Und so soll das nun wochen- und monatelang weitergehen? Nicht unbedingt.

Parallel zur Hauptstraße, über die laut der Berufsverkehr knattert, hat jemand eine Sonne auf den Gehweg gemalt. Darunter steht: „Good morning, you look great! Smile!“ Gefolgt von einem Smiley. Und es klappt, plötzlich sind der graue Himmel und der kalte Wind, der Trubel und die Geschäftigkeit vergessen. Übers Gesicht huscht ein Lächeln. Manchmal kann es doch ganz schön sein, wie einfach das menschliche Gemüt gestrickt ist.

So schnell und bereitwillig wir uns zu ärgern bereit sind über vor der Nase wegfahrende Bahnen oder ignorante Mitmenschen, die in ihrem bequemen Selbstverständnis das eigene Fortkommen über alles und alle stellen – so schnell lässt sich offensichtlich auch eine positive Reaktion provozieren, solange sie nur richtig platziert und nicht zu aufdringlich ist. Das schönste Merkmal dieser Botschaft ist ihr universeller Gedanke: Du bist in Ordnung, so wie du bist. Egal, wer du bist. Sie wirkt nach, weil man sich sogar mit den Unbekannten ein bisschen mitfreuen kann, die diese Nachricht später noch lesen werden und vielleicht in diesem Moment dringender gebrauchen können als jemand, dessen ärgste Sorge der Wind unterm Schal ist.

Wer immer nur nach unten schaut, verpasst in Berlin einfach zu viel

Wer auch immer den mit einfachsten Mitteln aufgetragenen und überraschend wirksamen Stimmungsaufheller dort hinterließ, er oder sie kennt die Mitmenschen nur zu gut und hat sich eine ihrer Grundhaltungen zunutze gemacht: den Blick nach unten. Der ist eigentlich zu bedauern, wegen der Fehlhaltung im Halsbereich natürlich, aber vor allem auch, weil man mit stets gesenktem Kopf vieles von der Umwelt verpasst, denn auch dort könnten theoretisch ja aufmunternde Momente lauern.

Womöglich sähe man mehr freundliche Gesichter, wenn sich die Blicke häufiger kreuzten. Wer weiß, ob die aufgemalte Botschaft nicht selbst hier Besserung verspricht. Denn wer bestätigt wird, dass er oder sie toll ist, kann seine oder ihre Wege genauso gut auch selbstbewusst und erhobenen Hauptes fortsetzen. Dann könnte der Herbst ganz schön werden.