Seit zwei Wochen fahren mein Mann und ich durch Neuseeland. Von Auckland, im Norden der Nordinsel, bis nach Manapouri, im Süden der Südinsel. Dazwischen liegen Gletscherberge, Regenwälder und Sandstrände. Und natürlich Hobbiton – das Drehset der „Herr der Ringe“-Filme und Mekka vieler Tolkien-Fans. Wir buchen eine Tour und lernen das Mittelerde-Einmaleins: zum Beispiel die Orks. Die waren Teil der neuseeländischen Armee! Erst half sie beim Straßenbau zum Set; zum Dank kam sie in den Film. Nicht schön, aber immerhin.
Der „Herr der Ringe“ scheint tatsächlich überall. Selbst in den abgelegensten Orten finden wir Filmkulissen und graubärtige Zauberer, die Touri-Gruppen zu Aussichtspunkten führen. Letztlich scheint ganz Neuseeland wie Mittelerde und die Klimakrise weit weg. Dabei bedroht sie heftig die Flora und Fauna Neuseelands, genau wie die Kolonialgeschichte der Insel. Denn wildernde Nadelbäume, eingeschleppte Tiere, wie Ratten, und Ackerbau gefährden bis heute Biotope und einheimische Arten. Die gibt es sonst nirgendwo auf der Welt. Mittelerde kämpft also ganz ohne Orks ums Überleben.
Ähnliches gilt für die Geschichte und Kultur der Maori, der indigenen Bevölkerung Neuseelands. Zwar finden wir Radio- und Fernsehsender in Maori-Sprache, und alle Schilder öffentlicher Gebäude sind zweisprachig. Aber die Kolonialgeschichte der Insel, erzählt uns die Geschichtsstudentin Sarah, ist für Schüler:innen in Neuseeland kaum Teil des Stundenplans. Diese Lücke soll sich bald schließen. Bisher aber bleiben Maori-Geschichte und -Gegenwart oft unsichtbar.
Anders die Naturkulissen – die gibt es, wo das Auge hinsieht. Deshalb wandern mein Mann und ich, was das Zeug hält. Ein Netz an Wanderwegen hilft uns dabei. Und alle Pfade, egal ob viel begangen oder versteckt im Hinterland, sind bestens beschildert und gepflegt. Wie im 220-Seelen-Ort Manapouri. Idyllisch gelegen zwischen Seen und Bergen, beginnt hier einer der schönsten Rad- und Wanderwege unserer Tour. Diesen Weg, erzählt uns Julie, gebe es ohne die vielen Freiwilligen der Gegend nicht.
Julie und ihr Mann Alister leben in Manapouri. Seit Jahren ist ihnen der Ausbau der lokalen Infrastruktur eine Herzensangelegenheit. Nur solche Infrastruktur, sagen sie, erlaube es Tourist:innen und den Menschen im Ort, die Gegend ohne Auto zu erkunden. Dafür opfern sie und andere Freiwillige viele Arbeitsstunden (über 1000 im letzten Jahr), geben Sachgeschenke und spenden Geld. Nun rühmt den Ort ein 30 Kilometer langer Rad- und Wanderweg. Der führt in den Nachbarort, mit Aussichtsbänken, Grillplätzen und Picknicktischen.




