Dieser Sonntag könnte für Debatten sorgen und ein Problem wieder stärker in den Fokus der Öffentlichkeit rücken, das über den Sommer in den Hintergrund getreten ist. Gemeint ist der Rechtspopulismus, der Extremismus der Neuen Rechten. Denn am Sonntag wird im südbrandenburgischen Cottbus ein neuer Oberbürgermeister gewählt – diese Stadt ist seit Jahren eine Hochburg der AfD.
Kräfte am äußeren rechten Rand wollen Cottbus seit Langem neben der „Pegida-Stadt“ Dresden zum zweitwichtigsten Ort des Protestes gegen die Regierungen machen, ob gegen die Flüchtlingspolitik, die Corona-Maßnahmen oder aktuell die Energiepolitik. Der AfD-Mann könnte im ersten Wahlgang gegen die anderen sechs Kandidaten sogar gewinnen. Es gilt als wahrscheinlich, dass er mindestens unter die ersten zwei kommt und damit in die Stichwahl. Das wäre erstmals in einer Großstadt der Fall.
Viele Politiker werden wieder sagen, dass dies für die anderen Parteien ein Weckruf sein müsse. Im zweiten Wahlgang werden die anderen Parteien einen gemeinsamen Anti-AfD-Block bilden und so den Sieg der Radikalen verhindern. Die Sache mit dem Weckruf werden sie aber wohl schnell wieder vergessen im politischen Alltag.
Die AfD steckt in ihrer schwersten Krise
Und so kann die AfD wohl weiter profitieren von der Unzufriedenheit. Sie steht trotz aller internen Streitereien gut da. Umfragen im Bund sehen sie bei 13 Prozent. Das ist klar besser als die zehn Prozent bei der Bundestagswahl im Vorjahr. Aber die Partei ist derzeit nicht aus sich selbst heraus erfolgreich. Denn die AfD steckt in ihrer schwersten Krise.
Unter den Parteien am rechten Rand ist sie im europäischen Vergleich recht ungewöhnlich. Die anderen sind meist als harte Extremisten gestartet und dann – mit wachsender Wahlgunst – zahmer geworden. Nicht so die AfD. Sie hat sich mit ihrer Selbstradikalisierung immer weiter ins Extreme bewegt und hat alle bisherigen Chefs durch noch radikalere ersetzt. Nun stellt sich die Frage: Wird sie eine Neonazi-Partei oder wird sie wieder versuchen, im bürgerlich-nationalen Lager zu punkten?
Die Partei ist tief gespalten. Eigentlich ist die AfD zwei Parteien: erfolgreich und extrem im Osten, recht erfolglos und bemüht bürgerlich im Westen. Die zerstrittene Partei hat ein klares Extremismusproblem und ist wegen der internen Kämpfe nach außen kaum handlungsfähig.
Aber all das wird in diesem Herbst wohl keine Rolle spielen, denn die Partei ist reaktionsfähig, schließt sich seit Langem immer wieder den Straßenprotesten an und versucht, sie zu kapern. Deshalb wird von der AfD demnächst wieder viel zu hören sein – als parlamentarischer Arm und als Stimme der Unzufriedenen, die ihren Unmut zum Beispiel über die hohen Energierechnungen auf die Straßen tragen. Früher eine Aufgabe der Linkspartei, nun der AfD. Die wird sich sicher einschießen auf ihre Lieblingsfeinde von den Grünen, deren Minister derzeit nicht gerade glänzen. Die AfD wird auch weiter den Import von Gas aus Russland fordern.
All das wird vor allem bei den extremen Kreisen im Osten ziehen. Doch bei Wählern im Westen wird es – auch aus alter Russland-Abneigung – wenig Anklang finden, wenn sich die AfD als prorussische Putin-Versteher-Partei positioniert.
Der Herbst der Proteste wird wieder mal zu einer Aufwertung der AfD in der öffentlichen Wahrnehmung führen, aber die wird wohl nicht von sehr langer Dauer sein. Denn dies ist ein Effekt der Krise und hat wenig mit dem Personal der AfD zu tun oder mit ihren Inhalten.
Ausdruck der Jammer-Ossi-Mentalität
Die gesteigerte Wahrnehmung der AfD wird wohl am Sonntagabend beginnen, wenn der AfD-Mann in Cottbus den ersten Wahlgang gewinnt oder in die Stichwahl kommt. Die Partei wird sich sicher lautstark selbst feiern.
Doch dieser Sieg im Osten der Republik wird ein Grundproblem der Partei wohl eher verstärken. Denn die AfD punktet nur im Osten so richtig und dort meist mit viel extremistischerem Personal. Doch diese Erfolge im Osten wirken sich nicht auf den Westen aus, sie profitiert davon nicht in der Wählergunst.
Ein Erfolg der AfD in Cottbus am Sonntag könnte der Partei damit langfristig eher schaden. Denn er würde zeigen, wie groß die Kluft innerhalb der AfD zwischen Ost und West ist. Die wird immer mehr zu einer ostdeutschen Regionalpartei. Sie ist zwar in Teilen von Thüringen, Sachsen und Südbrandenburg stärkste politische Kraft, aber in der westdeutsch geprägte Mehrheitsgesellschaft stößt sie auf immer mehr Unverständnis, da die Erfolge oft auch als Ausdruck der Jammer-Ossi-Mentalität gesehen werden.


