Kolumne

Berlin erlebt seinen dritten Frühling – oder ist es der vierte?

Die Sache mit der Sonne holpert vor sich hin. Wärme und Kälte wechseln sich ab. Aber unser Kolumnist ist sich sicher: Der Frühling ist da. Er kennt die Gründe.

Ist das noch der dritte Frühling in diesem Jahr oder schon der vierte?
Ist das noch der dritte Frühling in diesem Jahr oder schon der vierte?Markus Wächter/Berliner Zeitung

Die meisten Menschen haben kein gutes Wettergedächtnis. Das ist auch daran zu erkennen, dass zumindest beim Wetter früher alles besser war: Früher gab es noch echte Winter mit Schnee und klirrendem Frost, sagen die einen. Früher gab es im Sommer auch nicht nur Dürren, sondern auch richtig schöne Gewitter, erzählen die anderen.

Das stimmt zwar, aber es war auch nicht jedes Jahr so. Das vergessen viele. Die meisten haben auch vergessen, dass der Winter im vergangenen Jahr fast übergangslos in eine Art Frühsommer überging und dass dann die Hitze gar nicht mehr aufhörte. Oder war das im Jahr davor?

So etwas merkt sich fast niemand. Oder jetzt gerade: Da hängt der Himmel drei Tage lang voller Wolken, die auch noch ab und an regnen, da fegt ein kalter Wind durch Berlin und wir müssen wieder die dicken Jacken rausholen. Und schon haben ganz viele den vergangenen Freitag vergessen. Besser gesagt: das Wetter an diesem denkwürdigen Tag.

Sogar die Handys blieben ungenutzt

An dem Tag begann für viele der dritte Frühling in diesem Jahr. Zuerst war es im Februar so warm, dass die Eichhörnchen aus ihrer Winterruhe erwachten, dann schien im März die Sonne schon mal so kräftig, dass es überall zu grünen begann. Nun brachte der Freitag echte Wärme nach Berlin.

Morgens auf dem Fahrrad trugen viele noch Handschuhe zur dicken Jacke, am Nachmittag aber war nur noch ein T-Shirt nötig. Die Sonne hörte gar nicht mehr auf zu blenden, manche saßen halbnackt auf der Wiese, und die Schlangen vor den Eisdielen im Friedrichshain waren mindestens sechsmal so lang wie am Vortag. Ich habe es nachgemessen.

Und dann die Bänke. All jene, die mit Blickrichtung zur Sonne standen, waren besetzt. Die meisten Leute hielten ihr leicht erhobenes Gesicht in die Sonne, natürlich mit geschlossenen Augen. Deshalb konnte niemand mehr aufs Handy schauen. Ein Bild, dass es nur ganz am Anfang gibt, wenn die Sonne noch überraschend ist.

Damit war für viele endlich der Frühling da. Dabei ist das nicht richtig. Der richtige Frühling – so wie er früher üblich war –, das war die Zeit vor diesem Freitag. Das war der verregnete März sowie der April mit seinem klassisch wechselhaften Aprilwetter, mit Regen fast ohne Ende. Die Natur durfte sich freuen und die Bauern durften jubeln.

Doch nun, nach dem Freitag und dem wunderwarmen Wochenende, sind überall die Klagen zu hören, dass auch der dritte Frühling schon wieder vorbei ist. Aber das stimmt nicht. Es gibt zwei Indizien für einen echten Frühling: Die Eisdielen machen nicht gleich wieder dicht, wenn es mal einen Tag lang regnet. Und: Die Vögel singen morgens auch bei bewölktem Himmel so laut, als wäre es schon weltmeisterlich warm.