Mit Kupa Ilunga Medard Mutombo werden sich nur wenige Menschen identifizieren. Die Empörung über seinen Tod nach einem Polizeieinsatz wird wahrscheinlich sehr schnell abebben. Journalisten und Leser werden sich von seinem gewaltsamen Tod abwenden. Sich sagen, die Polizisten werden schon richtig gehandelt haben, wahrscheinlich aus Notwehr. „Mir könnte das nicht passieren“, das wird der Gedanke sein, der sich leise, aber beruhigend festsetzt, wenn sie hören, dass der Mann psychisch krank war. Schizophren. Obdachlos. Und Schwarz.
Die Polizeibeamten, die am 14. September am Übergangswohnheim Falkenseer Chaussee eintrafen, waren wegen Mutombos Gesundheit dort. Es ging einzig und allein darum, ihn zur Behandlung in eine Klinik zu bringen, andere Menschen waren nicht in Gefahr. Ihn mit roher Gewalt zum Mitkommen zu zwingen, war unverhältnismäßig. Mutombo war unbewaffnet, er war 64 Jahre alt, er kann für drei oder später für 16 Polizeibeamte keine so große Gefahr dargestellt haben, dass sie ihn töten mussten. Vielleicht wollten sie das auch gar nicht. Doch spätestens seit dem Mord an George Floyd sollte doch jedem Menschen bewusst sein, dass ein Knie im Nacken tödlich sein kann.
Mutombo hat sich gewehrt. Er hatte Angst. Aufgrund seiner Schizophrenie nahm er die Situation vermutlich noch intensiver wahr. Wie sich herausstellte, war seine Angst begründet. Und welcher Mensch würde sich nicht wehren, wenn man auf ihm kniet? Polizisten lernen in ihrer Ausbildung Handgriffe, denen man sich schwer entziehen kann. Warum knien sie also so oft beim Zugriff, ob auf Demonstrationen, bei einer Festnahme oder wie hier bei einem Krankentransport auf Menschen? Mutombo war kein Verbrecher. Und selbst wenn, gibt es wirklich keine andere Methode, um einem alten Mann Handschellen anzulegen?
Die Beamten hatten einen Auftrag, den sie in diesem Moment nicht erfüllen konnten. Deshalb forderten sie Verstärkung an. Stattdessen hätten sie sich vorerst zurückziehen können. Weder das Leben noch die Unversehrtheit von irgendjemandem außer Mutombo selbst war bedroht. Der Transport hätte zu einem anderen Zeitpunkt stattfinden können, ohne Polizei. Vielleicht mit einem Trick der Betreuer, die ihn kennen. Es muss aufhören, dass standardmäßig die Polizei zu einem solchen Transport gerufen wird – weil Polizisten offensichtlich nicht dafür geschult sind, mit psychisch kranken Menschen umzugehen.
Sein Leben ist genauso viel wert wie das aller anderen
Kupa Ilunga Medard Mutombo ist kein Einzelfall. Sein Fall reiht sich ein in eine Chronik von tödlichen Polizeieinsätzen, bei denen die Opfer auffällig oft psychisch krank, obdachlos oder People of Color waren. Maria B. wurde in Friedrichshain erschossen, der wohnungslose Armin F. in Frankfurt am Main erschossen, der Straßenmusiker Jozef wurde bei einer Zwangsräumung erschossen, der 16-jährige Mohamed D. wurde in Dortmund erschossen, um nur ein paar Namen zu nennen. Alle außer Maria B. im Jahr 2022.
Mussten die Beamten abdrücken? In all den Fällen hätte ein Rückzug der Polizei die Situation wahrscheinlich schnell entschärft. Aber diese Menschen erschienen den Beamten offenbar als anders, „verrückt“, verwahrlost oder einfach als nicht weiß. Die Empathie der Polizisten für sie war vermutlich schwächer als anderen Menschen gegenüber. Und gerade deshalb gehen diese Fälle alle Menschen, die gerne in unserer Demokratie leben, etwas an. Wir müssen für unser Grundgesetz einstehen und kämpfen: Das Leben dieser Menschen ist genauso viel wert wie das aller anderen.


