Harmsens Welt

Berlinisch und Cockney: Was die Stadtsprachen von Berlin und London gemein haben

Stadtsprachen gingen einst aus dem Volk hervor. Sie haben eigene Laute und Begriffe – Cockney sogar einen Reim-Slang. Soll sich Berlin ein Beispiel nehmen?

Eine Fußgängerin geht an einem Kunstprojekt in London vorbei.
Eine Fußgängerin geht an einem Kunstprojekt in London vorbei.AP/Kirsty Wigglesworth

Es ist interessant, wie sich Stadtsprachen ähneln. Nehmen wir London und Berlin. Neulich habe ich ein Video gesehen über Cockney, den Londoner Slang. Er entstand einst rund um die City und das East End von London.  Heute finde man ihn überall, behauptet jemand in dem Video. Es sei cool, mit Cockney-Regiolekt zu sprechen. In Berlin dagegen sieht man gerade im Innenstadtring, wo früher heftig berlinert wurde, einen Rückzug des heimischen Metrolekts. Eigentlich schade. Das Berlinische ist doch so typisch für die Stadt!

Berlinisch und Cockney: Beide haben eine ganz besondere Aussprache. Der Berliner sagt „Kopp“ statt „Kopf“, „Beene“ statt „Beine“, „büjeln“ statt „bügeln“, „det“ statt „das“. Beim Londoner Cockney-Akzent lässt man zum Beispiel das „t“ in der  Mitte eines Wortes aus. Aus „water“ wird „wo’a“ (mit kurzem „o“), aus „butter“ wird „ba’a“. Eine „bottle of water“ wird zur „Bo’oh’o’wo’a“.

Auch das „h“ wird weggelassen. Aus „head“ wird „ädd“. Auch das „th“, das im Englisch-Unterricht so intensiv geübt wird, weil es angeblich so unverzichtbar sei, verwandelt sich wundersam. Aus „thanks“ wird „fanks“, aus „brother“ wird „brawwa“.

Im Berlinischen findet man auch Einflüsse aus der Gaunersprache

Natürlich gibt es wie im Berlinischen auch im Cockney-Regiolekt ganz spezielle Wörter. Aus „cigarette“ wird „fag“, aus „toilet“ wird „bog“, aus „car“ wird „motor“. Im Berlinischen wird die Zigarette zur „Kippe“, die Toilette zum „Klo“, das Auto zur „Karre“.

Besonders spannend ist es aber dort, wo es um die Herkunft der Sprache geht. Und da findet man im Berlinischen Einflüsse aus vielen Quellen, unter anderem aus der einstigen Gaunersprache, Rotwelsch  genannt. Mit Wörtern wie „ausbaldowern“, „ausklamüsern“, „mosern“, „Kohldampf“ oder „Moos“ (für Geld). Man wollte sich eben früher frei austauschen können, ohne gleich von der Obrigkeit, der Polizei und anderen verstanden zu werden.

In London ist dabei eine seltsame Geheimsprache entstanden, und zwar der „Rhyming Slang“. Als Uneingeweihter kann man hier den Sinn oft kaum noch erraten. Denn ein Begriff wird durch einen sich darauf reimenden Ausdruck mit zwei oder drei Wörtern ersetzt. Hier ein Beispiel: Das Wort „Money“ (Geld) reimt sich auf „bread and honey“ (Brot und Honig). Wenn man nun „I haven’t got any money“ (Ich habe kein Geld) sagen will, ersetzt man das Wort „Money“ – aber fatalerweise nicht durch „Honey“. Das wäre zu logisch. Sondern man sagt: „I haven’t got any bread“. Man denkt sozusagen zweimal um die Ecke.

Ein Reim-Slang könnte das Berlinische vielleicht etwas aufpeppen

„Wife“ (Ehefrau) reimt sich zum Beispiel auf „trouble and strife“ (Ärger und Streit). Ehefrau heißt also „trouble“. „Lies“ (Lügen) reimen sich auf „pork pies“ (Schweinepasteten). Deshalb sagt man „Don’t tell porkies!“ (Erzähl keine Lügen!) Kaum zu glauben, wie seltsam Sprachen sein können. Gibt es da eine Liste, die man auswendig lernen muss, um dazuzugehören?

Vielleicht wäre ja eine Art Reim-Slang auch eine Möglichkeit, die heimische Stadtsprache etwas aufzupeppen. Wenn es am Ende nur noch was für Eingeweihte ist, breitet sich das Berlinische vielleicht ganz schnell wieder aus. „Morgen“ reimt sich zum Beispiel auf „Kummer und Sorgen“. Heißt es also künftig: „Juten Kummer“? Oder: „Hals“ reimt sich auf „Hopfen und Malz“. Heißt es künftig: „Wasch dir mal deinen dreckijen Hopfen“? Oder: „Haus“ reimt sich auf „Katz und Maus“. Heißt es künftig: „Det ist die Katz vom Nikolatz“? Nee, klingt alles doof, ich weiß. Wir müssen uns was ganz anderes ausdenken.